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376 Nr. 8. „STAHL UND EISEN.“ April 1892. Die Enttäuschungen, die wir durch die Handels verträge für unsern erweiterten Absatz zu er fahren hatten, lenkten von neuem die Thätigkeit des Vereins auf die Verbilligung unserer ein heimischen Eisenbahn - Güte r t a r i f e. Das einstimmig abgegebene Gutachten des Landeseisenbahnraths vom 22. Mai 1891, be treffend die Frachtermäfsigungen für Kohle, Koks und Erze, hat die Eisenindustrie freudigst begrüfst; man war daher um so härter enttäuscht, als bekannt wurde, dafs die Staatsregierung den vor geschlagenen Tarifermäfsigungen die Genehmigung unter dem Hinweis versagt habe, »die allgemeine Finanzlage gestatte zur Zeit nicht, mit Fracht- ermäfsigungen vorzugehen, bei welchen mit der Möglichkeit vorübergehender Einnahmeausfäile von erheblicher Bedeutung zu rechnen sein würde«. Wir haben zuzugestehen, dafs die vom Landeseisen- bahnrath vorgeschlagenen Frachtermäfsigungen für kürzere Zeit allerdings einen, wenn auch nicht erheblichen, Ausfall in den Einnahmen der Staatsbahnen zur Folge haben konnten. Ohne Zweifel würde jedoch nach Verlauf von ein, höchstens zwei Jahren der Verkehr so gestiegen sein, dafs der Ausfall nicht blofs gedeckt, son dern, wie dies bei den meisten Tarifermäfsigungen hat beobachtet werden können, sogar eine Mehr- einnahme erzielt worden wäre. Hiervon jedoch ganz abgesehen, ist darauf aufmerksam zu machen, dafs bei den Verhandlungen über die Verstaat lichung der Bahnen im Abgeordnetenhause aus drücklich betont und von der Staatsregierung zugesagt worden ist, dafs die Ueberschüsse des Staatsbahnbetriebes für andere Staatszwecke nicht verwendet werden, sondern nur der Hebung des Verkehrs und der Entwicklung der Industrie dienen sollen. Die Ermäfsigung der Transport sätze für die Rohstoffe, wie solche der Landes- eisenbahnrath vorschlägt, ist als eine der ersten Vorbedingungen für die Förderung der Industrie zu betrachten und ganz besonders gilt dies für die Eisenindustrie, die, mit einem erheblichen Theile ihrer Erzeugnisse auf den Export an gewiesen, den letzteren nur dann aufrecht halten kann, wenn ihr in den Frachtsätzen für den Transport ihrer weit voneinander abgelegenen Rohstoffe an Kohlen, Erzen und Steinen wenig stens ein Theil der Erleichterungen gewährt wird, deren sich die ausländische Concurrenz erfreut. Wir haben daher unter dem 30. November 1891 j beantragt, »dafs dem Gutachten des Landes- i eisenbahnraths vom 22. Mai 1891 in ; kürzester Frist Folge gegeben werde«. Dankend ist zu erwähnen, dafs in den deut sehen Staaten auch in dem verflossenen Jahre durch die Erweiterung des Eisenbahn netzes, das Legen zweiter bezw. dritter und vierter Geleise, durch Bahnhofsneu- und Umbauten, Ergänzung des rollenden Materials an Locomotiven und Waggons u. s. w. umfangreiche Bestellungen — wenn auch zu weichenden Preisen — erfolgt sind. Es bleibt jedoch nach wie vor zu wünschen, dafs — ent sprechend den neuesten Forderungen der Technik und mit Rücksicht auf die Sicherheit und An nehmlichkeit der Reisenden — die Anwendung schwererer Schienen nicht länger beanstandet und an Stelle der Holzschwelle der eiserne Unterbau gröfsere Berücksichtigung finden möge. Zur Zeit ist der Verein damit beschäftigt, für eine neue Eingabe das entsprechende Material zu sammeln.“ Es folgen sodann Mittheilungen über die social politische Gesetzgebung und über andere Gesetz entwürfe. Betreffs eines Warrantgesetzes heifst es im Bericht: „Unsere Besorgnisse über den Erlafs eines Warrantgesetzes, dem auch die Artikel der Eisenindustrie zu unterwerfen gewesen wären, scheinen bis auf weiteres beseitigt zu sein, da der bereits bearbeitete Entwurf dem gegenwärtig berufenen Reichstag nicht vorgelegt worden ist. Die schlimmen Erfahrungen, die in England im Laufe der letzten 12 bis 15 Monate wiederum mit den Roheisen-Warrants gemacht worden sind, haben die Richtigkeit unserer eindringlich geltend gemachten Bedenken von neuem bestätigt. Der Preis von Glasgow-Warrants betrug im Januar 471/12 sh., fiel im April bis auf 421/2, erhob sich Ende Mai infolge von abermals wilden Speculationen plötzlich auf 59, fiel nach wenig Tagen wiederum auf 45,6 und schlofs mit stetig weichender Tendenz im December mit nominell 43 sh. Im Februar 1892 gelang es der Baisse partei, den Preis plötzlich bis auf 38 1/2 zu werfen, worauf in der zweiten Hälfte desselben Monats eine wenn auch nur kleine Preissteigerung bis 40 sh. eintrat. Derartige sprungartige Preis bewegungen mögen dem waghalsig speculirenden Kapitalisten und Börsenmann je nach dem Erfolg willkommen sein, für die regulär fortarbeitende Industrie sind sie geradezu ein Unglück.“ Seitens der Generalversammlung werden Be merkungen zu dem Bericht nicht gemacht. — Die Revisions - Commission hat die Jahres rechnung geprüft und richtig befunden. Auf Antrag der Commission spricht die Ge neralversammlung einstimmig die Decharge aus. Auf Antrag des Vorstandes bezw. des Prä sidiums wird mit allen Stimmen beschlossen, für das laufende Vereinsjahr wiederum 4pro Einheit als Beiträge zur Deckung des Vereins bedarfs zu erheben. Weitere Anträge liegen nicht vor und wird hierauf die Generalversammlung geschlossen.