VI. Der deutsch-frauz. Krieg u. das neue deutsche Reich. 1075 Krieg-Partei, wozu nicht nur die Abgeordneten von Paris und die Anhänger der rothen Republik, sondern auch die Vertreter von Elsaß-Lothringen gehörten, führte zu heftigen Diskussionen. Selbst General Chanzy war der Meinung, Frankreich besitze noch hinlänglich Streitkräfte zur Fortsetzung des Kampfes. Aber die neue Regierung unter dem Vorsitz von Thiers sprach sich für einen „ehrenvollen" Frieden aus, und die Mehrzahl der Versammlung gab ihre Zu stimmung. Der Protest des Abgeordneten Keller gegen die Abtretung von El- saß , den die republikanische Opposition unterstützte, wurde unter Anerkennung der patriotischen Gesinnung der Bevölkerung abgelchnt und damit die Möglich keit zu Friedcnsverhandlungen geschaffen. Auf den Antrag Jules Favrc's wählte is.s-br. die Nationalversammlung eine Commission von fünfzehn Mitgliedern, welche den Chef der Executive und die ihm beigeorduetcn Minister Favre und Picard bei dem Friedensgeschäfte unterstützen sollten, und vertagte dann die Sitzungen bis zum Abschluß der Verhandlungen. Es waren schwere Tage für die fran zösischen Männer, denen die Vereinbarung der Friedcnsbcdingungen übertragen war, als sie mit dem Grafen von Bismarck in Versailles Unterhandlungen führten, wie dem Kriege ein Ende zu machen sei. Daß Gebietsabtretungen und Kriegskostenentschädigungcn bewilligt werden müßten, hatte nian im Princip schon zugegeben; nur über die Ausdehnung der ersteren und die Höhe der letz teren fanden lange und bewegte Diskussionen statt; auch der verlangte Einzug der deutschen Truppen in Paris stieß auf heftigen Widerspruch. Allein Graf Bismarck bestand entschieden auf der Abtretung von Elsaß und Deutsch-Loth ringen mit Einschluß von Metz und Diedcnhofen. Vergebens bot Thiers die Schleifung der Grenzfestungen an; vergebens suchte er die Entscheidung vor ein europäisches Schiedsgericht zu bringen; der Reichskanzler beharrte bei der Ge bietsabtretung als Bürgschaft gegen künftige Kriegsbedrohungen und als Sieges- Preis für die schweren und opferreichen Kämpfe; auch der von England und an dern Neutralen erhobene Ruf, Großmuth und Mäßigung zu üben, der selbst in manchen deutschen Kreisen ein Echo fand, vermochte den gewiegten Staatsmann nicht von seiner Forderung abzubringen. War doch auch das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehrzahl hierin mit den preußischen Staatsmännern und Heerführern einverstanden, und war es doch fast nur echtdcutschcs altes Reichs land, was man begehrte. Nur mit Mühe ließ man im deutschen Hauptquartier sich bewegen, als das ganze Friedenswerk zu scheitern drohte, die Festung Bel fort, auf deren Mauern seit einigen Tagen die deutsche Fahne wehte, von dem übrigen Elsaß zu trennen und noch ferner im Besitz von Frankreich zu belassen. Hinsichtlich der Kriegskosten vereinigte man sich auf die Summe von fünf Mil liarden Francs, wovon die eine im Jahre 1871, der Rest in einem Zeitraum von drei Jahren gegen Verzinsung mit fünf vom Hundert getilgt werden sollte. Bis zur gänzlichen Abtragung mußten deutsche Besatzungstruppen in bestimmten Departements von Frankreich unterhalten werden. Auch von dem verlangten 68*