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708 Nr. 8. „STAHL UND EISEN.* August 1890. Eisen und Stahl bei höheren Temperaturen. [Nachdruck verboten. [Ges. v. 11 Juni 1870./ Ueber die physikalischen Eigenschaften von Eisen und Stahl bei höheren Temperaturen hat •James E. Howard am Watertown - Arsenal (Vereinigte Staaten) vor kurzem umfangreiche Versuche angestellt. Bei der Wichtigkeit der hier einschlagenden Fragen für die Technik und mit Rücksicht auf die verhältnifsmäfsig geringe Zahl von Beobach tungen , welche auf diesem Gebiet bis jetzt vor liegen, dürfte es angezeigt sein, die Hauptergeb nisse der Howardschen Versuche* an dieser Stelle mitzutheilen. Dieselben erstreckten sich auf Schweifseisen, verschiedene Sorten Stahl und Gufseisen; letzteres besafs eine ungewöhnlich hohe Zugfestigkeit, nämlich 22 kg/qmm, und war ein Material, wie es früher zur Herstellung von Geschützen diente. Ueber die chemische Zusammensetzung der bei den Versuchen hauptsächlich verwendeten Stahlsorten giebt folgende kleine Tabelle Auf- schlufs. Gruppe I. Stahl- Sorte Gehalt in Procenten Ausdehnungs- Coefficient für 1° C. G Mn Si 1 a 0,09 0,11 0,00001216 2a 20 45 — 1193 3a 31 57 — 1173 4 a 37 70 — 1199 5a 51 58 0,02 1192 6a 57 93 07 1152 7a 71 58 08 1165 8a 81 56 17 1119 9a 89 57 19 1120 10a 0,97 0,80 0,28 0,00001111 Gruppe II. Stahl- Sorte Gehalt in Procenten C Mn Si S P Cu 5b 0,26 1,22 0,14 0,107 0,072 0,024 17b 1,07 0,07 0,13 0,01 0,018 0,006 Die Versuchsstäbe aus Stahl hatten 20 bis 25 mm Durchmesser und waren aus 32 mm dicken, heifs gewalzten Rundstangen durch Ab drehen hergestellt. Die Schweifseisen- und Gufs- eisenstäbe hatten 28 mm Durchmesser. * Nach einem Aufsatze Howards in »The Iron Age« 1890, Seite 585. Ausdehnungs - Coefficienten. Zur Bestimmung derselben dienten Stäbe mit einer Mefslänge von 890 mm, die durch zwei feine eingebohrte Löcher festgelegt war. Die Messungen erstreckten sich über einen Tem peraturbereich von etwa 117° und wurden direct mittels eines Mikrometers ausgeführt, dessen conische Spitzen in die Lochmarken eingesetzt wurden. Nähere Angaben über das hierbei be nutzte Mikrometer und seine Genauigkeitsgrenzen fehlen. Die Versuchsstäbe wurden zuerst in schmel zendem Eis, dann in einem heifsen Oelbad ge messen , schliefslich noch einmal in das Eisbad gebracht und wieder gemessen. Ein Stab blieb beständig im Eisbad liegen, um das Mikrometer zu controliren. Jeder andere Stab verblieb wenigstens 2 Stunden im Bade, ehe er gemessen wurde. Die sich pro 1° G. ergebenden Ausdehnungs- Coefficienten sind für die Stäbe der Gruppe 1 in vorstehender Tabelle mitaufgeführt. Es wurde gefunden: Für Schweifseisen 0,00001211 Für die weicheren Stahlsorten Nr. 1 a bis 5 a durchschnittlich 0,00001194 Für die härteren Stahlsorten Nr. 6 a bis 10 a durchschnittlich 0,00001133 Für Gufseisen 0,00001067 Die Coefficienten sind also am gröfsten beim Schweifseisen und weichen Stahl, geringer für harten Stahl, am kleinsten beim Gufseisen. Im einzelnen stellte sich, zugleich mit Rück sicht auf Beobachtungen an zahlreichen Stäben aus anderen Stahlsorten, heraus, dafs von allen Beimengungen der Kohlenstoff den gröfsten Ein- flufs auf die Ausdehnungs-Coefficienten hatte und dafs diese mit wachsendem C-Gehalt abnehmen. Schweifseisen, welches bis nahe dem Bruch überlastet worden war, zeigte keine wesentliche Aenderung des Coefficienten. Um den Einflufs schnellen Abkühlens zu er mitteln, wurden die Stäbe der Gruppe I hell kirschrothglühend gemacht, in Oel von 27° ab- geschreckt und darnach im Eisbad gemessen; die meisten zeigten geringe Verkürzungen, die gröfste betrug 0,013 %. Eine Wiederholung dieses Versuches mit denselben Stäben jedoch bei Abschrecken in Wasser von 10 bis 13° ergab etwas gröfsere Verkürzungen, die höchste belief sich auf 0,097 %. In beiden Fällen kamen die gröfseren Ver kürzungen bei den Stäben mit hohem C-Ge halt vor.