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bureau Winkelschreiber und sonstige Persönlich keiten, welche aus der planmäfsigen Verhetzung von Unfallverletzten und ihrer Belehrung zum Betrug ein Geschäft machen. Die Durchforschung der ihnen auf Antrag leider immer noch zugängigen ärztlichen Gutachten, nach den Methoden, die zur I Aufdeckung der Simulation dienen, die Theil- , nähme an den Schiedsgerichts-Sitzungen, in denen j die ärztlichen Beurtheilungen verlesen werden, | giebt ihnen die Unterlage für ein Gewerbe, welches | schliefslich für den ihnen verfallenen Verletzten am verderblichsten werden mufs. Denn so weit ist die medicinische Wissenschaft denn doch, dafs es einem Laien bei fortgesetzter Anstalts beobachtung nicht gelingen kann, die Aerzte voll kommen zu täuschen. Meist ist eine völlige Ueberführung möglich; da wo in einzelnen Punkten die Simulation nicht erwiesen werden kann, ist der Sachverständige in der Lage, den überwachen den Vertrauensmann der Berufsgenossenschaft in einer Weise zu instruiren, dafs die Nothwendigkeit der Fortsetzung der Unwahrhaftigkeit unter solchen Umständen eine schwere Strafe an sich ist. — Im höchsten Mafse bedenklich mufs allerdings die Auslegung des § 55 des U.-V.-G. erscheinen, nach der die ärztlichen Gutachten und ihre Unter lage dem Verletzten auf sein Verlangen in Ab schrift zu geben sind. Es wird dann sehr viel schwieriger werden, eine Vortäuschung, besonders nervöser Störungen, ärztlich nachzuweisen. Sehen wir uns nun näher an, wie aus der anfänglichen Scheu vor Wiederaufnahme der Arbeit das Simulantenthum entsteht. Niemand wird es einem Arbeiter mifsgönnen, wenn er die Er holung von einer Verletzung einige Tage zu weit hinausdehnt. Der schlecht beeinflufste oder be- anlagte Verletzte sucht aber oft schon während des ersten Krankenhausaufenthaltes seinen Arzt über die Folgen der Verletzung zu täuschen; jedenfalls beginnen die Kniffe und Schliche gleich nach der Entlassung. Woche um Woche wird das Krankengeld von der Kasse bezogen, eine Besserung wird nicht zugegeben, zumal wenn der Termin der Uebernahme durch die Berufs genossenschaft naht. Dann mehren sich im Gegen theil die Klagen. Werden sie kritiklos in dem Uebergangsgutachten als möglich zugegeben, dann hat der Verletzte sein Spiel fürs erste gewonnen. Zur Empfehlung einer nochmaligen Anstaltsbe handlung entschliefsen sich die Kassenärzte leider erfahrungsgemäfs nur ungern, lieber lassen sie den Mann laufen, der ihnen durch Aufwiegelung seiner Genossen sogar die Stellung gefährden kann. Dafs weiterhin der Verletzte einer von der Genossenschaft angeordneten Ueberweisung in ein Krankenhaus sich unter solchen Umständen nicht fügt, ist begreiflich. In den Acten erscheint jetzt zum erstenmal eine Gegenschrift, deren Herkunft aus einer Winkelschreiberei unverkenn bar ist. Bis zur Entscheidung über die gegen die Ueberweisung eingereichte Berufung geht die für den Erfolg einer energischen Nachbehandlung kostbarste Zeit verloren. Gute Freunde, arbeits scheue, mit ihrer Entschädigung unzufriedene, hausirende Unfallverletzte entfalten ihre Thätig- keit. Wohl ausgerüstet mit den Mitteln der Ver stellung, trifft dann schliefslich der vom Unfälle Betroffene in der ihm bestimmten Anstalt ein, von vornherein erklärend, dafs er Familien Ver hältnisse halber nicht bleiben könne — die Ueber weisung, in der eine Beobachtungszeit ausdrück lich verfügt war, wurde aus Versehen nicht mit gebracht — , dafs ferner sein Leiden gänzlich unheilbar sei, dafs er genug gelitten habe und sich nicht quälen lasse. Nützt das nicht ohne weiteres, so gelangt in kurzem ein Telegramm an, welches die schwere Erkrankung eines Familien mitgliedes, die unmittelbar bevorstehende Ent bindung der Frau anzeigt; letztere läfst dann gewöhnlich noch Monate auf sich warten. Den nichtswürdigsten Redensarten würde man sich aussetzen, wenn man bei der ordnungsmäfsigen Aufforderung, die Nachricht vom Ortsvorsteher oder vom Arzte beglaubigen zu lassen, einen Zweifel an den Angaben laut werden liefse; unter Protest würde der Ueberwiesene seine Ent lassung fordern, wenn man ihn nach einigen Tagen auf das Ausbleiben der Bestätigung hin weisen wollte. Wenn nun gar das eingeleitete Heilverfahren zum Schrecken des Verletzten die objectiv nach weisbaren krankhaften Erscheinungen schnell bessert, dann ist ihm jedes Mittel recht, den Austritt aus dem gefährlichen Institute zu er zwingen: in Einzelbriefen an die Genossenschaft und das Schiedsgericht, gemeinsam mit anderen, sehr häufig unerwachsenen, einfältigen Burschen, in einer Masseneingabe an das Reichs-Versiche rungsamt wird über die miserable Verpflegung geklagt — (dabei nehmen die Leute in unserer Anstalt gewöhnlich wöchentlich ein Kilo, aber auch deren 2 bis 3 zu!); die in jedem Kranken hause nothwendige Beschränkung der Bewegung auf das Haus und den Garten wird, trotzdem für Unterhaltungsspiele in den Zimmern und im Garten gesorgt ist, als Einkerkerung bezeichnet, zumal von Solchen, welche die gewifs heilsame Entziehung des Schnapses zum Aeufsersten reizt. Wir haben es stets lebhaft begrüfst, dafs Genossenschafts-Vorstände, Vorsitzende und Bei sitzer der Schiedsgerichte und Mitglieder des Reichs-Versicherungsamtes sich der Pflicht nicht entzogen, persönlich von der Unwahrheit solcher Berichte sich zu überzeugen. Einen grofsen Mangel an Einsicht oder Schlimmeres beweist es, wenn Zeitungen von überwiesenen Schwindlern verleumderische Berichte annahmen. Dafs der directe Verkehr mit Leuten, die ihr Lügengebäude dem Zusammensturz nahe sehen,