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Berichte über Versammlungen verwandter Vereine. Central verband deutscher Industrieller. Im Kaiserhof zu Berlin tagte am 11. Juni <1. J. eine Ausschufssitzung des Centralverbandes deutscher Industrieller, welche von dem II. Vorsitzenden, Com- merzienrath Hafs ler-Augsburg, geleitet und mit einem warmen Nachruf auf den verstorbenen Vor sitzenden, Geheimrath Schwartzkopff, eröffnet wurde. Generalsecretär Bueck erstattete darauf einen sehr eingehenden, interessanten Bericht, in welchem die hauptsächlichsten der die Industrie berührenden Fragen behandelt wurden. Im einzelnen sei aus diesem Bericht Folgendes hervorgehoben. Nachdem der Redner die Krankenkassengesetz novelle, das Telegraphengesetz, die Vorbereitung zur Chicagoer Weltausstellung, den gegenwärtigen Stand der Berliner Ausstellungsfrage u. a. m. besprochen, wendet er sich zur Erörterung der Handelsverträge, welche zum grofsen Bedauern der Industrie ohne eine Befragung der industriellen Kreise vorbereitet und abgeschlossen seien. Manche Industriezweige seien durch diese Verträge aufs schwerste geschädigt. Dennoch müsse anerkannt werden, dafs die Stetigkeit, bezüglich deren seitens der Reichsregierung durch den Staatssecretär Marschall v. Bieberstein bindende Erklärungen abgegeben seien, auch ihr Gutes haben werde. Erfreulich sei das Zustandekommen des Ge setzes, betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht, bedeutsam der Gesetzentwurf, betreffend die Tertiärbahnen. Auf dem Gebiete der Arbeiter- schutzgesetzgebung beklagt Redner, dafs einzelne Be stimmungen im hohen Grade geeignet seien, die Arbeiter zu schädigen, statt ihnen zu nützen. Ins besondere sei dies bei den Bestimmungen betreffend die jugendlichen Arbeiter der Fall, welche letztere von der Industrie in erster Linie mit Rücksicht auf die Eltern beschäftigt würden und die nunmehr infolge jener Bestimmungen vielfach keine Verwendung in der Industrie mehr finden könnten, da die Industrie es ablehnen müsse, unter so schwierigen Umständen jugendliche Arbeiter überhaupt anzunehmen. Die Berggesetznovelle giebt dem Redner Gelegenheit, das selbst von der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ abfällig besprochene Verhalten der Dasbach, Hitze uud Stötzel in das gebührende Licht zu setzen. Er beschäftigt sich sodann mit den Bestrebungen, betreffend die Arbeiter-Organisationen, die, wie die neuesten Vorgänge in England zur Genüge zeigen, das gute Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu untergraben im hohen Grade geeignet seien. Das geradezu brutale Verhalten, das die englischen Trade Unions in der letzten Zeit (siehe den Durhamer Arbeiterausstand) gezeigt, beweise zur Genüge, wie fälsch die Ansicht derjenigen sei, welche glauben, dafs die Arbeiter-Organisationen den Weg zum socialen Frieden bilden. Die unter staatlichem Schutze ge schaffene Stelle für Arbeiterwohlfahrt lasse leider eine Berücksichtigung derjenigen Vereine vermissen, in welchen, wie beispielsweise im Verein für die berg baulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund und dem Verein süddeutscher Baumwollindustrieller, praktische Wohlfahrtseinrichtungen ins Leben gerufen seien, und zwar in grofsartigstem Mafsstabe, schon zu einer Zeit, als der Staat die Socialpolitik noch gar nicht in sein Programm aufgenommen hatte. Betreffs der Organisation eines amtlichen Arbeitsnachweises legt Redner dar, dafs eine örtliche Regelung dieser Frage sehr segensreich wirken könne, wie beispiels weise dahingehende