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Die „Symphonische Elegie“ Rudolf Mengelbergs ist ein älteres Werk des be kannten holländischen Komponisten, der nicht mit dem Di igenten Mengelberg zu ver wechseln ist. Ein schwermütiges Gedicht in Tönen, dem es aber nicht an freundlichen Aus blicken, an energischen Zusammenraffungen fehlt. Das Hauptmotiv in d-Moll, das am Schluß in Dur erscheint und so ein Rahmenmotiv bildet, wird gleich nach den Einleitungs takten von den beiden Fagotten angestimmt, charakteristisch durch die chromatisch ab wärtsgleitenden Terzen zu Beginn, die durch die Ganztonleiter in der Celesta eine besonders aparte Färbung bekommen. Wir sind damit gleich über den Stil, den eines späten Roman tizismus, im Bilde. Die Verarbeitung jenes Hauptmotivs gibt dem Ganzen den festen Halt. Als Abschluß der großen ersten sinfonischen Reihe in seinem Schaffen schrieb Johannes Brahms sein zweites Klavierkonzert, das in B-Dur. Als „ein ganz ein kleines Klavier konzert“ kündigte er es der Freundin Elisabet von Herzogenberg an, aber es war alles andere als „klein“. Schon im Ausmaß nicht, denn es zählt statt der üblichen drei vier Sätze, es ist ein Konzert „mit einem ganz einem kleinen zarten Scherzo“. Dieses Scherzo ist gerade das Brahmsischste an diesem Werk, ein Allegro appassionata, das mit seinem wilden d-Moll die Erinnerung an das erste Konzert wachruft. Es soll ursprünglich für das Violinkonzert be stimmt gewesen sein. Der erste Satz beginnt mit einem Hornruf, der im Soloklavier ein viel faches Echo findet. Es ist fast eine Webersche Note in der Brahmsschen Sprache. Der damit angeschlagene Ton findet seine Fortsetzung und Vertiefung im langsamen Satz, der vom Solo-Cello mit einer gefühlvollen Melodie eingeleitet wird. Das Seitenthema in Fis-Dur, das von der Klarinette gesungen wird, klingt fast wie ein Gebet, und ist wohl auch so gedacht. Hat es doch Brahms auch in dem ungefähr gleichzeitig erschienenen Liederheft Opus 86 ver wendet, und zwar in dessen Schlußnummer: „Todessehnen“ (Schenkendorf) zu den Worten: „Hör es, Vater in der Höhe, aus der Fremde fleht dein Kind“. Nach diesem schwärmerischen, als Duo zwischen Solocello und Soloklavier verklingenden Satz wirkt das ungarisch gefärbte Finale doppelt „graziös“ und pikant; es greift die Stimmung der Schlußsätze in den vor hergegangenen sinfonischen Gaben der 2. Sinfonie und dem Violinkonzert, auf. Neben den „Mozart-Variationen“ sind die „Hiller-Variationen“ Max Regers be kanntestes Orchesterwerk geworden. Das melodisch kostbare Rokokothema im galanten Stil mit seinen entzückenden rhythmischen Pikanterien entstammt Johann Adam Hillers komischer Oper „Der Aerndtekranz“ (Leipzig 1772). Dort steht es als Lieschens Lied im zweiten Akt. Das Liedchen ist außerordentlich einprägsam und singt sich sofort auch ins Ohr des ungeschulten Hörers. Wahrlich, so führt Joseph Haas einmal aus, für ein Varia tionenthema der Vorzüge genug ! Wie zierlich führt sich gleich die 1. Variation ein ! Und wie köstlich weitet sich die 2. Variation zu einem Pastorale voll melancholischer Süße und zarter Traumseligkeit, wobei die unbeschreiblichen Klangzaubereien ein wiegender Ostinato des Violoncells wie eine Girlande umschlingt. Aber schon das Vivace der folgenden Varia tion entreißt den Hörer der Weltverlorenheit und bereitet ihn bedachtsam mit allerlei lustigen Neckereien und übermütigen Späßen auf die Tollkühnheiten der 4. Variation vor. Dieses Stück, dessen motivischer Kern urwüchsigste Kraft symbolisiert und der späteren Fuge einen wichtigen Baustein liefert, ist ein wahrhaft imponierendes Denkmal aufreizender bis ins Brutale angehitzter Flächenrhythmik. Wie weise von unserm Meister, daß er nach diesen beispiellosen Erregungen das Gemüt in ein beruhigendes, seltsames Helldunkel führt und durch die graziöse Heiterkeit der 6. Variation besänftigt! Willig folgt es ihm dann wieder in den leichtfüßigen, hurtig dahineilenden Tarantellenrhythmen. Auch der sehn suchtsgeschwellte Gesang der 8. Variation gibt dem Hörer nochmals Gelegenheit zu an dächtiger, innerer Sammlung. Dann aber bricht das Ungewitter los. Schon die stürmischen Triolen der 9. Variation rütteln den Hörer aus seiner geruhsamen Betrachtung auf, aber gar erst die atembeklemmenden chromatischen Entladungen der 10. Variation suchen durch ihre betäubende Wucht die dämonische Wirkung der 4. Variation zu überbieten. Es ist staunenswert, wie es Reger verstanden hat, mit seinem keineswegs allzu großen Orchester apparat dank geschickter Akkordballungen und Dissonanzhäufungen unerhörte Kraft energien zu lösen. Die gebändigte Leidenschaft zittert anfänglich in einem die Variationen reihe beendigenden Epilog noch nach, beruhigt und verklärt sich schließlich aber im fried- und weihevollen E-Dur. Ein Regersches Variationswerk ohne krönenden Fugenabschluß ist kaum denkbar. Mit einem feingeäderten, ungemein beweglichen Thema voll Frohsinn und Lebensmut beginnen die Streicher den Reigen, der gegen den Schluß hin geradezu turbulente Formen annimmt, bis ein dröhnender Fortissimo-Einsatz des Variationenthemas in den Posaunen die Situation an sich reißt und einen Kolossalabschluß herbeiführt, der „die Fesseln alles Empfindens und Begreifens zu sprengen droht“. Dr. Karl Laux.