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Gerade dieser letztere Umstand, die Sucht der | freiwerdenden Radicale nach neuen Verbindungen, ist in den meisten Fällen der Anwendbarkeit der elektrolytischen Verfahren so hinderlich, indem hierdurch die theoretische Rentabilität stark ver mindert oder gar völlig zu nichte gemacht wird. So ist z. B. bei der Zersetzung der billigen Koch salzlösung, um einerseits die an der Kathode aus dem Natrium und dem Lösungswasser sich bil dende kostbare Natronlauge zu gewinnen, anderer seits das freiwerdende Chlor bezw. bei Anwesen heit von Kalk, Chlorkalk, die theoretische Ren tabilität, durch das bisher nicht zu vermeidende Zerfressenwerden der Anode sehr stark vermin dert. Weder Platin noch Kohle können dem Chlor genügend standhalten. Die Elektroden frage bleibt praktisch immer der schwierigste Punkt und ist der Gegenstand andauernder Ver suche. Nächst ihr machen die für viele Processe nöthigen Diaphragmen bei der Anwendung im grofsen Schwierigkeiten. Gerade der angeführte Procefs bleibt mit Rücksicht auf die Papier- fabrication einer der wichtigsten, da für die letztere ein billiges Bleichverfahren natürlich sehr grofse Bedeutung besitzt. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei der Elektrolyse von geschmol zenem Salz, wo man infolge der Abwesenheit von Lösungswasser Natriummetall und Chlor erhält. Die Gestehungskosten würden sich, wenn man eine Anlage von der obigen Gröfse voraussetzt, bei der Elektrolyse von Kochsalzlösung theoretisch etwa wie folgt stellen: Elektrische Energie 55 Salz Kalk . 23 „ so dafs eine Tonne 70 % Natronlauge und 112 t Chlorkalk zusammen auf wenig über 100 6 zu stehen kämen, wenn der Elektrodenverbrauch nicht wäre. Ferner ist darauf Rücksicht zu nehmen, dafs die praktische Ausbeute hinter der theoretischen bei vielen Processen nicht unerheblich infolge von auftretenden Nebenreactionen zurückbleibt, so dafs immer erst elektrochemische Versuche in nicht zu kleinem Mafsstabe eine Sicherheit für die Rentabilität geben können. Dafs nichtsdestoweniger verschiedene dieser Verfahren schon jetzt lebensfähig sind, zeigt unter anderen der Hermiteprocefs. Es soll jedoch hier nicht weiter auf die einzelnen Pro-, cesse eingegangen werden, zumal die Einzelheiten in den meisten Fällen absichtlich in mystisches Dunkel gehüllt erscheinen und als Fabrikgeheim nisse streng gewahrt werden sollen, ganz abge sehen davon, dafs die gemachten Angaben zu weilen recht widersprechend lauten. In gröfserem Mafsstabe wird besonders die elektrolytische Dar stellung von Aluminium in mehreren Processen durchgeführt, wie auch die von chlorsaurem Kali zu Vallorbes in Frankreich. Magnesium, Zink, Blei, Gold und Silber haben immer noch kein Verfahren, bei welchem die Rentabilität völlig gesichert wäre. Von besonderer Bedeutung ist bereits jetzt die Elektrometallurgie des Kupfers, sei es nun, um aus den Kupfererzen das Metall zu gewinnen oder um das letztere zu raffiniren. Auch hier würde die Besprechung der einzelnen, vielfach be kannten Processe zu weit führen. Theils werden die Erze hüttenmännisch zu Schwarzkupfer ver arbeitet, welches, in passende Stücke gegossen, als Anoden in Kupfervitriolbäder gebracht wird, während die Kathode von einer Kupferplatte bezw. -Blech gebildet wird, theils werden die gemah lenen und gerösteten Erze, wie im Siemens & Halske-Procefs, direct in eisenvitriolhaltigen Bädern verarbeitet, wobei die richtige Bewegung der Flüssigkeit eine grofse Rolle spielt. Von den Kupferraffinirprocessen hat in letzter Zeit der Elmore-Procefs am meisten von sich reden ge macht. Das aus der Kupfervitriollösung auf den rotirenden Kathoden - Cylinder niedergeschlagene reine Kupfer wird in diesem Verfahren von einem wandernden Achatstichel durch Pressung gedichtet, wodurch eine grofse Festigkeit erzielt wird. Von dem unreinen Anoden-Kupfer wird jederzeit durch das freiwerdende Schwefelsäureradical so viel aufgelöst, dafs das aus der Lösung nieder geschlagene Kupfer wieder ersetzt wird. Einmal ereignete es sich, dafs im Laufe des Processes durch Betriebsstörung eine Unterbrechung eintrat, wodurch der Kupfercylinder an dieser Stelle in folge von eingetretener Oxydation eine Spaltung zeigte. Dieser Zufall genügte, um auf die Her stellung von beliebig dünnen Kupferblechen zu führen, indem man nun absichtlich diese Oxyda tion durch wiederholte Unterbrechungen des Processes und Herausheben des Cylinders aus der Lösung herbeiführte, die erhaltenen Cylinder- mäntel aufschnitt und so zu einer ganzen Anzahl Kupferplatten gelangte. Dieses Elmore-Verfahren bat auch bereits in Deutschland zur Gründung der German Elmore Works in Schiandern an der Sieg* geführt, woselbst je 40 Tröge, hinterein ander geschaltet, von einer mit 50 Volt Spannung arbeitenden Dynamo bei 1200 Amp. Stromstärke betrieben werden. Dieses letzte Verfahren bildet in einigen seiner Anwendungen bereits den Uebergang zu der Galvanostegie, welche darin besteht, leitende oder leitend gemachte Flächen elektrolytisch mit einer Metallhaut zu überziehen. Hiermit ist jedoch die Anwendung der Elektrolyse noch nicht ab geschlossen, denn ihre technische Verwendung hat sich nicht nur auf flüssige oder wenigstens von vornherein flüssige Leiter beschränkt, sondern auch auf feste Gemische erstreckt. Hierher ge- * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1893, Heft 8, S. 348.