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VI. Der deutsch-franz. Krieg u. das neue deutsche Reich. 1011 16. September, genau den Standpunkt, den die preußische Politik gegenüber dem Progranunc Favre's und einer möglichen Einmischung der neutralen Mächte ein- zuhaltcn gedächte. Er hob darin hervor, daß der von Kaiser Napoleon begonnene Krieg von den Vertretern der Nation gebilligt worden und somit ganz Frank reich für die Folgen verantwortlich sei. Deutschland müßte daher Bürgschaften verlangen, die es in Zukunft gegen kriegerische Angriffe sicher stellten oder wenigstens dieselben erschwerten. Denn der französische Nationalstolz würde die erlittene Niederlage nie verzeihe» und stets nach Rache schreien. „Wenn wir jetzt ohne alle Gebietsabtretung, ohne jede Contribution, ohne irgend welche Vorthcilc als den Ruhm unserer Waffen aus Frankreich abzögcn, so würde doch derselbe Haß, dieselbe Rachsucht wegen der verletzten Eitelkeit und Herrschsucht in der fran zösischen Nation Zurückbleiben, und sic würde nur auf den Tag warten, wo sie hoffen dürfte, diese Gefühle mit Erfolg zur That zu machen. Wenn Straßburg und Metz in deutschen Besitz übergingen, würden sie einen defensiven Charakter annehinen". Damit war also eine Abtretung französischen Gebiets als Grund basis eines Friedensschlusses hingcstcllt und dem Prinzip Favre's ein Gegensatz geschaffen. Den neutralen Mächten aber wurde zu Gcmüthe geführt, daß, falls sie in den Franzosen die Hoffnung einer diplomatischen oder materiellen Inter vention nähren sollten, dies nur eine Verzögerung des Friedens zur Folge haben würde; denn Preußen werde in einem Kriege, zu dem es gezwungen worden und zu dessen Verhütung Europa keine ernstlichen Versuche gemacht, keine fremde Intervention zulassen. Wie sehr Bismarck mit diesen Grundsätzen im Sinne des deutschen Volkes handelte, bewiesen zahllose Zuschriften und Adressen, die von allen Seiten cin-P^ma- liefen und die Fernhaltung jeder fremden Einmischung als eine Forderung der nationalen Ehre betonten. Der Gedanke, daß die neutralen Höfe in einem Kriege, den sie nicht zu verhindern vermocht oder gewollt, dem Sieger die Früchte verkümmern sollten, war um so unerträglicher, als man alle Völker mit ihren Sympathien auf Seiten des Feindes sah und englische Kaufleute Waffen und Kriegsmaterial über den Kanal schafften. Die Mission von Thiers trug daher auch der französischen Republik keine nutzbaren Früchte. Aber auch die directen Verhandlungen, welche Jules Favre mit Bismarck zuerst im Schlosse Haute Maison bei Montry dann im Hauptquartier zu Ferneres führte, blieben er-AA folglos. Es handelte sich zunächst um einen Waffenstillstand von drei Wochen behufs der Einberufung einer Nationalversammlung, von der dann die Fricdens- schlicßung ausgehen sollte. Bismarck verlangte, daß drei der belagerten Festungen, Straßburg, Bitsch und Toul den Deutschen eingcräumt würden und die Be satzung der ersten in Kriegsgefangenschaft gegeben werde, und für den Fall, daß die Versammlung nach Paris berufen und für die Dauer der Berathung und Verhandlung eine Verproviantirung gestattet werden sollte, forderte er ein mili tärisches Aequivalent, etwa die Ueberlassung des Mont Valerien, oder wenn die 64*