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Il04 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. Dazu kam noch, daß der päpstliche Hof und die gcsammte Hierarchie Partei »ahmen für die beiden katholische» Mächte, welche dem preußisch-deutsche» Schwerte erlege» wäre», daß die ultramontane» Prcßorgane, die aller Orte» und Enden auf- schoffcn, zum Theil unter täuschenden Namen und Ehrcnschilden wie „Germania", „Deutsche Reichszeitung",„Vaterland"«, a.ihre feindlichen Tendenzen verhüllend, für alle Gegner des Reichs cintratcn und die Flamme des Haffes gegen Preuße» und Deutschland zu einem „Krieg der Rache" schürten. Der Rcichöregicrung war somit die Waffe der Nothwchr in die -Hand gezwungen, und da der Kampfpreis die Erhaltung aller der Güter war, welche die Seele des modernen Staats aus- machcii, der Freiheit der Wissenschaft, der Lehre, des geistige» Lebens, so ge staltete sich der Kampf zu einem wahren „Culturkampf". Es handelte sich ui» das hohe Prinzip, ob die Anschauungen und Wahrheiten, welche der forschende Geist und die Wissenschaft seit Jahrhunderten errungen haben, Geltung und Be stand behalten, oder ob wie im Mittelalter die ganze Welt des Glaubens und Wissens der Autorität der Kirche unterworfen sein, nur durch das päpstliche Ge präge als Wahrheit erscheinen sollte. Und bei diesem Kampfe hatte das Reich auch zugleich das formale Recht auf seiner Seite; denn die durch das vaticaniD Concil veränderte Kirche war nicht mehr dieselbe, mit welcher vordem die Re gierungen ihre Verträge und Concordate geschloffen. Und wie sehr auch der i» Demuth und Servilität sich beugende Episcopat und seine Satelliten in der Presse und auf der Kanzel zu beweisen suchten, daß die Aufstellung eines neuen Glaubens satzes ausschließlich eine innere Angelegenheit der Kirche sei, die den Staat nichts angehe; der Aufschrei des Gewissens, der allenthalben ertönte und den Schuß des Staates gegen die Tyrannei der neuen Glaubcnsrichtcr anrief, bewies, dop diese Beschlüsse tief in das Fleisch der gesammten katholischen Welt eingedrungen. Und sollte die weltliche Obrigkeit diese Hülfcflchenden, die ja doch auch Glieder des Staates waren und zum Theil sehr edle Glieder, von ihren Thüren weisen, weil sie dem Zwang und den Verführuugskünsten der jesuitischen Zeloten sich nicht fügen wollten? Und sollte der Staat verpflichtet sein, gegenüber einer Religions- genvsscnschaft, die auch abgesehen vom Glauben, in ihrer Verfassung, in ihren or ganischen Einrichtungen eine andere geworden war, die alte Stellung zu bewahren? Sollte er gehalten sein, einen kirchlichen Organismus, der soeben unter seine» Ange» durch so prcfane Mittel und egoistische Triebfedern eine so wesentliche Umgestaltung erlitten, der das Laudesepiscopat zu einem willenlosen Werkzeug der päpstlichen Kirchenpolitik herabgesetzt hatte, als göttliche Institution, nls Werk des Heiligen Geistes anznschcn und zu behandeln? Mochte er immerhin den Glaubeirsinhalt als ein der Kirche selbst gehörendes Gebiet anerkennen und sich jeder Einmischung enthalten, so konnte er doch die körperliche Form, den hierarchischen Ausbau nur als Menschenwerk gelten lassen. Es war der höchst Triumph des jesuitischen Prinzips, daß das ganze Kirchensystem nach Inhalt und Form, der innere und äußere Organismus durch das Dogma von der lehranit'