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herrscht (Aegypten), oder die vorhandenen Holzarten schnell vergängliche sind (Indien), oder wo allein der eigene Vortheil der Unternehmer die Materialfrage zu entscheiden pflegt. Etwa 93 v. H. der Eisenbahn geleise der Welt.sind, wie gesagt, mit Holzschwellen versehen, während nur etwa 7 v. H. auf den eisernen Oberbau entfallen. In anbetracht der geringeren Dauer des Holzes und der auf so vielen Gebieten des Bauwesens ihm gegenüber erwiesenen grofsen Ueber- legenheit des Eisens, das überdies gerade für die wichtigsten Theile des Bahngestänges von jeher ganz unentbehrlich gewesen ist, könnte jene Thatsache befremdlich erscheinen, wenn sie nicht in der noch unfertigen Ausgestaltung der heutigen Systeme des eisernen Oberbaues ihre Begründung fände. Selbst die besten lebensfähigen Anordnungen desselben kranken zur Zeit noch an Mängeln verschiedener Art. Und doch liegen die ersten Anfänge des ganz eisernen Oberbaues fast 50 Jahre hinter uns — eine lange Spanne Zeit, in welcher so manche andere schwierige Aufgabe der Eisenbahntechnik ihre Lösung gefunden hat. „Wenn der eiserne Oberbau bis jetzt hierin eine Ausnahme macht, so darf man daraus wohl schliefsen, dafs die bei der Gestaltung und Erprobung seiner Systeme zu lösenden Aufgaben aufserordentlich schwierige sind. Das sind sie in der That. Dies ist, wie Haarmann in dem Vorworte seines Werkes in Erinnerung bringt, wohl von Niemandem bewufster und deutlicher ausgesprochen worden, als von dem uns leider so früh entrissenen Geheimen Ober-Baurath Grüttefien, der in einer Sitzung des preufsischen Landtags am 20. Februar 1886 , anläfslich einer An frage des Abgeordneten Dr. Natorp, sich dahin äufserte, „dafs die Oberbau-Frage technisch zu den aller schwierigsten des ganzen Eisenbahn wesens gehöre“. „Die Schwierigkeiten liegen weniger in der Con- struction des eisernen Oberbaues selbst, als in der unvermeidlichen stetigen Veränderlichkeit der Bettung, deren Einflufs auf Eisenschwellen schäd licher wirkt, als auf Holzschwellen, weil bei mangel haftem Aufliegen der Eisenschwellen Verbiegungen und Verwerfungen des Gestänges eintreten können, die im Wege der Unterhaltung nicht mehr zu be seitigen sind. Aufserdem kommt noch der Umstand hinzu, dafs der Widerstand einer Bahnschwelle gegen die auf seitliche Verschiebung wirkenden Kräfte mit der Gröfse der Reibung zwischen ihr und dem Bettungsmaterial wächst und dafs auch in dieser Hinsicht das Eisen mit glatter Oberfläche dem roh beschnittenen Holze nachsteht. Wollte man die be- regten Nachtheile beim Eisen allein durch das Mittel der Verstärkung und Gewichtsvermehrung des Ge stänges vermindern, so käme man wieder nach einer andern Seite hin -- welche die Kostenfrage berührt — in Gefahr, dem Eisen die Fähigkeit, mit dem Holz in erfolgreichen Wettbewerb zu treten, zu schmälern. Ein anderes zweckmäfsiges Mittel, das man angewandt hat, um den Mangel der geringen Reibung zwischen Eisen und Kies weniger fühlbar zu machen, indem man durch Endabschlüsse und Zwischenwände der Querschwelle oder durch passende Querschnittsformen der Langschwellen eine Reibung vom Kies auf Kies zu erzeugen suchte, kann nur bei völlig vorschrifts- mäfsiger Lage des Gestänges und der Bettung aus reichend wirksam sein. Einen derart vollkommenen Zustand des Geleises darf man aber als in der Regel vorhanden bei dem Entwerfen eines Oberbaues nicht voraussetzen. Im Gegentheil, die Regel bildet eine nicht ganz vörschriftsmäfsige Lage, bei welcher weder die Enden noch das Innere der Schwellen völlig fest