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142 Nr. 3. STAHL UND EISEN.“ Februar 1892. liehen automatischen Kupplung, sowie der Westing house-Bremse. Die neueren Fortschritte der nordamerikanischen Eisenbahnen sind vorzugsweise auf die Steigerung der Leistungen in Verbindung mit einer Verminderung der Selbstkosten gerichtet. So wird die Leistung der Locomotiven dadurch auf das Doppelte und darüber gesteigert, dafs dieselben nicht von einem bestimmten, aus einem Locomotivführer und einem Heizer be stehenden Personal, wie dies bei uns, mit Ausnahme der Rangirmaschinen, stattfindet, sondern von meh reren Personalen gefahren werden und in der Regel 8 Tage lang im Feuer bleiben. Bei diesem Verfahren kann natürlich ein Ma schinenmangel , wie er bei uns im vorigen Winter vorgekommen ist, leichter vermieden werden. Was die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Güterwagen parks betrifft, so wird dieser Zweck einerseits durch die hohe, 20 bis 30 t und sogar noch mehr betra gende Tragfähigkeit, andererseits durch Einrichtung der Wagen zur Selbstentladung in hohem Mafse be günstigt. Die für den Kohlen- und Erzverkehr die nenden offenen Güterwagen sind in gleicher Weise, wie auf den englischen Bahnen und wie auch früher auf der Saarbrücker und Nassauischen Bahn, mit Seiten- und Bodenklappen versehen, welche ein rasches Entladen an jeder Stelle der auf entsprechenden Ge rüsten liegenden Ausladegeleise gestatten. Aufserdem sind insbesondere die Ent- und Beladungsvorrich- tungen in den Häfen, der Grofsartigkeit der amerika nischen Verkehrsverhältnisse entsprechend, für die höchsten Anforderungen des Verkehrs eingerichtet. Diese Bestrebungen der nordamerikanischen Eisenbahnen auf Erhöhung der Leistungen unter Ver minderung der Selbstkosten haben zur Folge, dafs die Personenfahrgeldsätze im Verhältnifs zu dem persön lichen Verdienst der Arbeiter und Handwerker immer noch erheblich billiger sind, als bei uns, dafs die nordamerikanischen Bahnen im Güterverkehr eben falls niedrigere Frachtsätze als auf den deutschen Bahnen erheben, und dieser Unterschied um so be deutender ist, als auf den nordamerikanischen Bahnen keine Expeditionsgebühren erhoben werden, und dafs ferner auch die amerikanischen Schiffsfrachten in folge der grofsartigen und zweckmäfsigen Hafen anlagen, welche die Ent- und Beladung der Schiffe in der kürzesten Zeit gestatten, erheblich billiger als bei uns sind. Da wir es im Wettbewerb mit Nord amerika mit einem Gegner zu thun haben, der uns an Intelligenz gleich, an Energie aber weit überlegen ist, der überdies durch einen fast unerschöpflichen Reichthum des Bodens, sowohl in Bezug auf die Landwirthschaft, wie in betreff des Reichthums an Kohle und Erzen begünstigt vird, so erscheint es von Wichtigkeit, den nordamerikanischen Eisenbahnen wie den Verkehrsverhältnissen überhaupt eine fort dauernde und eingehende Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bisher ist hierbei, wenn wir von dem vorjährigen Besuch Nordamerikas seitens unserer Eisenhüttenleute absehen, vorzugsweise die technische Seite in Betracht gezogen. Da aber das Nachahmenswerthe der nord amerikanischen Verkehrseinrichtungen nicht allein auf technischem Gebiet liegt, so dürfte es von grofsem Vortheil sein und auch die Einführung der technischen Fortschritte erleichtern, wenn auch höhere Verwaltungs beamte unserer Staatseisenbahn-Directionen zu einer Studienreise nach Nordamerika abgesandt würden. Es dürfte dies zugleich eine willkommene Gelegenheit bieten, auch die Verwaltungseinrichtungen der nord amerikanischen Eisenbahnen, welche ihre Geschäfte in einfacher und rascher Weise mit einem nach unseren Begriffen sehr geringen Aufwande an Hülfs- personal und Schreibwerk leiten, näher kennen zu lernen. V.