Volltext Seite (XML)
1. September 1894. »STAHL UND EISEN.“ Nr. 17. 787 fast verdrängt* und die Tage der Puddelöfen sind gezählt auf den Stahlwerken und Flufseisenwerken, was deren ferneres Bestehen anbetrifft. Damit wird auch mehr und mehr das Schweifseisen, verdrängt durch das Flufseisen. Ausnahmsweise wird noch für besondere Fabricationszwecke Puddelstahl und Fein korneisen erzeugt im Puddelofen. Der Converter hat in der Productionsmenge die Uebermacht gewonnen. Durch das Thomas-Verfahren sollten und mufsten die in dem zu verblasenden Roheisen enthaltenen Metalloide: 1. der Koh 1 enstoff, 2. das Silicium, 3. der Phosphor und 4. d er Scji wefe 1 entfernt werden. Dabei sollte das zurückbleibende reine Eisen metall eine so hohe Schmelztemperatur erlangen und im Converter behalten, dafs es wie Bessemerstahl, oder wie Martinstahl, oder wie Roheisen in Blockformen, sogar in Masseformen könnte vergossen werden. 1. Der Kohlenstoff macht bis zu einem ge wissen Grade bekanntlich das Eisen hart und stahl artig. Es sollte aber zunächst ein Product geliefert werden, welches das bisher im Puddelofen dargestellte Schweifseisen zu ersetzen hätte, jedoch ohne dessen Schlackeneinschlüsse zu enthalten. Der Kohlenstoff entweicht heim Verblasen aus dem Converter, wie überall beim Frischen von Eisen, als Kohlenoxyd. Neuerdings hat man, um den Ansprüchen der Eisen bahnverwaltungen zu genügen, dem fertiggeblasenen Thomas-Flufseisen durch Rückkohlen mittels festen Kohlenstoffs — z. B. Holzkohlen oder Koks — im Con verter oder in der Giefspfanne, je nach Bedarf und Erfordern, mehr oder weniger Kohlenstoff wieder zu geführt und so Thomas-Flufseisen von jedem ver langten Härtegrad erzeugt. Hierdurch wetteifert es vollkommen mit dem harten Bessemerstahl zur Her stellung härterer, dauerhafter Eisenbahnschienen und mit dem Cementstahl. Ein bedeutender Fortschritt. 2. Das Silicium und mehr noch dessen beim Frischen entstehendes Oxyd, die Kieselsäure, machen das Eisen faulbrüchig, d. h. sie beeinträchtigen dessen Festigkeit. Aber schlimmer nachtheilig wirkt beim Thomasprocefs das Silicium und die Kieselsäure auf die beabsichtigte Ausscheidung des Phosphors. Bevor letzterer durch den Sauerstoff der eingeblasenen Luft, direct oder indirect, vollständig oxydirt und als Phosphorsäure in die basische Schlacke übergeführt werden kann, um an den Zuschlagkalk gebunden zu werden, mufs sämmtliches Silicium der Charge in Kieselsäure übergeführt und als basisch-kieselsaurer Kalk in der an Kalk noch Ueberschufs enthaltenden Thomasschlacke fest gebunden sein. Kieselsäure in freiem Zustande oder in saurer Verbindung treibt in der Weifsgluth aus gleichzeitig vorhandenen phosphorsauren Verbindungen in jeg lichem Eisenhüttenprocefs — sei es bei reducirendem, sei es bei oxydirendem Schmelzen — unbedingt die Phosphorsäure aus und dampfförmig in das vor handene Eisenmetall zurück. Letzteres bewirkt sofort deren Reduction zu Phosphor. Diese Erkenntnifs verdanke ich dem Hinweis von Prof. Dr. Aug. Kekul. indem er mich auf die Ver suche von Wöhlerund Berzelius (1829) aufmerksam machte, bezüglich der Gewinnung von all em Phosphor aus der benutzten Knochenasche bei der Phosphor- fabrication,berbeigeführt durch Zuschlag von Kieselsäure (Sand) zu dem gebrauchten sauren phosphorsauren Kalk. Die Beachtung und Nutzanwendung dieser That- sache machte es mir möglich, die in einer so langen * Diese Angabe ist nicht zutreffend. Die Schweifs- eisenfabrication in Deutschland hat sich trotz der enormen Fortschritte der Flufseisenfabrication als ein äufserst zäher Kamerad erwiesen, der in dem Jahrzehnt 1883 bis 1892 nur wenig an dem Jahres- ] gewicht seiner Fabricate eingebüfst hat. Vergl. »Stahl