in Kies gestopft liegen. Aus alledem, was hier aller dings nur allgemein und flüchtig angedeutet werden konnte, geht hervor, dafs aus dem Verhalten der Bettung und der Art der Berührung derselben mit dem Eisen im wesentlichen die Schwierigkeiten erwachsen, welche sich der Ausgestaltung eines lebensfähigen eisernen Oberbaues entgegenstellen. Daraus wieder kann man entnehmen, wie wichtig bei der Ausgestaltung des eisernen Oberbaues die Rück sichtnahme auf die eigenartige Natur der Bettung ist und wie nothwendig es ferner erscheinen mufs, beim Legen eines ganz eisernen Geleises vorerst mit allen Mitteln für die sorgfältigste Herstellung und Ent wässerung der Bettung zu sorgen. „Erwägt man nun, dafs bei der rasch wachsenden Ausbreitung des Eisenbahnnetzes der Erde in nicht zu ferner Zeit ein Mangel an Holz sich in ähnlich drückender Weise fühlbar machen mufs, wie es im Laufe des 18. Jahrhunderts vor der Verwendung von Steinkohlen infolge des gewaltigen Aufschwungs der Eisengewerbe und des Alleinverbrauchs von Holz kohle schon einmal der Fall war — und zwar in so hohem Mafse, dafs damals sogar die künftige Be schaffung der schon zum Bedürfnisse gewordenen Eisenmassen ernstlich in Frage stand — so darf man erwarten, dafs trotz aller entgegenstehenden Schwierig keiten die allgemeinere Einführung des ganz eisernen Geleises nur noch eine Frage der Zeit sein wird. Um so mehr Dank und Anerkennung gebührt daher den unermüdlichen Vorkämpfern auf diesem so viel umstrittenen Gebiete, die unbekümmert um der »Parteien Hafs und Gunst« schon jetzt dem eisernen Geleis für die Zukunft eine Gasse zu machen suchen. In der vordersten Reihe dieser Männer steht seit Jahren der General-Director Haarmann. Nordamerikanische Eisenbahnen. Im Auftrage des Ministers der öffentlichen Ar beiten sind im Laufe dieses Sommers die nord amerikanischen Eisenbahnen von zwei höheren Maschinentechnikern, dem Eisenbahndirector Büte aus Magdeburg und dem Eisenbahn - Bauinspector von Borries aus Hannover bereist worden, von welchen der letztere bereits im Verein für Eisenbahnkunde seine Reiseergebnisse mitgetheilt hat.* Da dieselben, wenn auch vorzugsweise technischer Natur, doch in verschiedener Beziehung wohl geeignet sind, unser Urtheil über nordamerikanische Eisenbahnverhältnisse zu berichtigen und zu ergänzen, so glauben wir darauf näher eingehen zu dürfen. In erster Reihe halten wir es dabei für angezeigt, die bei uns noch ziemlich allgemein herrschende Ansicht zu berichtigen, dafs die Einrichtungen der nordamerikanischen Eisen bahnen noch vielfach unvollkommen und roh seien. Diese Ansicht gilt nur noch für ältere Bauten, namentlich der westlichen Bahnen. Die Betriebs mittel und alle neueren Anlagen sind dagegen durch weg sehr gut und zweckentsprechend, wie überhaupt die Weiterentwicklung aller dortigen Einrichtungen rasche und gründliche Fortschritte macht, so dafs die nordamerikanischen Eisenbahnen zum Theil einen erheblich höheren Grad von Durchbildung und Zweck- mäfsigkeit als die europäischen zeigen. Es wird dies zum Theil wenigstens dadurch erklärlich, dafs sich der Nordamerikaner mit kleinen Fortschritten über haupt ungern befafst, und diejenigen Fortschritte, die von ihm nach reiflicher Prüfung anerkannt worden sind, mit allen Kräften, und selbst ohne Rücksicht auf die Kosten, zur Ausführung bringt. Ein beredtes Beispiel für diese grofsartige Auf fassung der Amerikaner ist die neuerdings von einer Gruppe von Bahnen mit einem Park von 700000 Güterwagen beschlossene Einführung einer einheit- * Vergl. »Stahl und Eisen« 1891, Nr. 10, S. 863.