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VI. Der dcutsch-franz. Krieg u das neue deutsche Reich. 1073 Bildes, die Lage am 1. Februar: Pari» hat capitulirt, wenn auch eine großmüthige Politik oder eine politische Großmuth die vollen Consequenzcn dieses Ereignisses zu ziehen bi» jetzt noch Anstand genommen har. Die französischen Masten sind überall geschlagen und unter großem Verlust zurückgcworfcn. Das Heer, welchem die größte Aufgabe gestellt worden, cystirt nicht mehr; cS nimmt der Hauptsache nach die Gast freundschaft der Rachbar-Republik in Anspruch, derselben schwere Lasten und Psiichtcn auserlegcnd". „In französischen Darstellungen", heißt es bei WartcnSleben, „tritt die Behauptung auf, der Untergang der Ostarmee sei durch deren Jrrthum über die Trag weite deS Waffenstillstandes herbcigcführt worden" die Franzosen seien stehen geblieben und die Preußen hätten dadurch Zeit gewonnen, sic zu umstellen. Diese Ansicht bedarf kaum einer besonderen Widerlegung. Vergleicht man auf der Karte die täglichen Stel lungen und Bewegungen der Truppen, so ist eS klar, daß die angemessene Zeit zum Handeln für die Franzosm hauptsächlich innerhalb der Periode bis zum 23. Januar lag. Von diesem Tage an war der französischen Ostarmee der gerade Rückzug auf Lhon und seit dem 28., also vor Eintritt des Waffenstillstandes und bevor ein Mißverständniß darüber obwaltete, überhaupt jeder Rückweg verlegt. Auf der einzigen tief verschneiten Gebirgsstraße von Pontarlier über St. Laurent, die Grenze unmittelbar in der linken, den Gegner unmittelbar in der rechten Flanke, konnten 100,000 Mann nüt Geschützen und Trains keinen Abzug bewerkstelligen. Als die Versailler Convention geschloffen wurde. war also das Schicksal der Ostarmee bereits besiegelt. Eben so unrichtig ist die Behauptung, Garibaldi sei durch den Waffcnstillstandsvcrtrag verhindert worden, Dole zu nehmen. Auch für Garibaldi war am 28. Januar die günstige Zeit zum Handeln längst verstrichen. Hatte er sich bisher defensiv kaum der Brigade Kettler erwehrt, so wäre er bei einer Offensivbcwegung jetzt auf das ganze Hann'schc Truppencorps gestoßen, abgesehen davon, daß außerdem badische Truppen zur Deckung von Dölc bereit standen". Mit der Besetzung der Forts um'Paris und mit dem Untergang der großen Bourbaki'schen Armee war der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland that-w «orr»»/ sächlich zu Ende. Denn wo sollten neue Heere geschaffen werden, die mit einiger Aussicht auf Erfolg den Kampf hätten fortsetzen können! Gambctta's Massen aufgebot war kläglich gescheitert; die Franzosen, die sich seiner revolutionären Dictatur so lange gefügt, entzogen sich der Autorität des „Organisators der Niederlagen" und forderten laut die Beendigung eines Krieges, der so viel edles Blut gekostet, so Vieler Wohlstand und Lebensexistenz vernichtet harte. Und der allgemeine Ruf nach Frieden sollte nicht unerhört verhallen. Wie verschieden artig auch die Nationalversammlung zusammengesetzt war, die aus freien Wah len hervorgcgangen am 12. Februar in Bordeaux zusammcntrat; daß weitaus Ass"'- die Mehrzahl der Mitglieder, mochten sie im Herzen Monarchisten oder Repu blikaner sein, vor Allem auf Begründung eines Friedenszustandes losstenerte, trat bald klar zu Tage. Die Versammlung konnte als die wahre Vertreterin der gesammten Nation gelten; denn Bismarck hatte nicht nur die Wahlfreiheit gegen jede Beschränkung und alle Parteiumtricbe sicher gestellt, er hatte auch großmüthig gestattet, daß Elsaß und Lothringen ihre Repräsentanten nach der Stadt an der Garonne sandten. Durch die eifrige Wahlbctheiligung der nach Ruhe und Frieden sich sehnenden ländlichen Bevölkerung erlangte die conservativc Partei Weber, Weltgeschichte. XV. 08