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1. September 1894. STAHL UND EISEN.“ Nr. 17. 765 Korn sehr klein und der Antheil des Ferrit be trächtlich , aber man kann immer noch den Schnitt durch einen solchen Stahl mit einem Netzwerk mit sehr kleinen Maschen aus sehr dicken Fäden vergleichen. — Nun hängen die physikalischen Eigenschaften eines gesunden Stückes Stahl ab: / 1. von dem Verhältnifs des Perlit und Ferrit, oder Perlit und Cementit, das im Metall gegenwärtig (und dieses Verhältnifs ist einzig beherrscht durch den Procentgehalt an Kohle); und 2. von der Korngröfse, welche wiederum ein Ergebnifs der chemischen Zusammensetzung und der Behandlung in der Hitze ist. Diese Anschauungen veranlafsten Sauveur, den Zusammenhang zwischen Korngröfse und Festigkeitseigenschaften an den von seinem Werke erzeugten Schienen zu studiren. Demgemäfs hat er von einer grofsen Zahl von Schienen die mittleren Korngröfsen mikrometrisch nach einem von ihm beschriebenen Verfahren (Zeichnung und Planimeter) festgestellt und mit den Festig keitseigenschaften verglichen, indem er unter seinen Schienen nach deren Kohlenstoffgehalt Gruppen bildete, also nur Schienen verglich, bei denen der relative Gehalt an Perlit und Ferrit nicht zu sehr schwankte. Bei Stahl von mit lerer Härte ist der Betrag an Ferrit* sehr klein; die Körner sind in geschlossener Berührung und man kann daher die Ausmessung kürzen, indem man die Aufsenlinie aller im Gesichtsfeld ganz sichtbaren Körner zeichnet und ihren Gesammt- flächeninhalt, auf 100 fache Linearvergröfserung zurückgeführt, durch ihre Anzahl dividirt. Bei weichem Stahl ist diese Methode nicht anwendbar, und man mufs dann eine gröfsere Anzahl der einzeln und getrennt voneinander liegenden Körner jedes für sich ausmessen und ihre mittlere Gröfse berechnen. Das von Sauveur angewendete Verfahren ist ein wenig umständlich; es läfst sich sicherlich vereinfachen und sehr wohl zu einer Art mikro skopischer Analyse ausbilden, wenn man erst über Natur und Zusammensetzung der beiden oder der drei Bestandtheile Ferrit, Perlit und Cementit mehr Beobachtungsmaterial und mehr Klarheit gewonnen hat. Deswegen möchte ich immer wiederholen, dafs der Schwerpunkt der Arbeiten der Metallmikroskopiker sich auf die Aufklärung des Aufbaues und der Zusammen- * Hier liegt, wie mir scheint, eine Verwechslung vor. Nach seinen Abbildungen Fig. 22 bis 23 kann Sauveur hier nichts Anderes, als den weifsen Saum der Körner im Auge haben. Dieser würde aber, da er mit ge radem Licht photographirte, nach meiner Definition (und auch nach aller meiner bisherigen Erfahrung mit ähnlichem Material) dem Perlit entsprechen. Man sieht hier wiederum, wie nothwendig eine Aufklärung der Anschauungen ist. Setzung dieser Hauptgegenstände ihrer Forschung richten mufs.* Haben wir hierüber etwas mehr Klarheit, so kann man mit mehr Erfolg als jetzt das Mikroskop zur praktischen Ausnutzung im Hüttenbetriebe bringen. Denn es ist gar nicht schwer (namentlich an Hand von Musterpräpa raten, deren Gefügeverhältnisse man vorher genau ausgemessen), durch einen einfachen Anblick und Schätzung nach dem Augenmafs den Antheil von Ferrit und Perlit festzustellen, ja selbst zu gleich die mittlere Korngröfse anzugeben. Diese Schätzungen wird man nach kurzer üebung bis auf 5 Procent und vielleicht genauer ausführen. Dafs man hiermit etwas erreichen kann, hat Sauveur durch seine Arbeiten gezeigt, wie aus Fig. 28 (S. 768) sich ergeben wird, in welche die Bruchfestigkeiten OE, die Dehnbarkeiten d und die Querschnittsverminderungen q, nach wachsenden Korngröfsen geordnet, eingetragen sind. Man wird zugeben müssen, dafs das Fallen aller drei Gröfsen mit scharf ausgeprägter Gesetzmäfsigkeit vor sich geht und darf wohl die Ueberzeugung aussprechen, dafs die Fortsetzung dieser Ver suche uns einen wesentlichen Schritt weiter führen wird. Aus meiner eigenen Arbeit über das mikro skopische Gefüge von Flufseisen in gegossenen Blöcken habe ich meine Anschauungen über den generellen Gefügeaufbau in die vorstehenden Be sprechungen bereits eingeflochten. Da diese Arbeit in den „Mittheilungen aus den technischen Versuchsanstalten“ 1894, Heft 6 ebenfalls er schienen ist, so wird sie etwaigen Interessenten leicht zugänglich sein, und ich kann mich wohl damit begnügen, der Raumersparnifs wegen, ihren Inhalt hier kurz anzuführen. Vom Bochumer Verein für Gufsstahlfabrication waren mir im Jahre 1883 Brüche von Flufs- eisenblöcken zur Verfügung gestellt. Von diesen Blöcken liefs ich Scheiben von etwa 3 bis 5 mm Dicke von vollem Blockquerschnitt herstellen. Jede Scheibe wurde in vier Theile zerlegt, polirt und geätzt, so dafs man das Gefüge eines viertel Blockquerschnitts freilegte; von einem andern Stücke wurden nebeneinander vier schmale Streifen entnommen, von denen der eine im ursprüng lichen Zustande verblieb, der zweite an einem Ende weifswarm gemacht und dann abgeschreckt wurde, während der dritte gleichbehandelte in Kohlenlösche langsam abkühlen konnte; der vierte wurde hellrothwarm gemacht, dann gehärtet und von einem Ende her erhitzt, so dafs dieses Ende schwachrothglühend wurde. Die Streifen wurden polirt und geätzt; dann wurden in regel- mäfsigen Abständen voneinander je 6 mikro- photogiaphische Aufnahmen in etwa 20/1 gefertigt. * Eine Grundlage ist ja schon durch die zahl reichen Forschungen über die verschiedenen Formen des Kohlenstoffs im Eisen gegeben; diese Forschungen werden vom Mikroskopiker auszunutzen sein.