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444 Nr. 9. STAHL UND EISEN.“ Mai 1892. n Dort wartete seiner die schwierige Aufgabe, ein } neues Patentgesetz in Vorschlag zu bringen, welches sowohl den zahlreichen berechtigten Wünschen der Interessenten als auch den Zugeständnissen der Reichsregierung entsprechen sollte. Dank dem weiten Blick, der grofsen Lebenserfahrung und gründlichen Menschenkenntnifs des Verstorbenen löste er diese Aufgabe zur Zufriedenheit, wenn er auch nicht alle Wünsche der Betheiligten, darunter auch einige in dieser Zeitschrift ausgesprochene, erfüllte. Immer hin hat er stets versucht, durch regen Verkehr mit zahlreichen Industriellen, durch wiederholten Besuch der Industrie-Centren Deutschlands und durch Bethei ligung an den die Patentfrage erörternden Versamm lungen technischer Vereine die Wünsche der Industrie aus erster Hand kennen zu lernen. Leider war es dem Verewigten nicht vergönnt, die Früchte seiner rastlosen Arbeit reifen zu sehen. Mitten in eifrigster Thätigkeit, ein halbes Jahr nachdem sein Werk, das neue Patentgesetz, in Kraft getreten war, raffte ihn der Tod hinweg. Ehre seinem Andenken 1 St. Wirthschaftliche Wünsche und officiöses Ungeschick. Die »Nordd. Allg. Ztg.« beschäftigt sich in ihrem Leitartikel vom 14. April Nr. 78 Abendausgabe mit den Kundgebungen industrieller Kreise über den Inhalt neuerer wirthschaftlicher Mafsnahmen wie über die »Methode« der Vorbereitung derselben. Betreffs der Handelsverträge wie der Novelle zum preufsischen Berggesetz habe man bedauert, dafs wichtige, tief in das wirthschaftliche Leben einschneidende Gesetze ihrem Inhalte nach so spät bekannt gegeben wurden, dafs die betheiligten Kreise nicht in der Lage waren, dazu Stellung zu nehmen und ihr Interesse geltend zu machen. Das officiöse Blatt spricht weiter die Vermuthung aus, dafs von den industriellen Kreisen die Beschwerde über die Methode der Beschwerde über den Inhalt der erwähnten wirthschaftlichen Mafs nahmen nur deshalb »auf den Weg mitgegeben wird, um dieselbe effectvoller zu machen«. Diese Bemerkung läfst deutlich erkennen, wie die Urtheile und Wünsche der zunächst betheiligten Interessenten an betreffender Stelle aufgenommen werden und wie wenig die Stimmung erkannt wird, die in jenen Kreisen mehr und niehr zur Herrschaft gelangt. In der von der »Nordd. Allg. Ztg.« erwähnten Gonferenz wurde festgestellt, dafs die Bergwerksinteressenten von den Oberbergämtern und Revierbeamten nur in ganz vereinzelten Fällen und in diesen nur über nebensächliche Dinge in Bezug auf die Novelle zum Berggesetz befragt worden sind. Hieraus ergab sich die Erkenntnifs, dafs es durchaus unzutreffend war, als der Handelsminister im Abge ordnetenhause sagte, er halte es für selbstverständlich, dafs, wenn die erwähnten Behörden über einen »so einschneidenden Gesetzentwurf« zu berichten haben, sie ihr Urtheil an die Centralinstanz nicht eher ab geben, als bis sie sich über die Stimmung der Be theiligten in den betreffenden Industriekreisen orientirt haben. Also gerade das Gegentheil von dem ist zu treffend, was an mafsgebender Stelle für selbstver ständlich gehalten wird; es sind demgemäfs bei einem Gesetze, das der Minister selbst als einschneidend bezeichnet, die zumeist Betheiligten nicht gehört worden. ! Die Officiösen haben ersichtlich keine Vorstellung von I der tiefen Erregung, welche sich der Betheiligten bei solcher »Methode« der Behandlung ihrer wichtigsten ' Interessen bemächtigt, sonst würden sie vielleicht [ davor zurückschrecken, in so herausfordernder Weise ! die als Ausdruck der begründeten Erregung ergangene ■ । Beschwerde als Effecthascherei zu bezeichnen, welche i lediglich bestimmt sei, die Beschwerde über den Inhalt wirkungsvoller zu