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1. September 1894. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 17. 761 Ich kann und will keinen Einwand gegen die Thatsächlichkeit der Beobachtungen Sorbys und Osmonds machen, weil ich es mit zuver lässigen und geschickten Arbeitern zu thun habe und aus meinen eigenen Beobachtungen weifs, wie schwer es ist, die feineren Einzelheiten der Gefügeverhältnisse festzustellen. Aufserdem hat man zur Zeit überhaupt noch zu wenig Beobachtungs material, um jetzt schon die Möglichkeit einer klaren Darlegung der Verhältnisse erwarten zu können. Ich weifs auch sehr wohl, dafs meine eigene Arbeit recht grofse Unklarheiten und noch aufzuklärende Widersprüche enthält. Aber ich glaube der Sache doch zu nützen, wenn ich die Gelegenheit ergreife, die mir Osmond durch freund liche Uebersendung eines seiner Objecte gab, welches das Gefüge des Perlit besonders charakte ristisch zeigt, um meine Anschauung hier im Zusammenhang kurz zu entwickeln und durch einige Abbildungen zu erläutern. Osmond ist sich dessen bewufst und spricht es in seiner Arbeit und in seinen Briefen an mich aus,* dafs mit den Namen Perlit u. s. w. zur Zeit noch kein ganz bestimmter Begriff ver bunden sein könne, dafs die Worte vielmehr nur dazu dienen könnten, kurzer Hand dem Leser eine Summe von Erscheinungen zu vergegen wärtigen, die man sonst umständlich beschreiben müsse. Aber ich fürchte, dafs sie auch diese Auf gabe nur lückenhaft erfüllen werden, solange nicht bestimmt und unzweideutig die mikroskopischen Merkmale festgelegt sind, die man dem durch die genannten Worte bezeichneten Gefügeelemente, oder einer bestimmten mikroskopischen Er scheinungsform zuschreibt. Sorby giebt von dem Perlit die in Fig. 9 (Taf. XIII) dargestellte schematische Abbildung. Etwas dem Aehnliches habe ich bisher nur in geschmiedetem Manganstahl finden können, dessen einzelne Körner die in Fig. 10 (800/1) dargestellten Streifungen zeigten. Die mir von Osmond übersendete Probe eines geschmiedeten harten Werkzeugstahls hatte das in den Fig. 1 bis 8 in 70/1 bis 1000/1 photographisch wiedergegebene Gefüge; Osmond hält dieses Vorkommen für den geschichteten Perlit als besonders charakteristisch. In Fig. 11 gebe ich von dieser Probe eine im Mafsstabe 1000/1 gefertigte, aber bei der Wiedergabe auf den Mafsstab 700/1 verkleinerte Handzeichnung eines besonders lehrreichen Theiles, der den Charakter der Schichtung möglichst getreu und in verständlicherer Form darstellt als die Photo graphie. Ferner füge ich in Fig. 12 bis 14 einige Handzeichnungen von Martinflufseisen 75/1 und Tiegelstahl 50/1 hinzu, welche von Proben ausgegossener Blöcke stammen und diebeginnende * Auch Howe macht Gleiches in der oben an geführten Besprechung geltend. Neuerdings theilte mir Osmond mit, dafs er weitere Arbeiten in Angriff genommen habe. XVII.14 Schichtung deutlich erkennen lassen. Fig. 19 zeigt federförmige und geschichtete Zeichnungen, die durchaus den im Osmondschen Präparat auftretenden Schichtungen und Fächerbildungen sich anschliefsen; die Figur stellt einen Quer schliff durch ein gut ausgebildetes Tannenbaum skelett dar. Fig. 15 zeigt federförmige und ge schichtete Figuren, wie sie auf der Oberfläche von Spiegeleisenkrystallen häufig gefunden werden. Fig. 12 giebt Andeutungen von ähnlichen Figuren, wie sie bei stark geätztem Martinflufseisen (ge gossener Block) sich bemerkbar machten. Die Schichten-, Fächer-, Strahlen-, Feder bildung, oder wie man sie sonst nennen will, ist also in weichem Flufseisen bis hinauf zum harten Spiegeleisen zu finden. Wo diese Er scheinungen sichtbar werden, ist es immer für die Schichtenbildung charakteristisch, dafs der eine Theil des Materials durch die Aetzung stärker und schneller angegriffen wird als der andere. Hierdurch wird im Schliff die Schichtung in den allermeisten Fällen überhaupt erst klar sichtbar. Was bezeichnend ist und bestimmend für den Charakter des Materials, scheint mir das verschiedene Verhalten der beiden (oder mehreren) Gefügebestandtheile gegenüber den Aetzmitteln zu sein. Ich sehe und erkenne immer wieder mindestens zwei Gefügebestandtheile, von denen der eine leichter angreifbar für die Aetzmittel und wahrscheinlich mechanisch härter ist als der andere. Ich sehe in den mit schwachen Aetz mitteln schwach geätzten Schliffen den weniger angegriffenen Theil bei senkrecht einfallendem und senkrecht in den Tubus zurückgestrahltem Licht, oder bei geneigter Lage des Objectes und bei Zurückspiegelung des Lichtes in Richtung der Tubusachse, stets hell in dunklerem Grunde. Solange die Aetzung schwach genug war, um die Politur der widerstandsfähigen Flächen nicht zu zerstören, sehe ich im zerstreuten Licht bei senkrechter Lage der Schlifffläche zum Tubus die widerstandsfähigere Masse dunkel bis schwarz (je nach Vollkommenheit der Politur) in der helleren, weniger widerstandsfähigen Masse. Dies sind nach meiner bisherigen Erfahrung mikro skopisch charakteristischere Merkmale für die Unter scheidung der Hauptgefügebestandtheile, als das körnige oder geschichtete Gefüge der Flächen elemente. Will man sich die Beschreibung des mikro skopischen Bildes durch die Annahme kurzer Wort zeichen erleichtern, wogegen ich durchaus keinen Einwand zu erheben weifs, und will man hierfür die Bezeichnungen Ferrit, Perlit und Cementit wählen, wogegen ich auch keine Bedenken habe, so sollte man nach meiner Ueberzeugung den Ausdruck Ferrit, ohne Rücksicht auf die Anordnung des Gefüges (Schichtung oder Körnung), für den oben charakterisirten, weniger widerstands fähigen, Färbungen leichter annehmen- 3