-C. Die Eisenbahnen in Europa. In »Engineering« finden wir nachstehende lehr reiche Uebersicht über die Gröfse der Eisenbahnnetze in europäischen Ländern in den Jahren 1870, 1880 und 1890. 1870 .1880 1890 km km km Deutschland 18 766 33 109 39 752 Grofsbritannien . . . . 24 859 28 693 32 117 Frankreich 17 827 24 440 35 038 . 11 356 22 441 28 150 Oesterreich-Ungarn . 9 515 16 790 25 748 Italien . 6 120 8 544 12 528 Belgien . 2 878 3 838 4 281 Holland . 1 398 1 829 2 611 Schweiz ...... . 1 368 2 754 2 990 Norwegen 358 1 043 1 555 Schweden . 1 742 5 846 7 806 Dänemark . . . . . 752 1 560 1 938 Spanien . 5 440 7 280 9 522 Portugal 710 1 136 1 901 Rumänien . . . . . 243 1 374 2 459 Türkei 631 1 163 1 638 103 963 161 840 210 034 Neuerungen in amerikanischen Stahlwerks- Einrichtungen. Zufolge Mittheilungen in »Iron Age« ist in der neuen Anlage der Maryland Steel Go. in Sparrows Point* bei Baltimore eine Neuerung im Bessemer betrieb mit solchem Erfolg eingeführt worden, dafs sie auch demnächst in den Edgar Thomsonschen Werken (Carnegie Bros.) in Braddock Anwendung finden soll. Bei der gebräuchlichen Betriebsweise, so schreibt unsere Quelle I. a. , entleert der Converter nach vollendetem Blasen seinen Inhalt in eine Pfanne, welche von einem hydraulischen Auslegerkrahn ge halten wird, dessen Säule-in der Mitte einer wenig tiefen Giefsgrube steht, wobei am Umfang der letzteren die Goquillen angeordnet sind. Bei der neuen Ein richtungsweise fällt die Giefsgrube fort und werden die Coquillen auf Wagen dem Giefskrahn zugeführt. Dort werden sie vollgegossen und behufs Entfernung der Blöcke wiederum weggefahren. In Sparrows Point soll das neue System, das sich durch Ersparnifs an Löhnen und an Zeit in der Behandlung der Blöcke und Goquillen auszeichnen soll und das unseres Wissens in Deutschland zwar in Vorschlag, aber nicht zur Ausführung gekommen ist, sich vortrefflich be währt haben, selbst dann, wenn der Ausflufs aus der Pfanne durch einen Unfall besonders stark war, oder wenn es im Nothfall darauf ankam, den Stahl oben über die Schnauze abzugiefsen anstatt ihn abzustechen. Gjerssche Ausgleichungs-(Durchweichungs-)gruben sind ebenfalls in Sparrows Point probeweise eingeführt worden, es zeigt sich aber die merkwürdige Erschei nung, dafs dieselben hier ebenso wie an anderen Orten Amerikas sich nicht bewährten und durch mit Gas gefeuerte Gruben ersetzt werden mufsten, während sie bekanntlich in Deutschland und England überall mit grofsem Erfolg arbeiten. Im Schienenwalzwerk in Sparrows Point hat man gefunden, dafs das Walzen von sechsfachen Längen von Schienen auf einem Trio vollkommen gut von statten ging. Die bemerkenswertheste Neuerung im Walzwerksbetrieb ist indessen auf den Werken von Edgar Thomson eingeführt worden, indem man dort auf einer Vorwalze gleichzeitig mehrere Stücke walzt. * Vg). »Stahl und Eisen« 1891, Seite 34, 390 und 464.