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Magnetismus und die Geschwindigkeit der Eisen- bahnzüge. In der Sitzung der naturwissenschaftlichen Section der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde vom 9. Mai v. J. referirte Hr. Siegfried Stein über ganz absonderliche Beobachtungen, welche er auf einer Eisenbahnfahrt gemacht hat und welche den Nachweis zu liefern scheinen, dafs die Richtung einer Magnetnadel, welche in einem Wagenabtheil aufgestellt ist, von der Geschwindigkeit der Fahrt und von der geographischen Richtung derselben ab hängig sei. Bei der Bedeutung, welche den genannten Beob achtungen und den etwa daraus zu ziehenden Schlüssen beigelegt werden mufs, sei es gestattet, den betreffenden Bericht hier wörtlich wiederzugeben. Wir entnehmen denselben der vorjährigen Nr. 412 der Köln. Zeitung: „Vor einigen Jahren fuhr er mit dem Courierzuge von Berlin über Spandau, Rathenow nach Stendal und von da über Hannover weiter nach Köln und Bonn. Es war an einem klaren, hellen Tage, er fuhr digkeit sich verminderte, begann die Nadel des Com- passes zu oscilliren und lenkte erst allmählich und dann wieder nach Norden ab, als der Zug in der Station Rathenow Stillstand. Bei der Weiterfahrt von da bis zur Station Stendal zeigten sich anfangs ganz ähnliche Erscheinungen der Ablenkung .von Norden nach Westen. Als sich jedoch der Zug auf dieser Strecke der Elbe näherte, fing die Nadel an zu oscilliren und trotz schneller Fahrt des Zuges hörte die Ab lenkung auf, als das rechtseitige Ufergelände der Elbe in Sicht kam. — Der Vortragende hat seitdem noch oft diese und andere Strecken befahren und dabei eine Magnetnadel in dem Wagenabtheil aufgestellt, um jene Erscheinung wiederkehren zu sehen; bis jetzt aber ist sein Be mühen ohne Erfolg gewesen. Daher wendet er sich mit dieser Mittheilung an andere Forscher und Beob achter mit der Anfrage, ob von ihnen ähnliche oder gleiche Erscheinungen beobachtet worden sind, unter Angabe der näheren Verhältnisse und einwirkenden Umstände.“ die erste Strecke allein in einem Abtheil II. Klasse, dessen Wände und Sitze mit Wollenstoff ausgekleidet waren. In Berlin hatte er sich zu sonstigen Versuchen eine neue grofse Magnetnadel gekauft, die mit einem Achathütchen auf einer guten Spitze in einem Gehäuse ruhte, aber sehr leicht beweglich war. Mit Büchern und anderen Gegenständen war dieselbe von ihm ausgepackt und auf die Wagenbank hingestellt worden. Dem Sonnenstände nach zeigte die Nadel in Berlin nach Norden. Die genannte erste Strecke der Eisen bahnlinie Berlin-Köln bat bekanntlich bis Stendal nahezu ostwestliche Richtung. Die Magnetnadel zeigte beim Stillstehen des Zuges auf Station Spandau die normale Nordrichtung, ungefähr rechtwinklig gegen die Richtung der ostwestlich sich hinziehenden Eisen bahngeleise. Als der Zug sich nach Rathenow zu in Bewegung gesetzt hatte und die Zuggeschwindigkeit bedeutend wurde, fing die Magnetnadel an unruhig zu werden und aus Norden nach Westen abzulenken. Bei vollständig erfolgter Schnelligkeit des Zuges stand die Nadel fast unbeweglich in der Fahrrichtung parallel dem Schienengeleise, statt mit Nord nach Norden, nun nach Westen zeigend. Wurde ein Messer von Stahl an die nach Norden liegende Seite der Nadel hingehalten, so lenkte sie nach dieser Seite etwas ab, stellte sich aber sofort wieder nach Westen, wenn das Messer entfernt wurde. Als der Bahnzug in die Nähe von Rathenow kam und die Geschwin- VII.14 Der Herr Berichterstatter hat also unzweifelhaft einen Zusammenhang beobachtet zwischen der Fahr geschwindigkeit eines Eisenbahnzuges und der Stellung einer in demselben befindlichen Magnetnadel. Merk würdigerweise ist es ihm nicht gelungen, die Beob achtung zu wiederholen, und er bittet daher um ähnliche Beobachtungsresultate. Ich bin nun in der Lage, solche mitzutheilen, und glaube auch durch dieselben obige Erscheinungen erklären zu können, bitte indessen um Entschuldigung, wenn ich dabei gezwungen bin, auf ein ganz anderes Gebiet hinüberzugreifen. Gegen Ende der siebziger Jahre erwarb sich einer meiner Brüder, Paul, ein Patent auf eine unexplodir- bare Petroleumlampe, welche wir u. A. zur Beleuch tung der Eisenbahnwaggons zu verwenden suchten. Die Direction der Berlin-Hamburger Eisenbahn hatte die Freundlichkeit, uns einen Waggon II. Kl. zur An stellung von Versuchen zur Verfügung zu stellen, und es gelang uns recht bald, eine ausgezeichnete Be leuchtung fertigzustellen, welche zunächst auf dem Berliner Reparaturgeleise am Hamburger Bahnhof nach einigen Versuchen eine volle Nacht hindurch ausprobirt wurde. Behufs Beobachtung der neuen Beleuchtung während der Fahrt wurde der Wagen alsdann in einen Probezug eingestellt, welcher nach Nauen und zurück geleitet wurde. Da stellte sich denn-zu unserem grofsen Leidwesen die völlige Un- 6