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1096 L. Neueste Zeitgeschichte in ihrem äußeren Verlaufe. deS Papstthums verbinden, die „beiden Schwerter" ivicdcr ins Leben rufen wollle. Die Wortführer dieser klerikalen Partei, ein Mallinckrodt, Reichensperger, Windthorst, Schorleiner-AIst, gehörten dem nördlichen Deutschland an, während der meistens katholische Süden größtcnthcils reich-freundliche liberale Vertreter gewählt hatte, mit Ausnahme einer Reihe bairischer „Patrioten" und deS strcitfertigen Bischofs Kettclcr von Mainz. Diese katholischen Rcichsbotcn vereinigten sich zu einer „Ccntrums - Partei", an die sich nach und nach alle anschlosscn, welche der Neubildung und Stärkung Deutschlands cntgcgc»zli> wirken suchten, Polen, Particularistcn, Socialdcmokratcn und der ganze Schwarm der Rückschrittspartei und der Malcontcnten, so daß man die ganze Fraction als „schwarze und rothc Internationale" bezeichnen konnte. Die Kle rikalen, denen die Encyclica nebst dem Syllabus (S. 947) als höchstes Gesetz galt, wollten das neue Reich wieder in dieselben Bahnen lenken, auf denen einst das alte seinen Untergang gefunden, das neue Kaiscrthum zum „welt lichen Arm" der Hierarchie hcrabsetzen, damit es den Stuhl Petri wieder auf- richte. Schon in die Antwortsadresse auf die Thronrede des Kaisers suchte» sie einen Passus einzubringen, der wenigstens die Möglichkeit einer Intervention Deutschlands zu Gunsten des Papstes und seiner weltlichen Herrschaft durchblickc» liehe, und in die Reichsverfassung wollten sie einige „Grundrechte" im Jntercsst der katholischen Kirchengewalt ausgenommen wissen. Als die Reich sgewaltc» sich nicht in den Dienst einer Autorität begeben wollten, welche nur dem römisch- katholischen Kirchenthum die Berechtigung einer Staatsreligion zugesteht, be schlossen jene die „Mobilmachung" wider das neue Reich und suchten mit alle» Mitteln den organischen Ausbau desselben zu hindern. Auf einem Seitenweg sollte das Prinzip von den „beiden Schwertern" eingeführt, der katholischen Kirche eine selbständige Stellung gegenüber dem Staate geschaffen werden. Gleichzeitig ging aus dein Schooße dieser Kirche selbst eine innere Bewegung hervor, die für ihre eigene Einheit und Kraft bedrohlich zu werden schien. Als die Beschlüsse des vaticanischen Concils ohne alle Rücksicht auf die Opposition als Glaubens- und Kirchcngesehc bekannt gemacht wurden, erließ der Stiftspropsi 2S. Mär, Döllinger ein offenes Sendschreiben an den Erzbischof von München-Freising, worin er ausführte, daß das neue Dogma von der Allgewalt und Unfehlbarkeit . des Papstes der heiligen Schrift wie den Traditionen der Kirche entgegen sei, Es trage seinen romanischen Ursprung an der Stirne und würde, falls es bei dem katholischen Theil der deutschen Nation herrschend werden sollte, den Keim des unheilbaren Siechthums, an dem das alte Reich zu Grunde gegangen, auch in das eben erbaute neue Reich verpflanzen. Nach dieser von den Jesuiten auf gestellten Theorie werde dem päpstlichen Oberhaupte eine vollendete Universal- herrschaft und geistliche Dictatur beigelegt, welche zu endloser verderblicher Zwie tracht zwischen Staat und Kirche, zwischen Geistlichen und Laien führen müsse- Dieses „Pronunciamento" des gelehrtesten katholischen Theologen und die gleich-