Volltext Seite (XML)
STAHL UND EISEN. 1. September 1894. fahren, dafs es für ganz undenkbar erachtet werden mufs, dafs diese Bestimmungen wirklich Gesetz werden könnten. Insbesondere ist es für unzweckmäfsig zu halten, wenn, wie es im Gesetzentwurf geschieht, der bei weitem gröfste Theil der wasserrechtlichen und wasserverwaltungsgerichtlichen Angelegen heiten einer am Sitz des Oberpräsidiums gebildeten Behörde in I. Instanz überwiesen wird. Der Be zirk dieser Behörde ist für einen erstinstanzlichen Bezirk viel zu grofs; den Mitgliedern fehlt die für viele Fälle unbedingt erforderliche oder wünschenswerthe Ortskenntnifs. Die nothwendig werdenden commissarischen Fessteilungen würden übermäfsig viele Zeit beanspruchen und übergrose Kosten verursachen. Auch würde die für einen so grofsen (im wesentlichen mit der Provinz zu sammenfallenden) Bezirk fungirende erstinstanzliche Behörde derartig überlastet werden, dafs sich schwerlich für die vorgesehenen nicht berufs- mäfsigen Mitglieder die geeigneten Persönlichkeiten finden würden. Dagegen ist der Grundgedanke, dafs die wasser rechtlichen Entscheidungen möglichst durch eine collegialische Behörde zu treffen sind, durchaus zu billigen. Es würde unzweckmäfsig sein, solche Collegialbehörden für die Kreise und Regierungs- bezirke als besondere Wasseicommissionen oder Wasserausschüsse oder als Abtheilungen der Kreis- und Bezirksausschüsse zu bilden und deren Zu ständigkeit unter Zugrundelegung der im § 32 (bezw. 19) des Entwurfs vorgenommenen Ein- theilung der Wasserläufe zu ordnen. In den Kreisen (einschliefslich der Stadtkreise) könnten die Ausschüsse aus dem Landrath als Vorsitzenden und 4 Mitgliedern bestehen, von denen 2 (je 1) vom Kreisausschufs aus den im Kreis angesessenen Vertretern der Landwirthschaft und Industrie (Ge werbe), 2 andere (je 1) von den Handelskammern und landwirthschaftlichen Vertretungen (Land- wirthschaftskammern oder landwirthschaftlichen Vereinen) aus denselben Interessenten gewählt würden. Die Zuständigkeit dieser Kreiscommissionen würde sich auf die im § 32 nicht genannten Wasserläufe (also diejenigen, für deren Unter haltung keinerlei öffentliches Interesse vorliegt) und auf die geschlossenen Gewässer erstrecken, soweit diese Wasserläufe bezw. Gewässer (oder die in Bede stehende Frage) nicht über das Ge biet des betreffenden Kreises hinausgehen. Entsprechend würde der Bezirkswasseraus- schufs aus dem Regierungspräsidenten (bezw. dessen Vertreter) und 4 (2 vom Provinzialaus- schufs , 2 von den Interessen-Vertretungen) aus den Interessenten zu wählenden Mitgliedern be stehen, denen noch 2 ständige Mitglieder hinzu treten könnten. Eine Zwangsvorschrift, dafs eines der ständigen Mitglieder zum Regierungsbaumeister des Ingenieurfaches befähigt sein müsse, ist für nicht zweckmäfsig zu’ erachten. In Angelegen 782 Nr. 17. heiten, bei denen es sich um chemische Verhält nisse handelte, würde z. B. ein. Chemiker ent schieden besser am Platz sein. Soweit ständige Mitglieder ernannt werden sollen, müfsten sie, da sie richterliche Functionen ausüben sollen, wie die Richter vom Könige auf Lebenszeit er nannt werden. Die Zuständigkeit dieser Bezirks-Wasseraus schüsse oder Bezirksausschufs-Wasserabtheilungen würde die im § 32 Nr. 4 bezeichneten, sowie die nicht in die Verzeichnisse aufgenommenen, mehrere Kreise berührenden Wasserläufe u. s. w. umfassen, vielleicht auch einzelne, speciell zu bezeichnende schiffbare Kanäle und Hochwasser flüsse, deren Gebiet wesentlich dem Bezirk an- . gehört. Auch könnten sie für die Entscheidungen der Kreis-Wasserausschüsse die II. Instanz bilden. Das im Entwurf vorgesehene Wasseramt, hinsichtlich dessen Zusammensetzung u. s. w. das oben beim Bezirks-Wasserausschufs Gesagte gleichfalls gilt, könnte dann für die Ströme und die nicht den Bezirks-Wasserausschüssen über wiesenen schiffbaren Kanäle und Hochwasserflüsse, sowie als Berufungs- und Beschwerde-Instanz für die Bezirks-Wasserausschüsse beibehalten werden. Den betreffenden Ausschüssen würden Wasser techniker als Sachverständige zugeordnet werden, denen auch die Ausübung der Wasserpolizei als Unterorganen und unter Aufsicht der Ausschufs- vorsitzenden zufiele. Die Befugnisse der Orts polizeibehörden müfsten nach Möglichkeit in Wasser sachen fortfallen und auf die Fälle der Feuer- und Wassersgefahr beschränkt werden. Grofses Bedenken in der Behördenfrage hat vielfach auch die Ungewifsheit über den „zustän digen Minister“ erregt, und es ist unseres Er achtens die Frage ernstlich zu erwägen, ob es sich nicht empfehlen möchte, die sämmtlichen Wasserangelegenheiten einem besonderen Wasser ministerium zu unterstellen. Eine Frage von allgemeiner Bedeutung ist endlich noch die der Einrichtung von Wasser büchern. So wünschenswerth es auch sein würde, eine Einrichtung zu haben, die zuverlässige Auskunft über alle bestehenden Wasserrechte gäbe, so ist doch nicht die in der Begründung auseinander gesetzte Schwierigkeit zu verkennen, einen solchen Plan von Amtswegen durchzuführen. Eine der artige allgemeine Zwangseintragung von Amtswegen ist aber auch deshalb nicht zu befürworten, weil man befürchten mufs, dafs dabei und bei der hierfür nöthigen Vorlegung und Prüfung der Rechtstitel sehr viele in ruhigem, unangefochtenem Besitz befindliche Berechtigte in ihrem Besitz un- nöthig beunruhigt werden könnten. Es sind daher allgemeine Wasserbücher und allgemeine Zwangs eintragung nicht zu befürworten. Dagegen ist es für zweckmäfsig zu erachten, zur allmählichen Herbeiführung des gewünschten