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1000 I). Von Errichtung des zweiten franz. KaiscrthumS ic. bieten der Industrie, des Handels, der Geistcsthätigkcit zu einer kosmopolitischen Gesammtgcmcinde auszubilden: mußte man erleben, daß der Racenhaß zwischen romanischem und germanischem Blut erweckt und zu Sccncn fanatischer Unduld- samkeit mißbraucht ward, die an die ReligionSvcrfolgungcn früherer Jahrhun derte und an die Judcnmißhandlungen des Mittelalters erinnerten, sah man sich zurückgeworfen in die barbarischen Zeitalter, wo Fremdling und Feind die selbe Bedeutung hatte. War der nationale Haß nicht wirksam genug, so traten Neid, Mißgunst, Verdacht oder Furcht vor Spionircrei und andere böse Triebe als Gchülfen hinzu. Das Ausland sah diesen Ausbrüchen völkerrechtswidriger Wuth gegen harmlose friedliche Fremde theilnahmlos zu. Nur einzelne Cousuln schützten hie und da die Bedrängten oder Bedrohten vor der Volksrache. Und wie entsetzlich diese werden konnte, davon gab die schauerliche Unthat einig« rasenden Bauern zu Beaussac im Departement der Gironde Zeugniß, welche einen Gutsbesitzer der Gegend, den man im Verdacht feindseliger Gesinnung hatte, stundenlang marterten und dann lebendig verbrannten. In Lothringen und allerwege, wo Eisenbahnzüge deutsche Ersatzmannschaften einführten oder Sanitätspersoncn mit Kranken und Verwundeten zurückbrachten, wurden häufig von ruchlosen Händen die Schienen zerstört, so daß endlich die deutschen Etappen- commandanten die Vorsicht gebrauchen mußten, die Maires und andere an gesehene Leute der angrenzenden Ortschaften bei jedem Bahnzug die ersten Wagen besteigen zu lassen, um von solchen Freveln abzuschrecken. Dnrivoiuiw- War schon während des Augusts die ganze Nation und vor Allem die " streich in Hauptstadt in fieberhafter Aufregung, so erreichte dieselbe den höchsten Grad, als die Kunde von der Katastrophe in Sedan das ganze System der Lüge, Ver heimlichung und Entstellung, durch das man bisher die Gemüther gefangen ge halten, enthüllte und den entsetzlichen Fall des Reiches bloß stellte. Statt der gehofften Triumphe durfte man täglich den siegreichen Feind vor den Mauer« von Paris erwarten. Ein revolutionärer Geist durchzuckte die Bevölkerung- Noch ehe der republikanische Abgeordnete Jules Favre im gesetzgebenden Körper, der um Mitternacht eiligst zusammengetreten war, dm Antrag zur Abstimmung bringen konnte, den Kaiser und seine Dynastie aller ihrer Rechte für verlustig zu erklären und eine provisorische Regierung aus der Mitte der Versammlung zu wählen, um den Feind vom französischen Boden zu vertreiben, durchzog dir tobende Menge mit dem wilden Geschrei „Absetzung! Republik!" die Straße» und Plätze, wälzte sich zuerst vor die Wohnung des Generals Trochu, den Napoleon in Chalons zum Militärgouverncur von Paris ernannt und mit dein Oberbefehl über alle Wehrkräfte der Stadt betraut hatte (S. 993), und als dieser die wilden Volkshaufen an die gesetzgebende Versammlung wies, rückten sic in wachsender Menge vor den Palast Bourbon, das Sitzungshaus der Deputirten, immer dasselbe Feldgeschrei ausstoßend. Es half nichts, daß die Polizeimannschaft mit den Waffen einschritt; die zurückgedrängte Blasse, wobei