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1. März 1894. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 5. 241 Ein neues Kanaltunnel-Project. Das Bedürfnifs nach einer besseren Verkehrs verbindung zwischen England und Frankreich, als zu Schiff über den tückischen Kanal ist alt, es veranlafste schon im Jahre 1802 den Bergingenieur Mathieu, dem Consul Napoleon Bonaparte den Plan eines Untergrundtunnels unter dem Kanal vorzulegen. Die Idee wurde später zur Herstellung eines Eisenbahn- tunnels vom Ingenieur Thome de Gamond wieder aufgenommen, der durch 1866 begonnene Bohrungen den Nachweis der Ausführbarkeit seines Planes lieferte. Daraufhin bildeten sich zwei Kanaltunnelgesellschaften, welche 1882 die Genehmigung zur Herstellung des Tunnels beim englischen Parlament nachsuchten und die Arbeit auch begannen, aber 1884 wieder einstellen mufsten, weil in England die Meinung zur Geltung kam, dafs die Sicherheit der britischen Insel bei einem zwischen England und Frankreich ausbrechen den Kriege, vom Standpunkt der Landesvertheidigung betrachtet, in Frage gestellt werden würde. Im Jahre 1889 wurde sodann von Henri Schneider, Director der grofsen Eisen- und Stahlwerke in Creusot, und H. Hersent, Unternehmer beim Panamakanalbau, der Plan einer Eisenbahnbrücke über den Kanal dem Iron and Steel Institute vorgelegt, dessen Ausführ barkeit von Technikern nicht bezweifelt wird. Die Sache scheiterte aber einestheils daran, dafs die Brücke ein Schiffahrtshindernifs bilden würde, anderntheils an den ungeheuren Kosten, die auf 900 Millionen Francs geschätzt wurden, sowie auch an der erforder lichen langen Bauzeit. Neuerdings ist nun. wie wir dem „Polytechnischen Centralblatt“ nach „Genie civil“ entnehmen, der ehemalige Chefconstructeur der englischen Admiralität Sir Edward Reed mit einer ganz neuen Idee zur Herstellung einer Eisenbahnverbindung zwischen Eng land und Frankreich hervorgetreten. Eine zwischen Kap Gris-Nez und einem Punkte nordöstlich Dover in geradliniger Richtung sehr sorgfältig ausgeführte Tiefenmessung ergab für die Abstände von 1000 zu 1000 m folgende Meerestiefen: 25, 27, 27, 29, 30, 27, 30, 42, 49, 56, 53, 54, 49, 42, 30 und 25 m, so dafs sich das Kanalbett als ein flaches Thal zwischen beiden Ländern darstellt, dessen Sohle keine gröfsere Neigung hat als 12 m auf 1000 m Strecke oder 1,2 v. H. Reed sagt nun, wäre dieses Thal trocken, so würde es Niemand in den Sinn kommen, dasselbe für eine Eisenbahn zu überbrücken, oder mittels eines Unter grundtunnels zu überschreiten, sondern man würde die Bahn einfach auf der Thalsohle anlegen. Da nun aber dieses Thal mit Wasser angefüllt ist, so geht dies allerdings nicht, aber es kann sich doch nur darum handeln, von der auf der Thalsohle liegenden Eisenbahn das Wasser abzusperren. Das will er durch tunnelartige Röhren bewirken, in denen die Geleise ausgelegt sind und welche von aufsen gegen den Einflufs der Wogen und Meeresströmungen so gesichert sind, dafs sie ihre Lage nicht verändern können. Die Röhren sollen aus Stahl oder Eisen doppelwandig hergestellt, in ihrem Zwischenraum durch Profileisen abgesteift und mit Cementbeton ausgefüllt werden. Solchen Röhren wird eine unbegrenzte Dauer zu gesprochen. Die in Längen von 100 m zu fertigenden Röhren ruhen mit ihren Enden in kurzen Rohrstücken, den Auflagern, die mit ihrer breiten, flachen Sohle auf dem Meeresgrund aufliegen und, gewissermafsen Brückenpfeiler bildend, das Tunnelrohr freischwebend tragen. Jedes der Tunnelrohrstücke, am Lande fertig gebaut und an seinen Enden luftdicht verschlossen, ist an dem einen Ende unten, an dem andern oben mit den benachbarten Auflagern durch riesige Ge lenke (Charniere) verbunden. Sie