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1048 I). Bon Errichtung des zweiten franz. KaiserthumS rc. Flucht der Einwohner aus Touraine nach dein Lüde» gab Zcngniß von dein allgemeinen Schrecken vor den Deutschen. Auch Tausende von Verwundete», die in den Städten der Loire keinen Nanni mehr fanden, wurden im strengsten Winter nach dem Süden geschafft, nach Bayonne, Biarritz, Pau. Angst mid Furcht hatte alle Gcmüther ersaht. Selbst unter de» gepreßten Mobile» zeigte sich ein widerspenstiger Geist und eine solche Scheu vor den deutschen Waffen, daß permanente Kriegsgerichte im Nucken der Armee» errichtet wurden und Feld« gendarmcn die Zögernden vorwärts triebe». Was die französische» Lügcnberichtt einst den Deutschen nachgesagt, das trat jetzt in nackter Wirklichkeit in ihrem eigenen Lande zu Tage. Wie Viele im Stillen solchen Terrorismus verabscheuen mochten, nur wenige Stimmen wagten in dieser Zeit der Noth laut zu ivcrdcn, um nicht die Vcrtheidigung zu lähmen. Die zornigen Worte Lanfrey's, des republikanischen Geschichtschreibers des ersten Kaiserreichs, gegen die „Diktatur der Unfähigkeit", welche Massen von Menschen aufbiete, die nicht bewaffnet, nicht ausgerüstet, nicht genährt werden könnten, und dem sicheren Tod entgegen gejagt würden, vermochten der unsinnigen Kricgswuth des Dictators von Bor deaux keinen Einhalt zu thun. „Die Moblots wurden wie das Vieh zusammcu- gctrieben", berichtete der preußische Staatsanzeiger, „und gleichsam in den Kampf gepeitscht, wenn sie sich durch die erlogene Nachricht von Siegen nicht aufreize» ließen". Und welche Höhe erreichte das Elend, als am Ende des alten und im Anfang des neuen Jahres eine Winterkälte eintrat, wie sie in jenen Landstriche» nur höchst selten zur Erscheinung kommt! In vielen Gegenden mußten deutsche Militärbehörden die Verpflegung der Einwohner übernehmen, da diese ohne solche Unterstützung dem bittersten Hungertode verfallen wären. Aber auch die deut schen Truppen hatten in jenen kalten Tagen und Nächten unsägliche Leiden zu ertragen und zu überwinden, als die vereinten Hcerkörper des Prinzen Friedrich Karl und des Großherzogs von Mecklenburg, über 70,000 Mann, vom 3., 9., 10. und 13. Armcecorps gegen Chanzy's Westarmee zogen. Nicht nur, daß in e -m.2an.dcn Gefechten zwischen Loire und Sarthc, bei Vendome, la Fourchc, Azah und la Lhartre, bei Sargs, Counerrs und Nogent le Roirou, bei Lamprou und La Chapelle, gar manches tapfere Soldatenhcrz auf den Schncefcldern der Pcrchc seinen letzten Schlag that, die Verwundeten und Kranken nur dürftige Verpfle gung fanden: als die deutsche» Truppe» den beschwerlichen Marsch über das wel lenförmige, von Hecken durchzogene Laud antratcn, wo der sich hebende und sen kende Boden und die mit Frost, Schnee und Glatteis überdeckten Wege »»glaub liche Schwierigkeiten boten und hinter Gebüsch und nmmanertcn Gehöften der Franctireur lancrte, wo sie auf jedem Zug Berg für Berg, Feld um Feld dem Gegner abgewinnen mußten, da lernten sie von Grund aus die Leiden des Kriegs kennen. „In diesen Tagen", heißt cs im Generalstabswerk, „in denen der Winter i» ganzer Strenge auftrat, Schneetreiben und Glatteis die Bewegung hemmten, mar- schirte ein Theil der Infanterie in leinenen Beinkleidern und zerrissenem Schul?