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822 Nr. 18. STAHL UND EISEN.* 15. September 1894. Die tieferen Schichten (H_) würden dem englischen Millestone grit (Kohlensandstein) und den Gannister-Sandsteinen, sowie den flötzleeren Sandsteinen in den rheinischen Provinzen ent sprechen. Die Mächtigkeit im Hennegau wird auf 400 bis 500 m geschätzt. Die oberen Par- thieen (H 2 ) sind das eigentliche flötzführende Gebirge. Im Monsdistrict ist die Mächtigkeit des selben am beträchtlichsten und die Zahl der Flötze am gröfsten. Generaldirector G. Arnould giebt die Zahl der Flötze auf 125 in einem 2160 m mächtigen kohlen führenden Gebirge an. Das Becken im mittleren Hennegau und Charleroi enthält ungefähr 75 abbauwürdige Flötze, jenes von Lüttich kaum 60. Im Hennegau kann die Gesammtmächtigkeit auf 70 m gerechnet werden, was 3,23 % der Ge- sammtschichten ausmacht. Die mittlere Mächtig keit der Flötze beträgt 0,56 m, die gröfste 1,70 und die geringste 0,27 m. Das Ruhrbecken ist 2622 m mächtig und führt 176 Kohlenflötze, darunter 90 bauwürdige mit 81 m Steinkohle. Das Saarbecken hat eine Mächtigkeit von etwa 2800 m mit 233 Kohlenflötzen, worunter 88 ab bauwürdige mit zusammen 82 m Kohlen. Der Abbau der belgischen Flötze ist wegen der brüchigen Beschaffenheit des Hangenden und der geringen Mächtigkeit der Flötze aufserordentlich schwierig. Grofse Mengen tauben Materials müssen weggeschafft werden, oft über ein Drittel des Ge wichts der gewonnenen Kohle. In Bezug auf die chemische Zusammensetzung kann man folgende 4 Hauptsorten unterscheiden: 1. Flenukohle, für die Leuchtgasdarstellung ge eignet, mit 25 bis 42 % flüchtigen Bestand- theilen. Dieselbe wird hauptsächlich im Becken von Mons gefördert. 2. Bituminöse Kohle, für die Koksdarstellung geeignet. Die Kohle enthält 17 bis 29 % flüchtige Bestandtheile. 3. Halbbituminöse Kohle, für Hausbrand ge eignet. Sie giebt nur einen unvollkommen zusammengebackenen Koks und enthält 10 bis 17 % flüchtige Bestandtheile. 4. Magere oder kurzflammige Kohle. Die Kohlen der oberen Flötze eignen sich gleichfalls für Hausbrand, während die der unteren Flötze von den Ziegel- und Kalkbrennereien ge sucht sind. Sie enthalten weniger als 10 % flüchtige Bestandtheile. Die Abnahme der flüchtigen Bestandtheile entspricht auch hier der zunehmenden Tiefe, in welcher die Flötze sich vorfinden; in ein und demselben Flötz ändert sich deshalb die Be schaffenheit der Kohle entsprechend dem wechseln den Verhältnifs zur Tiefe des Flötzes. Von allen bekannten Kohlenbecken zeigt un bestritten das belgische die unregelmäfsigsten Lagerungsverhältnisse. Kaum war dasselbe ge bildet, als auch schon die ursprüngliche horizontale Lagerung der Schichten durch Senkungen im Süden gestört wurde. Zahlreiche Verwerfungen von oft über 100 m Sprunghöhe gingen hiermit Hand in Hand und waren manchmal die Ursache von irrigen Ideen über den Reichthum der bel gischen Kohlenablagerung. Diese langandauernde Senkung hat devonische und selbst silurische Trümmergesteine über die flötzführenden Schichten des Steinkohlengebirges geschoben, welche sich zum Theil ganz isolirt im Kohlengebirge vor finden und Anlafs zu geologischen Controversen gegeben haben. Unter diesen accessorischen Gesteinstrümmern, welche sich hauptsächlich im Hennegau vorfinden, dehnt sich der Abbau manchmal in grofsen Ent fernungen aus. Auch die grofse südliche Verwerfung, welche fast ununterbrochen von Pas-de-Calais bis zur Provinz Lüttich läuft, verdankt ihre Entstehung derselben Ursache und hatte zur Folge, dafs in einigen Fällen der old red Sandstein des Devon mit dem productiven Carbon in denselben Horizont kam. Oft trifft man Kessel an, welche ungefähr kreisrunde Form besitzen und bisweilen einen Durchmesser von über 100 m aufweisen. Ihre Füllung besteht aus Bruchstücken von verschie denen Gesteinen, Schieferthon, Sandstein und Kohle, gemischt mit plastischem Thon, Mergel und Grünsandstein der überlagernden Kreide. Die meisten dieser Kessel wachsen in der Tiefe und gehen bis zum Kohlenkalkstein hinunter, nach oben sich verjüngende Schlote bildend. Andere wieder scheinen im productiven Gebirge aufzusetzen. In einem solchen Kessel wurde in Bernissart, nahe der französischen Grenze, beim Betriebe einer Thongrube eine in Belgien unbekannte Fauna entdeckt. Mehrere riesige Skelette von Iguanodonten aus diesem Kessel sind in der Aus stellung in Antwerpen zu sehen. Unter den unaufhörlichen meteorologischen Einflüssen, welchen während eines grofsen Zeit raums die Oberflächengestaltung des Landes unterworfen war, wurden durch Denudationsarbeit Thäler gebildet, in denen heute die Flüsse Maas, Sambre, Schelde und Haine laufen. Das letztere ist von besonderem Interesse, da es in dem Kohlengebirge des Hennegaus ein grofses see artiges Becken von theilweise über 300 m Tiefe gebildet hat. Die Ablagerungen der überliegenden flötzleeren Schichten begannen vor der Kreide, periode, um erst in der gegenwärtigen Zeit unter brochen zu werden. Zuerst lagerten sich Sande und Thone der Wealdenformation ab, welche als Trümmer angesehen werden müssen, die einer ungeheuren Erosion ihre Entstehung verdanken. Diese Ablagerungen bilden in mancher Beziehung den Uebergang zwischen der rein continentalen und den darauf folgenden marinen Perioden. Die Thäler der Haine und Schelde wurden hauptsächlich