ermöglichen es, die von Schiffen hinausgeschleppten Röhren, die mit ihren Auflagern durch die Gelenkverbindung gleichsam eine Gliederkette bilden, nach und nach auf den Meeresgrund hinab zu lassen, wo die Rohrenden in den Auflagern wasserdichten Abschlufs finden. Es sollen zwei Tunnelrohre, nebeneinander liegend und zu einem System fest verbunden, versenkt werden, die dann immer nur in einer Richtung befahren werden, also zusammen eine zweigeleisige Bahn bilden. Der Betrieb soll elektrisch sein und glaubt der Erfinder, dafs der durch ein Tunnelrohr hindurchfahrende Eisenbahnzug die Lüftung des Tunnels selbst besorgen wird, indem er die in dem Tunnel befindliche Luft vor sich hertreibt und hinter sich frische Luft von aufsen nachsaugt. — Was nun die Kosten betrifft, so denkt Reed mit 375 Millionen Francs auszukommen und den Bau in 5 Jahren fertig zu stellen, so dafs Kosten und Bauzeit hinter denen der Brücke sehr weit Zurückbleiben. Und bezüglich der Sicherheit für die Landesvertheidigung _ soll sich ein hervor ragender englischer Genieoffizier zu Reed geäufsert haben: „Sollte eine festländische Armee so thöricht sein, sich bei einem ausbrechenden Kriege in das Innere Ihres Rohres zu wagen, so gebührte Ihnen der besondere Dank unseres Volkes, denn Sie geben uns in Ihrem Tunnel ein ebenso sicheres, wie ein faches Mittel, die feindlichen Streitkräfte mit einem einzigen Schlage zu vernichten, d. h. zu ertränken.“ Handelsbericht aus Moskau. Die Einfuhr von Maschinen nach dem Moskauer Bezirk hat sich im Jahre 1892, und namentlich in der zweiten Hälfte desselben, wieder lebhafter ge staltet, und zwar sowohl für Werkstätten schon be stehender, als auch im Bau begriffener Eisenbahnen. Aber auch für die Textilindustrie, in welcher das Geschäft lebhafter war, wurden im Laufe des Jahres 1893 wieder mehr Bestellungen gemacht als im Jahre 1891. Arbeitsmaschinen von geringem Gewicht, namentlich solche, welche eine sorgfältige Ausführung erfordern, wurden auch im Berichtsjahr zum grofsen Theil vom Auslande bezogen, und zwar zum über wiegenden Theil aus Deutschland. Für Regierungs werkstätten haben vornehmlich englische und fran zösische Fabriken die Lieferungen besorgt. Auch Dampfmaschinen wurden, sobald sorgfältigere Aus führung gewünscht wurde, vom Auslande bezogen; doch mufste sich bei kleineren Maschinen Deutsch land mit Grofsbritannien in den Absatz theilen, während gröfsere Maschinen von hundert und mehr Pferdekräften überwiegend von Deutschland oder der Schweiz geliefert wurden, selbst einzelne für Baum wollspinnereien und Webereien, welche früher aus- schliefslich aus Grofsbritannien kamen. Die Baum wollindustrie bezieht ihren maschinellen Bedarf, wie Stühle und dergleichen, fast ausschliefslich aus Grofsbritannien, während bei der Lieferung von Maschinen für die Tuchfabriken und Wollenwebereien Deutschland wieder stärker betheiligt ist. Instrumente für Handwerker dürften von Deutschland mehr ein geführt worden sein, als von Grofsbritannien. Selbst in den feinsten Qualitäten, welche früher ausschliefs lich von dort bezogen wurden, hatte Deutschland fortschreitenden Absatz. Für ordinäre Instrumente macht sich schon die russische Concurrenz bemerkbar, die, wenn auch nur Waaren geringerer Qualität, doch bedeutend billiger liefert, als es den ausländischen Fabriken mit Hinzurechnung des Zolles und der Fracht möglich ist. Werkzeugstahl kommt zum gröfseren Theil von Grofsbritannien und Steiermark, doch ist auch von Deutschland solcher bezogen worden. Flachstahl für Federn wurde im Jahre 1892 noch in grofsen Mengen vom Ausland eingeführt, doch streben die russischen Fabriken danach, auch in der Fabrication dieses Artikels vorwärts zu kommen.