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Bücherschau. Dr. v. Rüdiger, Reg.- und Gewerberath, Weg weiser zur Aiifstellrmg von Arbeitsordnungen Berlin 1892. C. Heymann. 2 6. Zu der Hochfluth der Literatur, welche das Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891 hervorgerufen hat, kommt augenblicklich eine Massenerzeugung von Broschüren, in denen den Behörden, Arbeitgebern und Arbeitern gute Bathschläge betreffs der neu aufzustellenden Arbeitsordnungen ertheilt werden. Zu den Verfassern dieser Rathschläge gehören in erster Linie die Gewerberäthe, denen namentlich das Kapitel der »Arbeiterausschüsse« ein willkommenes Feld ist, um auf demselben zu zeigen, was der In dustrie zur Erlangung des »socialen Friedens« noth thut. Wir haben keine Veranlassung, uns eingehender mit diesen Broschüren zu beschäftigen, da seitens des »Vereins deutscher Eisenhüttenleute« eine Normal arbeitsordnung aufgestellt worden ist, welche den be stehenden Bedürfnissen der Eisen- und Stahlindustrie vollkommen genügt und anderweitigen Rath über flüssig erscheinen läfst. Auch mit dem vorstehend angezeigten Werkchen des Gewerberaths für Potsdam würden wir uns nicht befafst haben, wenn dasselbe nicht eine Behauptung betreffs der Arbeiterausschüsse enthielte, die wir richtig zu stellen uns nicht versagen können. Auf S. 30 behauptet der Verf., dafs „die Gutachten und Berichte über die Wirksamkeit von Arbeiterausschüssen allgemein günstig lauten“ und fügt hinzu: „Nur vereinzelt haben Vereine von Arbeitgebern gegentheilige Meinungen geäufsert. In erster Linie waren dies: der »Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen der Saarindustrie« und die »Südwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller«, welche im December 1889 in ihrer Generalversamm lung durchaus ablehnend gegen den § 134 d des Gesetzentwurfs, betr. Abänderung der Gewerbeordnung, und gegen die Errichtung von Arbeiterausschüssen sich erklärte. Aehnlich verfuhr der »Centralverband deutscher Industrieller zur Beförderung und Wahrung nationaler Arbeit« in seiner Delegirten-Versammlung im Mai 1890 und späteren Kundgebung (Denkschrift vom 25. November 1890). Endlich wurde auch im Reichstage von einer Seite die Institution der Arbeiter ausschüsse bekämpft.“ Diese Liste ist zunächst nicht vollständig; es fehlen darin z. B. die unsere nieder rheinisch-westfälische Eisen- und Stahlindustrie ver tretende »Nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller«, sowie der »Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirthschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen«, dessen Existenz und Bedeutung zur Noth auch dem Hrn. Gewerberath für Potsdam bekannt sein könnte. Welche anderen Vereine werden nun als »arbeiterausschufsfreundliche« dieser Liste von dem Verfasser entgegengestellt? Die Ant wort lautet: „Der »Verein anhaitischer Arbeitgeber« (1887), der »Verein der Arbeitgeber des Amtsbezirks Mittweida« (1887), der »Linksrheinische Verein für Gemeinwohl« (1888), der »Verband keramischer Ge werke in Deutschland« (1889).“ Wer diese beiden Listen miteinander vergleicht, wird sich über die Be deutung der einen und der andern nicht lange im Unklaren sein. Unsere Bedenken gegen die Errichtung von Arbeiter ausschüssen haben wir in »Stahl und Eisen« (1890, Augustheft Seite 726 ff.) ausführlich dargelegt durch Wiedergabe der betr. Verhandlungen des »Vereins für Gewerbfleifs«, in welchem Fabrikbesitzer Dopp und Commerzienrath Kühnemann, welch letzterer einen Arbeiterausschufs in seinem Werke eingerichtet hatte, denselben aber wieder aufzuheben sich gezwungen sah, aus der Erfahrung des praktischen Lebens heraus für Grofsbetriebe die Errichtung solcher Ausschüsse durch aus bekämpften. Auch heute noch sind wir der Meinung, dafs in Industriecentreii, wo ein Arbeitgeber und ein Arbeitnehmer nicht gegenseitig aufeinander so angewiesen sind und wo leider nicht so idyllische Zu stände herrschen können, als auf einem abgelegenen Industriedorfe, wiez. B. in Kotzenau in Schlesien, die Verhältnisse viel schwieriger liegen und dafs hier der Arbeitgeber das, was sein College in Kotzenau oder ähnlichen Orten sich unbedenklich in dergleichen harmlosen Experimenten erlauben darf, durchaus nicht kann und — in aufgeregten Zeiten — sogar nicht darf im Interesse eben einer friedlichen Entwicklung unserer Industrie, der in den Arbeiterausschüssen der Grofs betriebe, wie das Commerzienrath Kühnemann treffend nachgewiesen, gefährliche Agitatoren erwachsen können. In dieser unserer Ansicht hat uns auch der »Rathgeber« des Hrn. Dr. v. Rüdiger nicht irre machen können. Dr. W. Beumer. Industrielle Rundschau. Zu der Vergebung von Staatsbahnlieferungen ins Ausland. In Anknüpfung an den im gegenwärtigen Heft* enthaltenen gröfseren Artikel »Krieg gegen die Schienenzölle« verzeichnen wir an dieser Stelle fol gende Mittheilung, welche die »Berl. Börsenztg.« in ihrer Nr. 105 vom 5. März d. J. bringt: „Bei der am 30. Januar in Erfurt stattgehabten Submission auf 30 Gepäckwagen wurde von dem Verbände der 12 vereinigten deutschen Waggonfabriken ein Preis von 5185 , von Seiten der aufser dem Verbände stehenden 9 deutschen Waggonfabriken ein Preis von 5100 von einer ausländischen Firma (Scandia in Randers) ein Preis von 4450 Al abgegeben, * Siehe S. 287. und von der Direction Erfurt wurde der letzteren ausländischen Firma wegen der Differenz von 650 resp. 735 • der Zuschlag ertheilt. Dem Vortheile, welcher dem Fiscus hieraus erwächst, und der unter Zuziehung des zu entrichtenden Zolles 917 Al pro Wagen resp. in Summa 27 510 Al beträgt, steht als Verlust, welchen die deutschen Producenten erleiden, der ganze Wagenpreis von 5100 Al. resp. in Summa 153 00O Mark gegenüber, die sich ausschliefslich aus in Deutschland producirten Materialien, an deutsche Arbeiter bezahlten Löhnen und dem kaufmännischen Nutzen zusammensetzt. Sollte die Scandia die zu den Wagen nölhigen Eisen aus Deutschland beziehen, so, würde sich dieser Verlust von 153 000 Al um den Werth des Eisens im Gewichte von 5200 kg um 20 280 Al auf 132 720 Al reduciren. Immerhin würde in diesem Falle trotz Nutzen an Zoll und billigem