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Mai 1892. STAHL UND EISEN. Nr. 9. 405 einer Zugwirkung von 10,5 kg mit gröfserer Sicherheit widerstehen als Gufseisen einer Zug wirkung von 3,5 kg, insbesondere wenn es Stofs- Wirkungen ausgesetzt ist. Hieraus folgt, dafs bei grofsen Abmessungen ein Stahlgufsstück nur un gefähr ein Drittel so schwer zu sein braucht als ein Eisengufsstück, um die gleiche Tragfähigkeit als dieses zu besitzen. Etwas weniger günstig für die Benutzung des Stahls stellt sich das Ver- hältnifs bei kleineren Abgüssen, weil die Schwierig keit, gute Stahlgufsstücke zu liefern, rasch zu nimmt, wenn die Querschnitte dünn werden. Im allgemeinen werden kleinere Stahlgüsse kostspie liger ausfallen und weniger befriedigen als grolse. Während grofse Stahlgufsstücke in der That oft billiger sind, als wenn man Gufseisen benutzen wollte, treten kleinere nur dann mit Vortheil in Benutzung, wenn Gufseisen dem Zwecke überhaupt nicht entspricht. Bei Herstellung von hydrau lischen Gylindern, Kreuzköpfen und Kolben für grofse Maschinen, Vorwalzen, Walzwerksspindeln, Muffen, Walzengetrieben, Zahnrädern, Hammer gesenken, Schiffstheilen und ähnlichen Gegenstän den wird der Stahlgufs voraussichtlich rasch den Eisengufs verdrängen. Eine besondere Beachtung verdienen vielleicht die in jetziger Zeit in Stahl gufs gefertigten Zahnräder. Noch vor wenigen Jahren waren die Stahlgüsse so roh, dafs man gezwungen war, alle Zähne nachzuarbeiten. Die Schwierigkeit ist jetzt überwunden; und wenn auch Stahlgufsstücke niemals ganz so sauber als gute Eisengufsstücke ausfallen, finden doch unbe arbeitete stählerne Getriebe an vielen Orten mit gutem Erfolge Verwendung, und bei der Midvale Steel Company sind die gufseisernen Getriebe fast gänzlich durch jene ersetzt worden.“ In Vorstehendem sind die Mitlheilungen Gantts ziemlich unverkürzt wiedergegeben. Der Leser wird darin manchen schon bekannten Dingen be gegnen, hier und da wird der im Stahlgufs erfahrene Leser vielleicht geneigt sein, kleine Ein würfe zu machen, aber auch manche Gelegenheit zu nützlichen Vergleichen wird er voraussichtlich finden. In der an den Vortrag sich anschliefsen den Besprechung bestätigten die meisten Redner das Gehörte, ohne wesentlich Neues zu bringen; einige von Gantt selbst noch gegebene Ergän zungen sind bereits in den obigen Bericht ein gellochten. Die Zeitschrift »Stahl und Eisen« hat nun mehr nach französischer und nach amerikanischer Quelle über den jetzigen Stand des Stahlform gusses berichtet; es möge betont werden, dafs es Praktiker waren, welchen jene Mitlheilungen entstammten. Sehr wünschenswerth scheint es mir zu sein, dafs nunmehr auch die deutschen Praktiker der Stahlgiefsereien aus ihrer bisherigen Zurückhaltung heraustreten und an dem öffent lichen Meinungsaustausche über die Fragen ihres Faches sich betheiligen möchten. Die Zeit, wo die Kunst, brauchbare Stahlgüsse herzustellen, noch als ein Geheimnifs weniger Fabriken be trachtet wurde, liegt hinter uns, wie die jährlich wachsende Zahl der Stahlgiefsereien beweist. Im Eisengiefsereifache trägt Niemand Bedenken über die Vorkommnisse seines Betriebes, über die Fragen, welche hierbei auftauchen, sich öffentlich auszusprechen, hierdurch Anderen Belehrung zu geben und sich selbst Belehrung zu holen; über die Eigenschaften des gewalzten Flufseisens, über die Beziehungen seiner chemischen Zusammen setzung zu dem sonstigen Verhalten u. s. w. hat man seit Jahrzehnten praktische und wissenschaft liche Versuche angestellt und ohne Scheu ver öffentlicht. Niemandem ist daraus ein Nachtheil, sehr Vielen ein Nutzen erwachsen. Mehr und mehr drängen die Zeitverhältnisse dazu, auch dem Stahlgüsse, dem für die Giefserei benutzten Flufseisen, die gleiche Aufmerksamkeit zu wid men. Zahlreiche Fragen, sowohl das Herstellungs verfahren als die Eigenschaften des gegossenen Metalls betreffend, harren hier der Beantwortung. Möchten die deutschen Stahlgiefsereileute auch auf diesem Gebiete nicht hinter ihren ausländi schen Fachgenossen Zurückbleiben!