Einrichtungen in Berlin und Mülhausen zeigen, dafs aber eine Regelung durch das ganze Reich die gröfsten Bedenken habe, wie es denn auch nicht in den Rahmen der Unfallgenossenschaften passe, sie zu solchem Arbeitsnachweis heranzuziehen. Dafs man mit der Projectenmacherei auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes noch lange nicht am Ende an gelangt sei, beweise die Thatsache, dafs ein hoch stehender Beamter bereits das Vorhaben einer Arbeits- losen-Unterstützung durch eine Wochenrente bearbeitet habe. (Hört, hört!) Nachdem der Redner noch die weitere geschäftliche Thätigkeit des Centralverbandes besprochen, schliefst er seinen Bericht mit dem Hin weis darauf, dafs sich die wirthschaftlichen Verhält nisse in den letzten Wochen, namentlich wohl durch die Aussicht auf eine gute Ernte, etwas gehoben hätten. (Lebhafter Beifall.) In der an Buecks Dar legungen sich anschliefsenden Erörterung nehmen das Wort v. d. Wyngaert-Berlin, Generalsecretär Dr. B e u m e r-Düsseldorf, Generalconsul Russell-Berlin, Commerzienrath L u eg-Oberhausen undVopelius- Saarbrücken. Auf des Letztem Begründung wird folgender Beschlufs mit Bezug auf die Handelsverträge einstimmig angenommen: „Der Centralverband deut scher Industrieller kann sich mit den abgeschlossenen Handelsverträgen nur deshalb befreunden, weil durch dieselben nach den Ausführungen des Staatssecretärs des Aeufsern Frhrn. Marschall v. Bieberstein die Stetig keit der Tarife, welche die Sicherheit des wirthschaft lichen Lebens bildet, zu erwarten ist.“ Auf Antrag Dr. Beumers wird ferner einstimmig der Beschlufs gefafst, das Directorium des Centralverbandes zu er suchen , durch die Geschäftsführung alle Thatsachen sammeln zu lassen, welche den Beweis liefern, dafs die moderne Arbeiterschutzgesetzgebung — namentlich die auf die jugendlichen Arbeiter bezügliche — viel fach durch unzweckmäfsige und übertriebene Be stimmungen in erster Linie die Arbeiter zu schädigen geeignet ist. Dr. Beumer begründet diesen Antrag durch ein reichhaltiges Material bezüglich der Wirkungen des Bundesraths-Erlasses, betreffend die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in Walz- und Hammerwerken. Diese Wirkungen bestehen im wesentlichen darin, dafs die Werke, weil es aus betriebstechnischen Gründen unmöglich ist, jene Bestimmungen durch zuführen, jugendliche Arbeiter zu beschäftigen über haupt in Zukunft ablehnen werden, was einem geld lichen Nachtheil für die Arbeiterfamilien, einer bedenk lichen Förderung der jugendlichen Zuchtlosigkeit und einer bedauerlichen Erschwerung der Erziehung eines gutgeschulten Arbeiterstammes gleichkommt. Ferner wird der nachfolgende Beschlufsantrag des Commerzien- raths Buchwaldt angenommen: „Der Ausschufs überweist die Frage wegen Errichtung von deutschen Handelskammern im Auslande dem Directorium zur näheren Prüfung und eventuellen Berichterstattung in einer der nächsten Sitzungen.“ Ueber Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern in Spinnereien berichtet Commerzienrath Hafsl er-Augsburg. Wir heben aus dem eingehenden Bericht hervor, dafs die Spinne reien es schwer empfinden, dafs Nachmittags die Pausen für jugendliche Arbeiter in Spinnereien auch an den Samstagen und an den Vorabenden vor Festtagen gemacht werden müssen, obwohl die Arbeit an diesen Tagen schon um 5 Uhr Nachmittags ihr Ende erreicht und im ganzen höchstens 91/2 Stunden beträgt. Eine Abschaffung der Nachmittagspausen an solchen Tagen sei nur zu befürworten. Es wird beschlossen , beim Bundesrath in diesem Sinne vorstellig zu werden.