Volltext Seite (XML)
nicht Vorsätzlichkeit bewiesen werden kann, zu gebilligt ist, wäre es ein grofser politischer Fehler, wollte man dieses Recht nunmehr für weitere Fälle aufheben. Und doch mufs man ; vom Standpunkt der Gerechtigkeit aus die Ansicht verfechten, dafs eigentlich der Betriebsunternehmer für Unfälle, die selbst verschuldet sind, keine Verpflichtung zur Entschädigung hat. Der Arbeiter, welcher im Leichtsinn an einer Transmissions welle turnt, heruntergeworfen wird und den Arm bricht, hat doch nicht den mindesten Anspruch auf Entschädigung aus einer Kasse, deren Be stände lediglich aus den Taschen der Arbeitgeber fliefsen. Jedoch der Gerechtigkeitsstandpunkt kann nicht überall zur Geltung kommen. Wir verzichten auch aus dem angegebenen Grunde darauf, ihn hier in den Vordergrund zu schieben. Es mufs indessen bei den Arbeitern selbst ein eigenthümliches Gefühl hervorrufen, wenn sie, die am besten beurtheilen können, ob ein Unfall verschuldet oder unverschuldet ist, sehen, dafs die von einem Unfall betroffenen Arbeiter in völlig gleicher Weise bei der Entschädigung be handelt werden. Die Rechtsbegriffe des Volkes erfahren dadurch wahrlich keine Stärkung. Ueberdies wird auch durch die gleiche Behand lung eine Gleichgültigkeit gegen die Gefahren, die unsere moderne Betriebsweise in sich birgt, grofs- gezogen. Wir wollen gewifs nicht sagen, dafs die Arbeiter im allgemeinen dazu kommen werden, sich zu sagen, sie wollten lieber einen Theil ihrer Erwerbsfähigkeit einbüfsen und dafür eine Rente beziehen, als völlig erwerbsfähig bleiben. Die Gesundheit und möglichst grofse Erwerbs fähigkeit stehen den Arbeitern dazu zu hoch. Aber wenn die Arbeiter nicht durch einen Unter schied in den Entschädigungen dazu angehalten werden, sich klar zu machen, welche anderen Folgen ein selbstverschuldeter Unfall als ein un verschuldeter mit sich bringt, so werden sie selbstverständlich nicht darauf achten, dafs ihnen eine Schuld beim Unfall nicht zugemessen werden darf. Und hierin liegt sicherlich eine Schädigung der Interessen der Arbeitgeber. Die Arbeitgeber I sind nach dem ganzen Grundgedanken des Unfall- ' Versicherungsgesetzes nur dazu verpflichtet, ab gesehen von den Unfällen, die sie selbst und ihre Angestellten verschulden, diejenigen in ihren Folgen zu mildern bezw. aufzuheben, welche j den Gefahren der Betriebsweise entsprungen sind. Von diesem Gesichtspunkte aus mufs man stets j die Unfallversicherung betrachten. Alles, was ; darüber hinausgeht, überschreitet die Verpflichtung der Arbeitgeber und kann also eigentlich im Gesetz keinen Platz finden. Leider hat man sich dies vor dem Erlafs des Unfallversicherungs gesetzes nicht klar gemacht; bei der Handhabung des Gesetzes aber ist dieser Punkt so stark in die Erscheinung getreten, dafs man, wie gesagt, auch von anderer Seite auf die Erledigung des selben auf die von uns vorgeschlagene Weise den gröfsten Werth legt. Es mufs deshalb hier nochmals der Wunsch ausgesprochen werden, dafs die Novelle zum Unfallversicherungsgesetz auch eine Bestimmung enthält, in welcher ein Unterschied in den Entschädigungen für ver schuldete und unverschuldete Unfälle festgesetzt wird. Würde dieser Wunsch erfüllt, so würde eine der vornehmlichsten Forderungen der Arbeit geber bewilligt sein. Nach den Erklärungen des Regierungsvertreters ist aber auch noch ein anderes Verlangen bei den Reichsbehörden in Erwägung gezogen. Nach den Entscheidungen des Reichsversicherungsamts, welche ja in ihrer übergrofsen Mehrzahl der heutigen socialpolitischen Strömung angepafst sind, ist es unmöglich, einen von einem Unfall betroffenen Versicherten dazu zu zwingen, sich demjenigen Heilverfahren zu unterziehen, von welchem die Aerzte der Berufsgenossenschaft die möglichst grofse Wiederherstellung der Erwerbs fähigkeit des Verletzten erwarten. Es können also die Arbeiter verhindern, dafs die Unfallrente auf dasjenige Mafs herabgesetzt wird, welches, wenn dieser Widerstand nicht geleistet würde, zu erreichen möglich wäre. Wir meinen, dafs diese Handhabung gleichfalls gegen die Tendenzen des Unfallversicherungsgesetzes verstöfst. Das Unfallversicherungsgesetz legt den Arbeitgebern die Verpflichtung auf, für die vom Unfall betroffenen Arbeiter bezw. deren Hinterbliebene zu sorgen. Wenn man Jemand die Fürsorge für einen Andern auferlegt und diese Fürsorge im Gesetz regelt, so kann man ihm doch unmöglich zumuthen, dafs er sich noch über das Gesetz hinaus den Wünschen der der Fürsorge unterliegenden Person anpafst, und zwar in einer Weise anpafst, welche materielle Opfer erheischt. Es mufs das Be streben der Berufsgenossenschaften sein, bei voller Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen dahin zu wirken, dafs die Renten ein möglichst niedriges Mafs einlialten. Dafs dies dem Gesetz gemäfs geschieht, dafür sorgen schon die Schiedsgerichte und in letzter Instanz das Reichsversicherungs amt. Daneben noch dem Arbeiter ein Recht einzugestehen, die Rentenhöhe beeinflussen zu können, ist ein Verfahren, das dort, wo man die Tendenzen der Unfallversicherung richtig erfafst hat, auf ein Verständnifs nicht zu rechnen hat. Es mufs deshalb die Forderung erhoben werden, dafs auch in diesem Punkte die Novelle zum Unfallversicherungsgesetz Abhülfe schafft. Die Belastung, welche heute die gesammte deutsche Industrie nicht blofs durch die Ver sicherungsgesetze, sondern vielleicht noch in er höhtem Grade durch die neuen Gewerbeordnungs bestimmungen erfährt, sind nur zu geeignet, den Wettbewerb derselben mit dem Auslande zu hemmen. Man sollte Alles aus der Welt schaffen, was dieses Hemmnifs noch verstärkt und doch