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V1. Der deutsch-franz. Krieg u. das neue deutsche Reich. 985 gekämpft worden. Warum sollte Bazaine nicht cincn dritten Versuch wagen, welcher den Feind zersprengen, vielleicht vernichten sonnte und ihm selbst die Verbindung mit dem westlichen Frankreich öffnete? Alles lag vortheilhaft für ihn. Der Muth der französischen Truppen war keineswegs gebrochen, ihre Kampfeslust vielmehr durch die bisherigen Mißerfolge zur Kampfcswuth gesteigert. Tein Heer, 166,000 bis 180,000 Mann stark, war dem deutschen an Zahl kaum nach stehend und hatte den Vorthcil, daß cs vereinigt war, während mehrere preußische Korps, noch auf dem Marsch begriffen, erst gegen Mittag ankommen konnten, mundet und erschöpft; und was ihm vor Allem den Sieg sicher erscheinen lassen mußte, war eine Aufstellung, die als unüberwindlich gelten konnte und nach seinem eigenen Ausdrucke uncrkämpfbar war. Westlich von Metz auf dem linken Mvselufcr zieht sich ein Höhenkamm drei Stunden weit von Jussy bis St. Privat und Roncourt über die Gehöfte Moscou, Leipzig, St. Hubert, Point du Jour, über das Dorf Amanvillcrs u. a. O., vou wo sich das Terrain fast gleichmäßig etwa 2000 Schritte weit abwärts senkt, dahinter und darüber eine fortlaufende Reihe dichter, zum Theil auf steilem Abhange liegender Wälder, und vor dem selben ein Bach, der den Zugang von unten erschwert. Auf diesem Höhenkamm war die französische Armee mit 500 Geschützen und 150 Mitrailleusen ausgestellt, geschützt durch Schanzen, Verhaue, Gräben und die zur Verthcidigung sorgfältig hergerichteten Gehöfte und Oertlichkciten. Vor der Hauptstellung waren die Dörfer St. Marie aur Cheries, St. Ail, Habonville, Vernevillc u. a. als erste Linie von Avantgarden stark besetzt. Die berühmtesten Feldherren Canrobert, Ladmirault, Leboeuf, Frossard, befehligten die einzelnen Armcccorps. Ein Preußischer General gibt von der Schlacht bei Gravelottc und St. AA"g- Priv at, in welcher König Wilhelm selbst den Oberbefehl führte und die mit der Kinnahme dieser Stellungen und mit dem Rückzug der Franzosen hinter die Festungswerke vou Metz endigte, folgenden Bericht: „Der König formirte für den bevorstehenden Kampf seine Schlachtlinie vom rechten MMtänsche Uügcl ab gerechnet aus dem siebenten, achten, neunten, Garde- und dem zwölften Corps, denen das dritte und zehnte, die beide am 16. stark gelitten hatten, als Reserve folgen Schiauub-i sollten. Der Gefechtsposition nach sollte die ganze Armee eine Rechtsschwenkung machen, si. Pnv.u"' den rechten Flügel des Feindes umfassen und ihn so nach Metz hincinwerfcn. Zu dem Ende war den beiden ganz frischen Armee - Corps der Garde und dem zwölften die schwerste Aufgabe, die Uebersiügelung und eigentliche Entscheidung des Kampfes zuge dacht, und da sie aus der Gegend von Mars la Tour bis an den Feind einen Marsch von fast vier Stunden Weges hatten, ward befohlen , daß der rechte Flügel und die Mitte sich bis zu deren Eingreifen ins Gefecht nur aus vorbereitendes Artillerie-Feuer beschränken sollten. Es ist ein schönes Zeugnis: ihrer Manövrirfähigkeit, das sich die deutsche Armee an diesem Tage erworben hat, daß sic diese großartige Schwenkung ohne irgend welche Stockung, ohne auseinander zu kommen und in der kurzen Zeit von nicht ganz vier Stunden aussührtc und gegen Mittag auf der ganzen Linie gleichzeitig iwn Angriff Vorgehen konnte. Gegen zwölf Uhr entbrannte an der französischen Vor- Ünic überall der Kampf, gegen zwei Uhr war sic überall in deutschen Händen und be-