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STAHL UND EISEN. 15. August 1894. Nr. 16. 735 d) Eisenbahn Verhältnisse. In der Sitzung vom 11. November, in welcher die diesseitigen Anträge angenommen wurden, war, nach dem andere Wünsche aus dem Bezirk Olpe laut ge worden waren, auf unsern Antrag dieser Bezirk auch wieder in den Kreis der Ausdehnung des beartragten Tarifs aufgenommen worden. Seitens des Bezirks Olpe und der Handelskammer Altena sind nun, trotzdem 3 Eingaben an den Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten gerichtet worden, die im wesentlichen sämmtlich veranlassen wollen, dafs dem von hier gestellten und in Köln angenom menen Anträge die Genehmigung seitens der Königl. Staatsregierung versagt werde. Diese Eingaben ent halten sämmtlich nicht nur unrichtige Darstellungen der hiesigen Verhältnisse, sondern auch thatsächlich unrichtige Angaben, welche bei nur einiger Gründ lichkeit nicht vorkommen durften und ohne Wider spruch dem hiesigen Bezirke aber empfindlich schaden können. In der Eingabe der Interessenten von Meggen vom 18. October 1893 werden die im Siegerland an gewandten Wasserkräfte auf 480 nutzbare Pferde kräfte, die im Kreis Olpe auf 370 angegeben. Da es sich hier nur um Luppen- und Blechfabrication handelt, so stellen wir fest, dafs im Siegerland sich nur noch eine Blech walze befindet, die mit Wasserkraft ver sehen ist. Dieselbe liegt abseits von der Bahn in der Gemeinde Tiefenbach. Dieses eine Wasserrad ist aber nicht imstande, allein ein Walzenpaar zu treiben, und ist daher mit einer Dampfmaschine verbunden. Wasserrad, Dampfmaschine und Walze werden aber bei der ungünstigen Lage des Werkes sehr selten in Betrieb gesetzt. Die wenigen vorhandenen und unbedeutenden Wasserkräfte werden lediglich zum Bearbeiten von Schmiedeisen und Herstellung von Schmiedarbeiten, bei denen im Kleinbetrieb eine besondere Handfertigkeit nöthig ist, verwandt. Diese Angabe ist absolut unrichtig. Wenn diese Interessenten am Schlüsse ihrer Ein gaben sagen: „dafs die Bewilligung einer Fracht- ermäfsigung nur auf Puddelkohlen eine Prämie dar- stellen würde für diejenigen, welche hartnäckig an dem — insoweit die Blecherzeugung in Frage steht — überlebten Puddelproeefs festhalten und sich dem Fortschritt und den Forderungen der Neuzeit ver- schließsen", so zeigt dieser Ausspruch eine Ueber- hebung und Unkenntnifs der Nachbarverhältnisse, welche charakteristisch für das ganze Vorgehen ist. Die Statistik unseres Berichtes zeigt, in welchem Mafse die Fabrication der Flufseisenbleche hier zu genommen bat, dafs also der Bezirk hierin keineswegs zurückgeblieben ist. Dafs der Bezirk Olpe zu dieser Fabrication in etwas schnellerem Tempo übergegangen ist, liegt lediglich an der für diesen Bezirk günstigen Lage in Bezug auf diese Fabrication. Hierauf kommen wir weiter unten noch zurück. Die zweite Eingabe, datirt Olpe, den 21. October 1893, von Herrn Hub. Ruegenberg stellt sich schon auf einen andern Standpunkt und giebt im Gegensatz zu dem der Collegen dem Puddelproeefs noch eine gewisse Berechtigung. Wir übergehen die Klage dieser Eingabe über das einseitige Vorgehen der Siegener Handelskammer, da dieselbe schon in obigen Aus führungen wiederlegt ist. Unrichtig hier wie in der andern Eingabe ist aber die Behauptung, dafs die Siegerländer Walzwerke keine Fracht für das Roh eisen zu bezahlen hätten. Die überwiegende Zahl dieser Walzwerke bezieht das Roheisen per Bahn und mufs daher die verhältnifsmäfsig hohe Local-Fracht von 9 bis 12 • per 10 t bezahlen. Um diesen Be trag ändern sich also die angegebenen Zahlen zu Un gunsten des Siegerlandes. Die Eingabe der Handelskammer Altena vom 22. November 1893 stellt zunächst wieder die unrichtige kratie u. s. w.