machen. Diese Beschwerde hat i ohnedem ihre volle Begründung. Die amtliche Denk- | schrift von 1890 über die Untersuchung der Arbeiter- I und Betriebsverhältnisse in den Steinkohlenbezirken zur Zeit des grofsen Bergarbeiterausstandes hat die Klagen und Beschuldigungen der Arbeiter über die auf den Zechen herrschenden Zustände im allgemeinen als unberechtigt und als schnöde Verleumdungen und nur in ganz vereinzelten Fällen als begründet erwiesen. Bei vorurtheilsfreier Prüfung ist aber nicht zu ver kennen, dafs die Novelle sich als eine jenen unge rechtfertigten Klagen und Beschwerden auf den Leib geschnittene, weit über den Rahmen der für alle übrigen Industrieen mafsgebenden Gewerbeordnung hinausgehende Sondergeselzgebung für den Bergbau gestaltet, welche in jeder Zeile das tiefste Mifstrauen gegen den Arbeitgeber athmet. Die Officiösen sollten wirklich nicht so viel von dem »alten« und dem »neuen Gurse« reden, weil das nur zu Vergleichungen und Gegenüberstellungen Anlafs giebt, die gerade nicht zur Beruhigung der Gemüther dienen. Wenn es aber die Officiösen für zweckmäfsig erachten, immer wieder darauf zurückzukommen, dafs die Kundgebungen wesentlich gegen den »neuen Gurs« gerichtet seien, der sich in den betreffenden Fällen mit logischer Noth- wendigkeit aus dem »alten« ergeben, so müssen wir diese Logik als vollkommen verfehlt bezeichnen. Der von den Officiösen hier gemeinte »alte Gurs« hat seine Grundlage in den Worten der kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881, und zwar in dem Ausdruck der kaiserlichen Ueberzeugung, »dafs die Heilung der socialen Schäden nicht ausschliefslich im Wege der Repression socialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäfsig auf dem der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde«. Auf diese Grundlage ist die grofse socialpolitische Gesetz gebung aufgebaut worden, welcher die Industrie freudig zugestimmt hat und deren Durchführung nur durch die grofsen und schweren, von der Industrie gebrachten Opfer möglich ist. Aus jener Grundlage aber folgt nicht, dafs nunmehr der Weg der Repression gegen Unternehmer und Arbeitgeber zu üben sei; denn logische Folge einer Gesetzgebung, wie der hier in Rede stehenden, mufs und wird sein, dafs Kapital und Unternehmungsgeist von gewerblichen Anlagen zurückgescheucht werden, was das Gegentheil von »positiver Förderung des Wohles der Arbeiter« be deutet. Die »Nordd. Allg. Ztg.« bemerkt dann weiter, dafs es auf speciell handelspolitischem Gebiete nicht anders liege, dafs also auch hier logisch verfahren sei, da der autonome Tarif von 1879 geschaffen wurde, »damit« mankünftig aufGrund desselben zu günstigeren Bedingungen des internationalen Verkehrs gelangen könne. Wir wollen nicht in Abrede stellen, dafs, wenn auch dieses Ziel mit Hülfe des Zolltarifs von 1879 erreicht worden sein sollte, darin eine neue Verherr lichung des grofsen Mannes erblickt werden müfste, dem die deutsche Nation jenen Tarif zu verdanken hat. Errichtet in erster Reihe aber wurde der autonome Tarif zum Schutze der nationalen Arbeit, und dafs sie sich beschweren, kann denen nicht verdacht werden, die am eigenen Leibe erfahren müssen, dafs dieser Grundsatz durch die neuen Handelsverträge in manchen Beziehungen nicht erfolgreich verfochten oder bedenklich preisgegeben ist; wenigstens so lange sei es ihnen nicht verdacht, bis die in Aussicht ge- I stellten Segnungen der Verträge für das Ganze in I greifbarerer Weise als bisher vorliegen. Wir standen I und stehen den Handelsverträgen durchaus objectiv gegenüber. Neben den Bedenken, die von industriellen i Kreisen gegen die Handelsverträge erhoben werden, I werden auch die guten Seiten und die Vortheile der Handelsverträge vorurtheilsfrei gewürdigt. DemMinister