Volltext Seite (XML)
VI. Der deutsch-franz. Krieg II. das neue deutsche Reich. 1077 mit ihrer ganzen Wehrkraft gegen einander gestritten, die eine, um ihre euro päische Vorherrschaft und Machtstellung zu behaupten, die andere, nm ihre na tionale Selbständigkeit gegm fremde Einmischung zu schützen. Dank der Kraft der Heere, der Intelligenz der Führer, der Opferwilligkeit des Volkes haben die Deutschen den Sieg davon getragen; in dreiundzwanzig Schlachten und zahllosen kleineren Gefechten haben sie den Feind bezwungen und nicht eine einzige Nieder lage erlitten, nur ein- oder zweimal sich zum kurzen Rückzug vor der Uebcrmacht gcuöthigt gesehen. Noch niemals sind solche Heerschaarcn wider einander im Streit gelegen, wie in diesem Kriege. Bei Gravelotte standen 270,000 Deutsche gegen 210,000 Franzosen; bei Sedan 210,000 Deutsche gegen 150,000 Fran zosen. Die französische Ruhmredigkeit suchte gern die deutschen Erfolge auf die überlegene Truppcnzahl zurückzuführen ; aber bei Mars la Tour haben von acht Uhr Morgens bis vier Uhr Nachmittags höchstens 45,000 Preußen gegen 160,000 Franzosen gekämpft und Bazaine zum Rückzug genöthigt -, in der letzten Schlacht bei Orleans bestand das Zahlenverhältniß von 100,000 Deutschen gegen 200,000 Franzosen; bei Hsricourt boten 30—36,000 Preußen und Badener dem mehr als 100,000 Mann starken Heere Bourbaki's die Stirn. Freilich wurden diese Erfolge auch mit schweren Opfern erkauft. Wir alle werden uns Zeitlebens der erregten Spannung erinnern, mit welcher nach jeder Schlacht die Verlustlisten in den Zeitungen durchlesen wurden von den Tausenden und aber Tausenden, deren Angehörige über den Rhein gezogen waren. Nach den späteren Bekanntmachungen des Kricgsministeriums belief sich die Zahl der Gefallenen aus allen deutschen Heeren auf 5254 Offiziere (1534 Todte, 3614 Verwundete, 106 Vermißte) und über 112,000 Unteroffiziere und Mannschaften (18,131 Todte, 87,742 Verwundete, 6165 Vermißte). Das preußische Gardecorps ver lor über ein Drittel seiner Gesannntstärke; das dritte (brandenburgische) Corps, das bei Mars la Tour gefochten, büßte an Tobten und Verwundeten die Hälfte seiner Mannschaft ein. Fast einzig in der Kriegsgeschichte war der Verlust des achtundvicrzigsten Regiments, der sich bei der selten erreichten etatmäßigen Stärke von 64 Offizieren und 3000 Mann auf 60 Offiziere und 1497 Soldaten belief! Die Zahl der deutschen Gefangenen, die während des ganzen Krieges in die Ge walt der Feinde gericthen, betrug kaum 10,000. Es waren schwere Wunden, welche in das Lebensglück so vieler deutscher Fa- milien geschlagen wurden, und die Trauer wird noch lange andauern. Aber wie verschwinden diese Verluste gegenüber dem furchtbaren Schiffbruche, den die fran zösische Nation in ihrer männlichen Bevölkerung, in ihren Kriegsvorräthen,in ihren militärischen Ehren- und Feldzeichen erlitten! Wie viele französische Männer und Jünglinge den Kugeln und Schwertern der Deutschen in den Schlachten oder auf den Wällen der Festungen erlegen sind, wie viele auf den Märschen und Schnecfeldern dem Hunger, dem Frost, dem Elende, den Krankheiten zum Opfer gefallen, wer konnte das erfahren bei dem gewissenlosen Terrorismus, niit dem die Mann-