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1080 D. Bon Errichtung deS zweiten franz. Kaiserthums rc. Familien zurückgcgeben wurden ; so konnten doch mit Fleiß, Sparsamkeit und guter Wirtschaft die Verluste wieder ausgeglichen, die ruinirten Städte und Ortschaften wieder aufgebaut, Handel, Industrie und Ackerbau wieder belebt, die reichen Hülfsquellcn des Landes wieder flüssig gemacht, auS dem großen Schiffbruch noch manche werthvolle Güter gerettet und gesammelt werden; man konnte eine neue Basis schaffen, auf welcher die Nation mit Umsicht und haus hälterischer Thätigkcit wieder zu Wohlstand und zu geordneten Verhältnissen sich cmporzuarbeiten vermochte. Aber solche Selbstcrkenntniß und Resignation blieb einem großen Theil des verwöhnten und eingebildeten Volkes fremd. Anstatt bußfertig und reumüthig an die eigene Brust zu schlage», schrieen die repub likanischen Heißsporne, die Socialdemokraten, die unteren Volksklasscn der großen Städte über Feigheit und Vcrrath, spicen Haß und Rache gegen die Deutschen und suchten Heilung der Wunden in der Verwirklichung der alten Schlagwörter: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die schon so viel Unheil über Staat und Gesellschaft in Frankreich gebracht hatten. Theils aus Furcht vor der Demo kratie, theils aus kindischer Leidenschaft legten viele Franzosen, darunter ange sehene Kaufleute, Bankiers und Gelehrte das Gelübde ab, allen Verkehr nnt Deutschland abzubrechen und alle Deutschen aus ihren Diensten zu entfernen. Unter den Männern, welche die Nation zur Aufrichtung einer neuen Ordnung nach Bordeaux gesandt hatte, herrschte Zwietracht und Parteiwuth, die noch wuchs, als der entthronte Kaiser kurz vor seiner Abreise von Wilhelmshöhe nach Chisel- hurst in einem Manifest gegen die von der Nationalversammlung beschlossene «- M Absetzung der Napoleonischen Dynastie protestirte und eine neue Volksabstimmung forderte; in Paris waren einzelne Quartiere, Montmartre, Belleville, Billette, in wilder Gährung und die Nationalgarden, zum große» Theil aus den Arbciter- schichten gebildet, zeigten keine Neigung, die Waffen nicderzulegen und sich den Geboten der Nationalversammlung zu fügen. Mit ihnen sympathisirtcn mehr und niehr die entwaffneten Soldaten, die man nicht rasch genug entfennm konnte. Eine Anzahl republikanischer Abgeordneter, darunter politisch bekannte Namen wie Victor Hugo, Rochefort, Ranc, Cournet, Felix Pyat u. a. gaben aus Ver druß über das „Bauernparlament" ihr Mandat zurück; der wackere Maire von Straßburg, vr. Küß, schied unter den stürmischen Auftritten dieser Tage in Bordeaux aus dem Leben und wurde als Leiche in seine Vaterstadt zurückgcbracht; sein Herz war wohl zusammengebrochen unter den schweren Erlebnissen der letzten Monate. Die franz. Die Aufregung nahm noch zu, als man in der Nationalversammlung über inNaMdie Frage sich berieth, wo die neue Regierung ihren Sitz aufschlagen sollte, ob in Paris, in Versailles, in Fontainebleau. Man entschied sich für Versailles, für denselben Ort, wo den ganzen Winter über das preußische Hauptquartier sich befunden, wo das deutsche Kaiserthum aufgerichtct worden, von wo so merk würdige geschichtliche Ereignisse ihren Ausgang genommen. Dadurch trieb man