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um Hülfe anging, da die Arbeiter seiner Verbindung, im ganzen 28 000 Menschen, durch den Streike der Kohlenarbeiter in Durham, also ohne ihr Verschulden, an der Grenze des Verhungerns angelangt seien. Ein solcher Vorgang in England ist sicherlich bezeichnend. Bei dem Ende dieses traurigen Streikes wird man nicht umhin können, dem verständigen und zeitgemäfsen Eingreifen des Bischofs von Durham volle Anerkennung zu zollen; derselbe hat ein Beispiel für alle Diejenigen gegeben, welche sich für berufen halten, den Vermittler bei Streitig keiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitern zu spielen. Ungleich anderen Leuten, die sich in solchen Rollen gefielen, hat er, wie die englischen Zeitungen übereinstimmend berichten, sich sorgfältig enthalten, eine eigene Ansicht über ökonomische und technische Fragen abzugeben; auch hat er sich nicht für berufen erachtet, der einen oder der andern Partei Vorlesungen über die moralische Seite der geschäftlichen Angelegenheiten zu halten. Er wartete, bis die auszugleichende Frage einen Punkt erreicht halte, in dem eine Behandlung derselben Aussicht auf Erfolg versprach, und dann rief er beide Parteien an, im Interesse des Friedens und der Erleichterung des Elends, welches auf hülf lose und unschuldige Personen gebracht war, zu einer Verständigung zu gelangen. Er that dies ohne irgend einen Versuch, die Rechte der einen oder andern Partei festzustellen oder einer derselben einen besonderen Weg zu zeigen, den sie einzuschlagen habe. Die in den eingangs erwähnten Artikeln und in diesem Schlufswort behandelten Streikes zeigen, welche furchtbare Macht und Gewalt die Arbeiter organisationen besitzen und in wie rücksichts- und verständnifsloser Weise dieselbe verwendet und ausgenutzt wird. In dem Bewufstsein dieser Macht bringt die, Miners Federation “ die Werkstätten zum Stillstände, in denen über 300 000 Arbeiter thätig sind, um mit aberwitziger Ueberhebung den Versuch zu machen, die Wirkung der natür lichen Gesetze für die Preisbildung aufzuheben. Dieses Experiment mufste natürlich gänzlich fehl- schlagen, es war aber mit schweren Verlusten verbunden, nicht nur für die wirthschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen, sondern auch für Hunderttausende von Existenzen, die an der Sache selbst nicht betheiligt waren. Die 90 000 Kohlenarbeiter in Durham haben in der Zeit des Aufschwunges eine Lohnerhöhung bis zu 30 % gern hingenommen, sie weigern sich aber mit bornirter Hartnäckigkeit, anzuerkennen, dafs mit dem Niedergange auch die Löhne wieder weichen müssen. Sie betrachten den Kampf als persönlich gegen die Arbeitgeber gerichtet, von denen sie annehmen, dafs nur „Profitwuth“, wie unsere Socialdemokraten sich ausdrücken würden, sie abhält, die geforderten Löhne zu zahlen. Ihrem blöden Verstände erscheint es unfafsbar, dafs die Kohle nicht länger zu dem Preise verkauft werden kann, der es gestaltet hat, die hohen Löhne zu zahlen, unfafsbar, dafs, wenn der Unternehmer ohne Gewinn arbeitet, der Arbeiter nicht nur Aussicht auf Lohnherabsetzung, sondern sogar auf Arbeitslosigkeit hat. Sie können nicht be greifen, dafs dieselben wirthschaftlichen Gesetze, denen sie unterworfen sind, auch für den Arbeit geber Wirksamkeit haben, und in ihrer blinden Beharrlichkeit fügen sie sich selbst und Anderen unberechenbaren Schaden zu. Es wird aus Durham berichtet, dafs in mehreren Gruben die Arbeit überhaupt nicht wieder auf genommen werden wird, da sie vollständig be triebsunfähig geworden sind; bei anderen Gruben werden viele Monate vor Wiederaufnahme des vollen Betriebes vergehen und man schätzt, dafs von den 90 000, welche die Arbeit einstellten, etwa 20000 keine Beschäftigung finden werden. Der Verein für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund hatte seinen Geschäftsführer Hrn. Dr. Reismann beauftragt, über den Streike der Kohlenarbeiter in Durham an Ort und Stelle Forschungen anzustellen. Die Resultate seiner Studien wird Hr. Dr. Reismann demnächst veröffentlichen; in der Generalver sammlung des erwähnten Vereins hat er jedoch bereits einige Thatsachen mitgetheilt, welche in erschreckender Weise den Mifsbrauch darlegen, den die englischen Gewerkvereine mit ihrer Macht, namentlich in frivoler Anzettelung von Streikes, treiben. In vielen Fällen sind die Arbeiter zu Ausständen geschritten, welche lediglich den Zweck hatten, die Arbeitgeber zur Unterwerfung unter ihren Willen auf Gebieten zu zwingen, auf denen das Verfügungsrecht, nach sonstiger allgemeiner Auffassung, vollberechtigt allein dem Unternehmer und Arbeitgeber zusteht. Diese wurden von den übermüthigen Trades unions so zusagen depossedirt, und die Arbeitgeber in Dur ham erblicken einen theilweisen Ersatz für den grofsen, ihnen durch den Streike zugefügten Schaden in dem Umstande, dafs sie durch den über die Organisation ihrer Arbeiter erfochtenen Sieg wieder etwas mehr Herren im eigenen Hause, d. h. auf ihren eigenen Gruben, geworden sind. Es ist nicht zu verkennen, dafs diese schlimme Wendung in dem Verhalten der englischen Gewerk vereine sich vollzogen und aufserordentlich schnelle Fortschritte gemacht hat seit dem Auftreten der neuen, meist socialdemokratischen Trades unions. Diesen sind die Massen der sogenannten ungelernten Arbeiter bereits zugeströmt, und einer der alten Gewerkvereine nach dem andern capitulirt vor ihnen; so halten wir es für unzweifelhaft, dafs die Grubenarbeiter in Durham sich, nach ihrer Niederlage, der neuen socialdemokratischen „Miners Federation“ zuwenden werden. In Bezug auf alle diese Verhältnisse, schreibt T. S. Cree, ein englischer Industrieller und