“ bezeichnet war. Hiermit trat zum ersten mal eine Organisation und Zusammenschlufs dieser Partei im hiesigen Kreise in die Oeffentlichkeit. Die von dieser Seite aufgestellten Gandidaten sind sämmt lich gewählt worden. Mit diesem Erfolg wird die Partei gestärkt werden, und dürften weitere Folgen nicht ausbleiben. Die in unseren Jahresberichten von 1890, 1891 und 1892 ausgesprochenen Mahnungen haben kein Gehör gefunden. Es ist sehr bedauerlich, dafs die Stimmen der Männer, welche die Arbeiterwelt am besten kennen, sie am vollkommensten zu beurtheilen wissen, in den Fragen, welche diese betreffen, immer mehr in den Hintergrund gedrängt, nicht blofs weniger beachtet, sondern von vornherein als im Gegensatz zu den Arbeitern stehend betrachtet werden. Aus den Berichten der Gewerbe-Inspectoren im Deutschen Reich geht vielfach die Klage hervor, dafs diese Beamten zu wenig das Vertrauen der Arbeit nehmer besäfsen und nicht genügend als Mittel personen zur Pflege guter Verhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer benutzt würden. Wir können uns der aus solchen Ausführungen hervor gehenden Auffassung über das Verhältnifs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht anschliefsen. Beamte wie die Gewerbe-Inspectoren werden im allgemeinen niemals das Vertrauen und eine genügende Kenntnifs der Arbeiterwelt gewinnen. Dazu gehört eine langjährige Praxis eigenen gewerblichen Be triebes, dazu gehört in jedem einzelnen Falle eine genaue Kenntnifs des besonderen Betriebes, in dem die einzelnen Fälle vorkommen, dazu gehört in erster Linie ein täglicher Umgang mit den Arbeitern und eine genaue Kenntnifs der Gewohnheiten dieser Leute, Eigenschaften, die man sich niemals als Beamter be schaffen kann. Die Pflege der Beziehungen zwischen Arbeiter und Arbeitgeber kann wirksam nur seitens des letzteren erfolgen. Letzterer besitzt in der Regel auch allein die Mittel, um diese Pflege wirksam zu machen. Das wissen die Arbeiter ganz genau, und daher werden sie nur in besonderen Fällen sich der Gewerbe-Inspectoren bedienen. Es erscheint uns nicht die richtige Aufgabe der Herren Fabrik-Inspectoren, sich als ein dritter mafsgebender Factor zwischen die Betheiligten zu schieben, sondern da, wo etwas mangelt, mit Zurückhaltung der eigenen Persönlich keit wohlwollend darauf hinzuwirken, dafs der Arbeit geber sich seiner Aufgaben und Pflichten bewufst wird und dieselben ausübt. Durch den dritten Factor wird ein Gegensatz zwischen den auleinander angewiesenen Parteien auf geworfen und damit verschärft, während das richtige und wirksame Verhältnifs so sein soll, dafs nicht der Fabrik-Inspeclor, sondern der Arbeitgeber der Ver trauensmann des Arbeiters in allen wichtigen ge schäftlichen und nicht geschäftlichen Fragen sein soll. Wir haben schon in früheren Berichten darauf verwiesen, dafs die Bildung der grofsen industriellen Gesellschaften diese Pflege der Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeiter sehr erschwert. In den Berichten einzelner Fabrik - Inspectoren finden wir aber Hinweise darauf, dafs da, wo den Abtheilungs- beamten eine gröfsere Selbständigkeit bezüglich der Arbeiter gegeben ist, Besserungen eingetreten sind. Es scheint uns, dafs der Weg verfolgt werden und dafs der Wirkungskreis der Unterbeamten in dieser Richtung ausgebildet und erweitert werden mufs. Die Zahl der beschäftigten jugendlichen Arbeiter hat seit den verschärften gesetzlichen Bestimmungen über die Beschäftigung derselben im Bezirk wesentlich abgenommen. In der Stadt Siegen ist sie von 138 in 1891 aut 105 in 1893 zurückgegangen. Eine Aenderung dieses Gesetzes oder eine wesentlich mildere Anwen dung desselben scheint uns im Interesse der jugend lichen Arbeiter und ihrer Familie dringend erforderlich.