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August 1890. STAHL UND EISEN. Nr. 8. 753 Durch einen Congrefs wurde im Jahre 1787 eine Verfassung festgesetzt, und im Jahre 1789 übernahm Washington die Präsidentschaft. Wäh rend das sociale Leben sich entwickelte, ver- gröfserte sich das Territorium zum Nachtheilo der Indianer, sowie auch im Jahre 1803 durch Er werbung von Louisiana. Im Jahre 1812 brach der Krieg mit England wieder aus, aber das junge Volk blieb wiederum siegreich, und der Friede wurde im Jahre 1815 geschlossen. In den Jahren 1845 bis 1848 brach zwischen den Amerikanern und Mexikanern Krieg aus, infolge dessen Mexiko Texas, Neu-Mexiko und Californien verlor. Gegen Ende des Jahres 1860 geriethen die Vereinigten Staaten bei Gelegenheit der Präsi dentenwahl von Abraham Lincoln, welcher sich als Verthcidiger der Sklavenbefreiung aufgeworfen hatte, in Aufruhr. Zehn der südlichen Staaten trennten sich von der Union, bildeten einen be sonderen Bund, wählten eine Hauptstadt (Richmond) und einen Präsidenten (Jefferson Davis), während der Kampf zwischen den Nord- und Südstaaten begann. Beauregard, Jackson und Lee kämpften vier Jahre lang als Vertheidiger der Sklaverei gegen die Föderalen, welche unter der Führung vonClellan, Burnside, Sherman und Grant standen. Endlich war dieser blutige Krieg im April 1865 beendet, und seit dieser Zeit ist der Friede in denVereinigten Staaten nicht mehr gestört worden. Die Kämpfe mit bewaffneter Hand sind durch Wahlkämpfe ersetzt worden, und von der vor beinahe dreifsig Jahren aufgetretenen Spaltung bleibt jetzt eine merkliche Spur nicht mehr übrig. Wohl haben Republikaner und Demokraten sehr verschiedene Interessen, aber die Dollars haben die Bleikugeln ersetzt, und die Banknoten spielen bei den Wahlen eine hervorragende Rolle. Die durch ökonomische Streitfragen, insbesondere durch die Frage von Schutzzoll und Freihandel, getrennten Gegner sind bis zu dem Augenblicke der Abstimmung gegen einander sehr erbittert, wissen aber das Wahlresultat, wenn dasselbe ihnen ungünstig ist, zu achten und den Augen blick abzuwarten, wo sic ihre Vergeltung nehmen können. Ackerbau. Die Thätigkeit im Ackerbau ist von hervorragender Bedeutung: hier findet der Mensch einen fruchtbaren, an vielen Stellen noch im Urzustände befindlichen Boden, welcher ihm seine Producte in der üppigsten Weise darbietet. Aufserdem hat der Landmann eine grofse Thätig keit entwickelt und als Hülfsmittel Maschinen eingeführt, um an Arbeitslöhnen zu sparen, welche jenseits des Atlantischen Oceans sehr hoch sind. Dio Natur des Bodens sowie auch die örtlichen Verhältnisse eignen sich für die Anwendung von maschinellen Einrichtungen aufserordentlich gut, so dafs dieselben überraschende Ergebnisse zur Folge hatten. Wenn man ferner berücksichtigt, dafs es auf gewissen Stellen möglich ist zwei mal im Jahre zu ernten, so wird man sich über die Billigkeit, mit welcher die Landeserzeugnisse geliefert werden können, nicht mehr wundern. Diesen vereinigten Umständen ist es zu danken, dafs das amerikanische Getreide auf dem Markt Europas mit dort gewachsenem concurrir'en kann. Die Frachtverhältnisse, besonders aber die Ladeeinrichtungen dos Getreides sind als ausge zeichnete zu bezeichnen. In den Einschiffungs- häfon zu New-York, San Francisco und Chicago arbeiten die Grain elevators in äufserst ökonomischer Weise. Das Getreide wird mit der