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212 Nr. 5. .STAHL UND EISEN.“ März 1892. mufste daher auch der Panzer an Dicke wachsen. | Aber man gelangte auf diesem Wege bald an die oben bezeichnete Grenze nautischer Möglich keit. Die Verwendung eines Panzermaterials von gröfserer Festigkeit und Härte blieb als einziges Mittel, die Widerstandskraft des Panzers zu steigern : und dessen Dicke und Gewicht auf ein be- ' scheideneres Mafs zu beschränken. Bereits 1867 waren Stahlplatten, aber mit negativem Erfolge, ihrer grofsen Sprödigkeit j wegen, versucht worden. Es war daher ein ganz richtiger Gedanke des Ingenieurs Wilson in der Firma Gam mell & Co. in Sheffield, auf eine glühende Platte aus zähem Schmied eisen eine Platte aus Stahl so aufzugiefsen, dafs beide durch Verschmelzung fest verbunden wurden. Die nach aufsen gekehrte Stahlplatte erschwert durch ihre gröfsere Festigkeit und Härte das Ein dringen des Geschosses, während die Verschmelzung mit dem dahinterliegenden zähen Schmiedeisen ihr Zerklüften und Abbröckeln verhindert. Die | ersten derartigen Compoundplatten wurden in den : Jahren 1877 — 79 in Shoeburyness beschossen. : Seit jener Zeit hat sich ihre Herstellung in Eng land, demnächst in Deutschland und auch in Rufsland erfolgreich entwickelt. Die Widerstands fähigkeit der Compoundplatten, deren Stahlschicht etwa halb so dick ist als die Eisenschicht, wird } um 25 % höher gerechnet, als die einer gleich I dicken gewalzten Schmiedeisenplatte. Die tech- ; nische Schwierigkeit in der Herstellung guter Com poundplatten liegt in der innigen Verschweifsung des Stahls mit dem Eisen; wie schwer dies zu erreichen ist, das zeigt die bei dem Schiefsver- such zu Annapolis beschossene Cammell platte, die doch von der Geburtsstätte der Compoundplatten, aus einer Fabrik stammt, welche die reichsten Erfahrungen in der Fabrication von Panzerplatten besitzt. Während in englischen Fabriken die Her stellung von Compoundplatten sorgsame Pflege fand, wendete man sich in Frankreich und besonders Schneider in Creuzot der Verwendung des Stahls zu. In Frankreich und Italien haben im Laufe der Jahre Schiefsversuche gegen Stahlplatten stattgefunden, die eine stetig wachsende Wider standsfähigkeit der letzteren erkennen liefsen und dieserhalb der italienischen Regierung Veran lassung waren, die Herstellung von Stahlplatten zur Panzerung ihrer grofsen Schlachtschiffe in den eigenen Fabriken zu Terni selbst in die Hand , zu nehmen. Es ist mit solchem Erfolge gelungen, dafs die italienische Marine in dieser Beziehung unabhängig vom Auslande ist. Die nach Herstellung eines Panzers aus wider standsfähigerem Material drängende Bewegung hat andererseits auch zu lebhaftem Meinungs austausch geführt und viel zur Klärung der Panzer frage beigetragen. Es wird von den Fabricanten selbst zugegeben, dafs es unmöglich ist, eine gröfsere Anzahl von Compoundplatten von gleicher Güte herzustellen. Gleichen Schwankungen ist aber auch die Güte des Stahls unterworfen. Die Fabrication der Compoundplatten leidet daher ebensowohl unter der Schwierigkeit eines sicheren Aufscbweifsens des Stahls auf die Eisenplatte, wie unter der Herstellung eines Stahls von stets gleicher Güte. Das bisherige Compoundsystem hat indefs nach heutiger Anschauung die gröfste Schwäche in der Verwendung weichen Eisens als Hinterlage für die stählerne Stirnplatte. Schon Gruson machte seiner Zeit darauf aufmerksam, dafs es für die Wirksamkeit einer Panzerung noch ein anderes, dem von den Eng ländern aufgestellten genau entgegengesetztes Princip gebe, es besteht darin, dem Panzer eine solche Härte zu geben, dafs den Geschossen jedes Eindringen in denselben unmöglich gemacht wird. Gruson hat, wie bekannt, diese Aufgabe mit seinen Hartgufspanzerungen zwar einseitig für Befestigungen am Lande, aber hier doch seiner Zeit mit ausgezeichnetem Erfolge gelöst. Ein seitig ist die Lösung insofern, als die Wirksam keit des Hartgufspanzers auf seiner gewölbten Form und verhältnifsmäfsig grofsen Masse beruht. Beide Bedingungen schliefsen ihn zur Bekleidung der Seitenwände von Schiffen völlig aus; ob aber nicht Hartgufskuppeln zu Panzerthürmen auf Schiffen doch verwendbar sein sollten, das möchten wir nicht ohne weiteres verneinen. Wenn wir es vermeiden, auf Erörterungen hier über einzugehen, so geschieht es, weil es uns augenblicklich näher liegt, das jenem Panzer zu Grunde liegende Princip auf den Stahl zu über tragen. Die Technik versteht es heute, dem Stahl eine Härte zu geben, die der des Hartgusses nicht nachsteht; es handelt sich also nur noch darum, mit der Härte eine solche Zähigkeit zu paaren, dafs durch sie das in der Wölbung und grofsen Masse liegende Widerstandsvermögen des Hartgufspanzers ersetzt wird. Gelingt dies, so wird das Geschofs bei seinem Auftreffen auf den Panzer entweder zertrümmert und hierbei seine Arbeitskraft auf gebraucht, oder das Geschofs wird nach einem mehr oder weniger tiefen Eindringen in den Panzer stecken bleiben, sich todt laufen, oder, wie es bei den Schiefsversuchen in Amerika häufig geschah, zurückgeworfen werden. Härte und Zähigkeit — gleichwerthig in höchstem Grade — in einer Platte zu vereinigen, ist das Ideal, aber ein noch ungelöstes Problem. Jede Panzerplatte ist mit mehr oder weniger Absicht ein Gompromifs, eine der beiden Eigenschaften ist im Ueberschufs vorhanden; welche derselben, das ist meist Ansicht der Fabricanten. Ingenieur Barba von der Firma Schneider & Go. in Creuzot hält das Zerbrechen einer Platte für einen viel geringeren Nachtheil, als das Durchschossenwerden; er findet in seiner An sicht heute wachsende Zustimmung, solange wir