I und Eisen“ 1894, No. 16, S. 710. Die Red. | Reihe von Jahren vergeblich gesuchte Lösung des Problems endlich zu finden (worüber ich in den Sitzungen unserer Gesellschaft vom 16. Januar und 13. Februar 1875, vom 14. Februar 1876, vom 5. Februar 1877, vom 7. Januar 1878 und vom 2. August 1880 berichtete), dafs es dennoch möglich sei (Irotz allem Widerspruch der nur theoretisch ge schulten Fachleute im Eisenhüttenwesen und trotz deren in den Lehrbüchern immer wieder abgeschrie- benea Behauptung: »es sei nicht möglich“), auch im Hochofen ein an Phosphor armes, unter Umständen ganz davon freies Roheisen zu erblasen, selbst wenn in der Beschickung Phosphorsäure enthalten ist. Früher waren meine hierauf bezüglichen Versuche, sowie diejenigen aller anderen Eisenhüttenleute an dem Festhalten an einer Lehrmeinung, an einer Be- griffsverwechslung gescheitert. Man berechnete näm lich die Beschickung eines Hochofens auf basische Zusammensetzung der entstehenden Schlacke. Das Endproduct des Schmelzprocesses, die Hochofen schlacke, flofs wirklich basisch zusammengesetzt aus dem Hochofen ab mit dem fallenden Roheisen. Man sprach dann ohne Bedenken von einer »basischen Beschickung“, aber mit Unrecht, denn diese Schlufs- folgerung war falsch 1 Nur dann ist in einem Hochofen eine basische Be schickung vorhanden, wenn vorher die Eisenerze und der Zuschlagkalk durch Zusammenschmelzen in eine wirklich basisch zusammengesetzte „Erzschlacke“ umgewandelt sind und in dieser Form auf den Hoch ofen aufgegeben und darin niedergeschmolzen werden. Durch dieses mir patentirte Verfahren ist der bisher nicht beachtete Missethäter, »die Kieselsäure“, an Kalk basisch gebunden und unschädlich gemacht. Dieselbe kann dann die ebenfalls an Kalk basisch gebundene „Phosphorsäure“ aus dem vierbasisch-phosphorsauer gewordenen Kalk (von G. Hilgen stock entdeckt), nicht wieder zerlegt werden, sondern beide gehen in die Hochofenschlacke. Auf dieser Verhinderung der Wechselwirkung zwischen Kieselsäure und Phosphor säure, durch Bindung der beiden an Kalk in basischer Form, beruht ohne Zweifel die Durchführbarkeit des basischen Thomasprocesses. Je mehr man Silicium und Kieselsäure aus dem Converter, d. h. aus dem Roheisen, dem Dolomitfutter und dein Zuschlagkalk fernhält, um so rascher ist die Blasedauer beendigt, um so sicherer wird der Phosphor aus dem Eisen entfernt. An einer lange Zeit räthselhaften Erscheinung beim Betrieb der Hochöfen auf der Peinerhütte zu Grofs-Ilsede, * aber noch weittragender an einem anscheinend unerklärbar gewesenen Ereignifs aus dem Betrieb des Thomas-Stahlwerks zu Witkowitz, konnte ich die Richtigkeit dieser Argumente nachweisen, als in letzterem Falle in eine fertig verblasene, schon in die Giefspfanne ausgegossene Thomascharge nach träglich Kieselsäure eintrat und aus der darauf schwim menden Thomasschlacke die darin enthaltene Phos phorsäure austrieb. Diese wurde von dem Eisenmetall reducirt, von demselben als Phosphor wieder aufge nommen, wodurch das Eisen wieder kaltbrüchig wurde. Silicium, freie Kieselsäure und saure kieselsaure Verbindungen soll man aufs strengste aus dem Thomas converter und aus der dazu gehörigen Giefspfanne fernzuhalten suchen, wenn man ein möglichst phos phorfreies Flufseisen darzustellen beabsichtigt. 3. Der Phosphor im Roheisen, früher so viel gefürchtet von den Hüttenleuten, weil er nicht nur das Roheisen, sondern mehr noch das daraus erzeugte Stabeisen, wie schon erwähnt, kaltbrüchig macht, ist * Siehe die Analysen der Hochofenschlacken von Grofs-Ilsede, welche ich Director Spamer verdankte, mit hohem Gehalt an Phosphor, in meinem Bericht aus der Sitzung unserer Gesellschaft vom 2. Aug. 1880. S. St.