Bahn oder mit dem Schiff bis zu einem Paternosterwerk gebracht. Mittels desselben wird es alsdann in einen in gewisser Höhe angebrachten Behälter gefördert und fällt von da, zur Feststellung des Gewichtes, in Waagen, um hierauf in Reserve- Kammern zu gelangen, welche die Waggons oder Seeschiffe zum Weitertransport speisen sollen. Der Inhalt gewisser dieser Getreidespeicher erreicht zuweilen bis 3 Millionen bushels, d. h. über eine Million Hektoliter. Der Gesammt - Inhalt der in Chicago befindlichen Speicher beträgt über 27 Mill, bushels, also nahezu 10 Mill. Hektoliter. Zu den am besten gelungenen Neuerungen ge hören die eingemachten Früchte, welche von Californien in beträchtlichen Quantitäten geliefert und in Form von Conserven nach der ganzen Welt versandt werden. Was den Weinstock anbe langt, so gedeiht-derselbe an der Küste des Stillen Oceans, und die Weinerzeugung nimmt dort fort während an Umfang zu. Die Qualität ist nicht immer die beste; der Wein ist jung, weil die Pflanzung der Weinberge noch zu frisch ist, trotz dem geben gewisse derselben, bei richtiger Be arbeitung, schon ein Product, auf welches im Weltverkehr bald gerechnet werden mufs. Im Lande sind diese Weine sehr billig, und bei dem Unternehmungsgeist und der Beharrlichkeit der Amerikaner ist es wahrscheinlich, dafs dieser Handelszweig eine bedeutende Ausdehnung neh men wird. In dem Gebiete der Union hat auch die Viehzucht eine grofse Ausdehnung gewonnen, und der Weltruf Chicagos ist uns in dieser Beziehung genügend bekannt. Die stock yards, wo die Thiere in wenigen Minuten geschlachtet, zerstückelt und verarbeitet werden, sind äufserst interessant; es scheint die Mittelstelle des Viehhandels, wenn nicht gerade eine Verschiebung, doch wenig stens eine Ausdehnung zu erfahren, wie dies auch nicht anders sein kann. In dem Mafse, wie sich das Land entwickelt, vermehren sich auch die Betriebsstätten; es werden neue Mittelpunkte er öffnet, der Werth des Bodens erhöht sich, und die Besitzer der alten Weiden verkaufen dieselben zu hohem Preise, um im Westen neue Besitzungen zu erwerben und dort Viehzucht zu treiben. Von dem Eisenbahnzuge aus, welcher die Prairie durch fährt, kann man jetzt in Kansas, in Colorado und bis New-Mexiko rechts und links Thiere bemerken, welche bald ruhig den Zug vorbeifahren sehen, bald bei dessen Herannahen erschrecken, indem sie die Schienen überschreiten und dabei nicht selten von der Locomotive erfafst und zerschmet tert werden. Infolge dieser Verschiebung der Zuchtstätten hat sich ein neuer bedeutender Marktplatz eröffnet, nämlich in Kansas City, wo der Verkehr äufserst entwickelt ist. Während im Far West, mitten in den natürlichen Prairieen, das Vieh ohne Schutz auf die Welt kommt und sich entwickelt, sind auch in der Nähe gröfserer Städte Weiden vor handen, wo dasselbe sich entsprechende Zeit auf hält, um sich zu entwickeln, bevor es in den Handel gebracht wird. Der Transport mit der Eisenbahn dauert stellenweise sehr lange, und die Thiere könnten in ungeeigneten Wagen leiden und an Gewicht oder Ansehen verlieren, mit anderen Worten einen Minderwerth erfahren. Der praktische Sinn jenseit des Oceans hat diesem Uebelstand abge holfen: die Ochsen, Schweine und Schafe haben, wenn es sich lohnt, ihre Luxus-Wagen, welche mit Frefs- und Trinktrögen, letztere durch einen oben angebrachten Behälter gespeist, versehen sind. (Fortsetzung folgt.)