V1. Der dcutsch-franz. Krieg u. das neue deutsche Reich. 1055 Bundeskanzleramt in Bezug auf das Heerwesen und andere Zweige des baierischen Sonderlcbens sich zu nicht unerheblichen Zugeständnissen hcrbeiließ. Die zwischen den Ncgierungsbcvollniächtigten vereinbarten Verträge bc-D>-„P-mr- dursten zur gesetzlichen Gültigkeit der Zustimmung der süddeutschen Landtage und des norddeutschen Reichstages. In Karlsruhe, Stuttgart und Darmstadt wie in Berlin wurde die Genehmigung ohne Widerstand erthcilt. Wie viele Be- denken auch die Einen gegen die Bundesverfassung, die Andern gegen die Zu geständnisse haben mochten; im Hinblick auf das große Ziel überwand mau die persönlichen Gefühle und Ansichten. Die norddeutsche Bundesverfassung, die seit drei Jahren von der Nord- und Ostsee bis zum Main zur Amvcnd»ng gekommen war und sich praktisch bewährt hatte, war eine gegebene Grundlage, auf welcher sich weiter bauen ließ, sie war ein realer Boden, auf dem man Fuß fassen konnte. Darum wurde trotz der Mängel, welche das Werk in Vieler Augen haben mochte, doch in den genannten Versammlungen die erforderliche Stimmeuzahl von zwei Dritteln der Mitglieder erzielt und damit die gesetzliche Anerkennung ausgesprochen. Man hatte in Deutschland seit den Jahren 1848 und 1849 große Fortschritte in der politischen Erkcnntniß gemacht; man hatte gelernt, den Einzelwillcn und die eigene Ansicht den realen Verhältnissen unterzuordncn; statt eigensinnig auf Principicn und Doctrinen zu beharren, rechnete man mit Möglichkeiten und Wirklichkeiten. Nur in München setzte die ultramontane und die demokratische Partei dem EiniguugSwerk eine hartnäckige Opposition entgegen: die Einen, die alles Heil von Rom erwarteten, widerstrebten einem Staatsorganismus, in welchem nicht der Papst, sondern ein evangelisch-protestantischer Monarch das Oberhaupt sein sollte; die Andern, welche die öffentliche Wohlfahrt in einer möglichst freien Bewegung des Einzelnen, in einer möglichst weit gehenden indi viduellen Nngcbuudcuhcit und Willensfreiheit erblickten, verabscheuten das scharfe militärische Regiment und den strammen Beamteuvrganismus Preußens, die der süddeutschen Gcmüthlichkcit und leichteren Natur eine drückende Zwingherrschaft auferlegen würden. Zu ihnen hielten auch die Particularisten, welche von einer besonderen Mission des baierischen Reichs träumten, im patriotischen Hochgefühl an eine baicrische Hegemonie in Süddcutschland, an eine vermittelnde Stellung im Widerstreit der Confessionen glaubten. Wochenlang wurde die deutsche Nation in Spannung gehalten: in vielen Kreisen regte sich die Befürchtung, in den Fluthen der Isar möchte die deutsche Einheit Schiffbruch leiden; las man doch in den Zeitungen, daß achtundfüufzig Kammcrnütglieder sich das Wort gegeben, wie Ein Mann gegen die Annahme der Versailler Verträge und den Eintritt in den deutschen Bundesstaat zu stimmen, eine Art Verschwörung, welche die erforder liche Zweidrittel-Majorität im Landtage unmöglich machen sollte. Selbst als König Ludwig in jugendlicher Begeisterung für die Wiedererstehung eines deutschen Reiches an den preußischen König in Versailles den denkwürdigen Brief richtete, worin er demselben meldete, er habe sich mit den übrigen deutschen Fürsten ver-