Volltext Seite (XML)
VI. Der dcutsch-franz. Krieg u. das neue deutsche Reich. 1013 d>c -i iS° d-c jc^ pie /' i- ' vc< °< !,D ov Herrschaft über Frankreich als Kampfpreis ausgesetzt wäre für solche, die am heftigsten die Volkslcidcnschaften ansachten, am lautesten den eigenen Ruhm und die fremde Schande ausriefcn, am geschicktesten die Phrasen handhabten, die der Menge gefielen. Es machte diesseits des Rheines einen wunderlichen Eindruck, als der alte Romantiker Victor Hugo an die Deutschen einen Friedensaufruf richtete, der an Schwulst und hochtönenden Phrasen Alics überbot, was noch jemals rhetorisches Pathos hervorgcbracht, in welchem das dem deutschen Cha rakter und den „Nachkommen der teutonischen Ritter" gespendete Lob nur als Folie diente, um die Verherrlichung der französischen Nation und der hochher zigen Culturstadt Paris desto glänzender hcrvvrtretcn zu lassen. Aber Posaunen töne stürzen keine Mauern um, wie in den Tagen Josua's. Selbst der Volks krieg der wildesten Art, zu dem man die Franzosen aufrief, und der auch bald in Scene gesetzt ward, vermochte nicht „die Eindringlinge" zu vernichten. 2. Der Belagcrungskrieg vor Straßburg. Am 24. September, dem Tage, an welchem die Proklamation von Tours die Bedingungen des Waffenstillstandes für unannehmbar erklärte, war bereits^" eine der verlangten Festungen gefallen. Toni, die alte lothringische Stadt, schon längere Zeit von Truppen des Großhcrzogs von Mecklenburg belagert, sah sich nach einem furchtbaren Bombardement zur Capitulation gezwungen, ein wich- A S-vidr. tiger Besitz für die Deutschen, weil dadurch die Eisenbahnverbindung vom Rhein bis nach Paris ohne Unterbrechung hergestellt ward. Und wenige Tage nachher drang die Kunde in die Welt, daß auch Straßburg, dessen Auslieferung dicn.s-xiir. französischen Staatsmänner als die größte Ehrlosigkeit von sich gewiesen, nach dessen heldenmüthigcm Berthcidigcr, General Uhrich, die Pariser eine Straße benannt, in die Hände der Deutschen gefallen sei. Die altehrwürdige Hauptstadt von Elsaß, die einst auf verrätherische Weise sn-ßbma dem deutscheu Reiche entrissen worden, hatte sich mit der Zeit in ihr Schicksalen^?"' gesunden; die Vorthcile und die Ehre, einem großen Staate anzugehöreu und von den Jämmerlichkeiten eines verlotterten, in politische Ohnmacht und Unbe- hülslichkeit versunkenen Gemeinwesens erlöst zn fein, waren der Bürgerschaft ein genügender Ersatz für die verlorene Stammverwandtschaft, waren das Schmer zensgeld für die hart geschädigte und gefährdete Nationalität. Doch hatte die Stadt bis zur französischen Revolution mit den alten Privilegien und der reichs städtischen Verfassung auch noch ihren deutschen Charakter bewahrt, so daß Goethe das internationale Zwifchcnland noch als „Halbfrankreich" bezeichnen konnte. Erft seitdem diese mächtige Weltbegebenheit, wie in ganz Frankreich, so auch in den „Departements Ober- und Niederrhein" die historische Vergangenheit weg- gefegt, hatte Alles einen französischen Anstrich angenommen, war das ganze