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Die Reform der Unfall Versicherung. Die Mittheilung, dafs demnächst eine Reform der Unfallversicherung zu erwarten sei, zieht sich seit Jahren bereits beinahe wie die See schlange durch die Tagesblätter. Von gewisser Seite wird geflissentlich die Behauptung wieder holt, dafs gerade das Unfallversicherungsgesetz das beste von den drei Versicherungsgesetzen sei und dafs deshalb eine Aenderung seiner Be stimmungen nicht gerade dringend nothwendig sei. Wir wollen nicht bestreiten, dafs die Be rufsgenossenschaften vortrefflich functioniren. So ausgemacht aber, wie man es von jener Seite hinstellt, ist es doch nicht, dafs die für die Unfallversicherung gewählte Organisation tadellos sei und dafs man eine bessere nicht hätte finden können. Sehen wir von der Frage der Organisation, die ja sobald nicht einer neuen Erörterung unterworfen werden wird, ab, so findet sich auch eine grofse Anzahl von Vorschriften in dem Unfallversicherungsgesetz vom 6. Juli 1884, welche einer Gorrectur bedürfen. Wir hoffen, dafs dabei nicht, wie beim Krankenver sicherungsgesetz, diejenigen Bestimmungen, welche etwa von den Bundesregierungen zur Erleichterung der Arbeitgeber oder zum besseren Ausgleich von Pflichten und Rechten der Arbeitnehmer ge troffen werden, vom Reichstag wieder werden beseitigt werden. Es ist nämlich Aussicht vorhanden, dafs nun thatsächlich demnächst die Vorarbeiten, welche für die Reform der Unfallversicherung schon seit Jahren angebahnt sind, zu einem Abschlufs gelangen. Es wäre sogar durchaus nicht un wahrscheinlich gewesen, dafs ein darauf bezüg licher Gesetzentwurf den Reichstag schon in der gegenwärtigen Tagung beschäftigt hätte, wenn nicht die Militärvorlage alle anderen gesetz geberischen Wünsche von gröfserer Bedeutung zum Schweigen gebracht hätte. Lange genug ist ja auch an der Reform der Unfallversicherung gearbeitet, und an Aufmunterungen seitens des Reichstags zur Vorlegung der Früchte dieser Arbeit hat es auch nicht gefehlt. Hin und wieder hat man in den Tagesblättern einige Bemerkungen | gefunden, die über die Vorarbeiten zu dieser I Reform, wie sie an den zuständigen reichs behördlichen Stellen vorgenommen sind, etwas [ mittheilten. In authentischer Weise ist jedoch bis vor kurzem kaum etwas über diese Vor arbeiten verlautet. Man konnte auf Grund der 1 bisherigen Meldungen zu dem Schlufs gelangen, dafs der formalen Seite bei der Reform der Unfallversicherung eine gröfsere Bedeutung als | der materiellen beigelegt werden dürfte und bei der ganzen socialpolitischen Strömung, welche i wenigstens bis vor kurzem noch in den mafs- j gebenden Kreisen vorherrschte, konnte man sogar in Zweifel darüber gerathen, ob die Wünsche, welche von der Seite der Arbeitgeber geäufsert sind, bei den Vorarbeiten zu der Reform über haupt in Erwägung gezogen werden würden. Nunmehr liegt die Aeufserung eines Regierungs vertreters vor, welche wenigstens darthut, dafs einige der aus Arbeitgeberkreisen aufgestellten । Forderungen bei den Reichsbehörden zur Er örterung gelangt sind. In der Petitionscommission des Reichstags hat nämlich der betreffende Re- j gierungsvertreter bei der Berathung von Eingaben I des Verbandes der deutschen Baugewerks-Berufs genossenschaften, die sich auf Vorschläge zur Abstellung einiger bei der Unfallversicherung der Bauarbeiter hervorgetretenen Mängel bezogen, erklärt, dafs diese Vorschläge bei Bearbeitung der Novelle zum Unfallversicherungsgesetz der Erwägung unterzogen worden seien und dafs deren Ergebnifs in der in Aussicht stehenden Gesetzes vorlage zur Erscheinung kommen werde. Ob I diese Vorschläge Berücksichtigung gefunden haben, ist demnach nicht gesagt. Jedoch will es heut zutage schon viel bedeuten , wenn dieselben überhaupt in Erwägung gezogen sind. Die Wucht | der Gründe, welche den meisten dieser Vor schläge zur Seite stehen, wird schliefslich dazu beitragen, dafs dieselben in der Novelle einen Platz finden. Zu den Vorschlägen, welche der Verband der deutschen Baugewerks Berufsgenossenschaften dem Reichstage unterbreitet hat, gehört auch einer, den wir, soweit wir übersehen können, zuerst aufgestellt, jedenfalls zuerst ausführlich und des öfteren erörtert haben. Schon in früheren Jahrgängen dieser Zeitschrift haben wir darauf hingewiesen, zu welchen Unzuträglichkeiten es führen mufs, wenn die Unfallentschädigungen in gleicher Höhe an die Arbeiter gezahlt werden, sei es, dafs dieselben sich den Unfall durch eigene Schuld oder unverschuldet zugezogen haben. Das jetzige Unfallversicherungsgesetz kennt bekanntlich eine Verweigerung der Ent schädigung eines beim Betrieb vorgekommenen Unfalls nur in dem Falle, wo der letztere vor sätzlich herbeigeführt ist. Einen Beweis hierfür zu erbringen, ist natürlich aufserordentlich schwierig, und so ist es denn auch wohl höchst selten vorgekommen, dafs einmal ein beim Be triebe eingetretener Unfall ohne Entschädigung geblieben ist. Wir können es auch gegenwärtig gar nicht mehr befürworten, dafs bestimmte Unfälle, die auch nicht vorsätzlich herbeigeführt worden sind, ohne Entschädigung bleiben. Denn nachdem einmal den Arbeitnehmern durch Gesetz das Recht auf Unfallrente in jedem Falle, wo