Volltext Seite (XML)
eben erstarrt ist und erst geringe Zähigkeit be sitzt. Können nun die Theile des Abgusses sich nicht frei innerhalb der Gufsform zusammenziehen, so reifsen sie an der Stelle ab, wo das Metall noch am heifsesten ist, da seine Festigkeit hier noch zu gering ist, um den Widerstand zu über winden, welchen das Material der Gufsform dem Schwinden entgegensetzt. Wo starke und schwache Theile eines Abgusses zusammentreten, ist es oft fast unmöglich, die Entstehung solcher Risse zu verhindern. Alle innere Ecken an den Abgüssen sollten daher reichlich ausgefüllt werden, da gerade in scharfen Ecken vorzugsweise sich leicht Risse bilden. Die Neigung der Abgüsse zum Reifsen macht es sehr wünschenswerth, so einfache Formen als möglich zu wählen. Kleine Vorsprünge, Knaggen und Ohren sollten thunlichst vermieden werden, da man nie mit Sicherheit weifs, ob, der Abgufs hier nicht fehlerhaft ist, bis das betreffende Stück abbricht. Um die Entstehung solcher Risse zu ver meiden, legt man an der gefährlichen Stelle wohl eine Gufsschale aus Eisen (bracket, pin) ein, welche hier das Metall rascher zum Erstarren bringt und dadurch widerstandsfähiger bei der später eintretenden Schwindung der übrigen Theile macht; in der Giefserei, welcher der Vortragende vorsteht, wird in jede scharfe innere Ecke eine dicke Leiste eingelegt. Trotzdem kommen Gufs- stücke vor, welche äufserlich vollständig dicht zu sein scheinen, beim Durchtheilen aber sich den noch als unganz erweisen. Die Hauptursache der Schwierigkeiten, welche die Erfüllung der vom Marineministerium (Navy Department) der Vereinigten Staaten für die Lie ferung von Stahlgufsstücken gestellten Bedingungen bereitet, ist, dafs die Zeichnungen nicht mit Rück sicht auf die Vermeidung der Schwierigkeiten beim Giefsen, sondern lediglich mit der Rücksicht auf thunliebste Ersparung an Gewicht gefertigt werden. Die Folge davon ist, dafs die Gufsstücke oft sehr wenig einfach gestaltet sind, und da die Herstellung eines solchen neuen Gufsstückes jedes mal ein Versuch ist, fallen sie kostspielig aus. Gar oft kommt der Fall vor, dafs der Giefser Alles thut, um die Entstehung von Schwindungs hohlräumen im Innern der Gufsstücke zu ver meiden, dafs aber die Form der letzteren eine solche ist, welche ein ununterbrochenes Nach- fliefsen von Metall aus dem Kopfe nach dem Innern unmöglich macht; und der Hohlraum wird entdeckt, wenn das Gufsstück bricht. Stahl giefser sollten sich weigern, solche Abgüsse zu fertigen, von denen sie mit Sicherheit voraussagen können, dafs sie gefährliche Hohlstellen enthalten werden; oder sie sollten wenigstens ihre Auftraggeber hierauf aufmerksam machen und sie, wenn mög lich, zu einer Aenderung der Zeichnung veran lassen. Zeichner, welche im Stahlgüsse keine Erfahrung besitzen, sollten, wenn es sich um gröfsere und wichtigere Gufsstücke handelt, zuvor erfahrenen Leuten ihre Entwürfe vorlegen, ehe die Modelle gefertigt werden, da oft geringfügige Aenderungen in den Entwürfen genügen, um die Erzielung brauchbarer Abgüsse zu erleichtern. Ungeglühter Stahlgufs ähnelt in seinem Ver halten überhitztem geschmiedetem Stahl. Seine hauptsächlichste Eigenthümlichkeit ist seine Sprö digkeit, wenn er Stöfsen ausgesetzt wird. Harte Gufsstücke besitzen diese Eigenschaft in so starkem Grade, dafs verlorene Köpfe mitunter abspringen, wenn man den Eingüfs abschlägt, und in diesem Falle pflegt fast immer ein grofses Stück des Gufsstückes selbst mit abzureifsen. Solche Ab güsse werden, vorausgesetzt, dafs sie nicht einen allzu hohen Gehalt von Mangan und Silicium besitzen, durch Glühen zäh und verläfslich, während ihre Bruchfläche eine feinkörnige Beschaffenheit annimmt. Eine andere Wirkung des Ausglühens ist die Ausgleichung der beim Abkühlen entstan denen Spannungen. Diese Spannungen sind oft so beträchtlich, dafs das Gufsstück infolge davon mit lautem Krach zerspringt; und zwar nicht allein beim harten, sondern auch beim kohlen stoffarmen Stahle. Als ein Beispiel hierfür möge das Zerspringen eines grofsen Getriebes von 8000 Pfund Gewicht mit 0,34 % Kohlenstoff erwähnt werden. Es war seit mehreren Tagen gegossen und ungefähr zur Hälfte geputzt. Eines Abends verliefs man es in vollständig gutem Zustande, und am nächsten Morgen fand man den einen Arm in der Mitte durchgerissen. Folgende Ziffern lassen den Einflufs des Aus glühens auf die Festigkeitseigenschaften des Stahl gusses erkennen: * Kohlenstoff gehalt °/o Ungeglüht Geglüht Zugfestig keit auf 1 qmm kg Längenaus dehnung °/o Zugfestig keit auf 1 qmm kg Längenaus dehnung 0/0 0,23 48,3 22,40 47,2 31,40 0,37 60,1 8,20 57,8 21,80 0,53 63,3 2,35 74,8 9,80 Die ungeglühten und geglühten Stücke von gleichem Kohlenstoffgehalt waren gemeinschaft lich in derselben Form dicht nebeneinander aus einem und demselben Eingusse gegossen. Die Ziffern lassen den Vortheil des Ausglühens erkennen; bei harten Gufsstücken ist es gänzlich unentbehr lich. Grofse Abgüsse aber bedürfen, um gut aus geglüht zu werden, nahezu einer Woche.** * Die in der englischen Abhandlung angegebenen Belastungen in Pfunden aufl Quadratzoll sind nach dem Verhältnifs: IPfund auflQuadratzoll = 0,000703kg auf 1 qmm in das bei uns gebräuchliche Mafs umgerechnet. ** Auf welche ursprüngliche Länge die gefundene Längenausdehnung bezogen wurde, ist nicht ange geben; aus einer unten folgenden weiteren Mittheilung läfst sich jedoch schliefsen, dafs sie nur 50 mm be trug. Daher sind die Ziffern höher, als wenn man die in Deutschland übliche gröfsere Abmessung (200 mm) zu Grunde gelegt hätte.