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bezüglichen Untersuchungen besprach, äufserte sich ein vielbeschäftigter, zufällig anwesender Arzt, dafs er seinen Kranken »principiell womöglich volle Rente« verschaffe, das sei der Sinn des Gesetzes. Ob er letzteres wohl je zu Gesicht bekommen hat? Es mufs daher als nothwendig bezeichnet werden, damit dem Unheile der geschilderten Verschleppung gesteuert werden kann, dafs unter Umständen eine sachgemäfse Krankenhausbehand lung selbst gegen den Wunsch des Kranken und seines Arztes erzwungen wird, wo nicht ge nügende Garantieen für regelrechte Durchführung des Heilverfahrens vorhanden sind, und wo die äuseren Verhältnisse eine sichere Beobachtung als unmöglich erscheinen lassen. Die Genossen schaft kann dem Verletzten keine gröfsere Wohlthat erweisen, als wenn sie ihn davor bewahrt, zum Uebertreiben oder Simuliren zu kommen, ohne sich recht klar darüber zu werden. Bedauerns- werth bleibt der Zustand des Mannes, der, um unberechtigte Ansprüche nicht zu verlieren, nur heimlich oder mit Beschränkung arbeitet, dabei von seinem Berufe und von der Freudigkeit zur Arbeit immer mehr abkommend und in steter Furcht vor der schliefslich nicht ausbleibenden Entlarvung lebend. Wenn wir so für einen Bruchtheil mehr im Arzte, weniger in dem Verletzten den eigentlichen Urheber unrichtiger Zustände erblicken müssen, ist es nicht zu verkennen, dafs auf der andern Seile gerade dem gewissenhaft auf die Klagen des Verletzten eingehenden ärztlichen Beurtheiler die gröfsten Schwierigkeiten bereitet werden durch die fast systematische Bearbeitung der Unfall verletzten seitens älterer Simulanten und solcher Leute, die aus der Erziehung von Simulanten und aus ihrer Vertretung Gewinn haben. Es hat mich oft mit bewundernder An erkennung erfüllt, in den Gutachten zu verfolgen wie der Praktiker, von dem Kenntnifs aller Dis- ciplinen verlangt wird und der deshalb über rein chirurgische und neuropathalogische Fragen nur wenig orientirt sein kann, auf Grund gewissen haftester Beobachtung und Erwägung zu Schlüssen kommt, welche den Specialisten von Fach alle Ehre machen würden. — Sollte man dem viel geplagten praktischen Arzt hier seitens der Berufs genossenschaft nicht Erleichterung schaffen? — Es wäre gewifs zweckmäfsig, ihm anheimzugeben, in jedem Falle, wo es wünschenswert!) erscheint, einen, selbst mehrere Coliegen für das bedeutungs volle Uebergangsgutachten hinzuzuziehen. In einem Concilium von Aerzten läfst sich die Frage, ob eine Anstaltsbehandlung erforderlich ist, leichter zum Austrag bringen. Der Verletzte selber setzt auch weniger Schwierigkeiten dem von mehreren Aerzten für gut befundenen Krankenhausaufent halt entgegen, wie uns das Verhalten der Leute zeigte, die von der Knappschafts-Berufsgenossen- schäft Section I auf Vorschlag von Aerzte-Com- missionen zugingen. Es ist unter allen Umständen gut, wenn die einer Anstalt überwiesenen Unfallverletzten von vornherein auf Grund des Uebergangs-Gutachtens darauf vorbereitet werden, dafs sie bis zur völligen Heilung bleiben müssen bezw. so lange, bis ein gewisser Abschlufs im Heilverfahren erreicht ist. Der Arzt, welcher dem Reconvalescentenhause vorsteht, mufs nicht nöthig aben, zum Bleiben zu überreden, er äufsert sich nach Lage der Acten und auf Grund des Untersuchungs-Ergeb nisses über die muthmafsliche Dauer des Aufent halts und veranlafst besonders umgehende An weisung der Angehörigenrente. Die Erfahrung bat uns gelehrt, den vermuthlichen Zeitraum des Verweilens nicht zu kurz zu bemessen, besonders aber auch zu betonen, dafs durch willige Befolgung der Anordnungen eine Ab kürzung möglich sei. Die geringsten Schwierigkeiten bietet es, die Leute auf den rechten Weg zu bringen, welche gleich mit Ablauf der 13. Woche oder sonst noch vor Fest stellung einer Rente überwiesen wurden. Sie lassen sich durch Freundlichkeit fast stets dazu bringen, den Anordnungen nachzukommen und auch zweckentsprechende Arbeiten in der Heilanstalt zu übernehmen. — Ein solcher Ver letzter kommt nach seiner Ankunft, wenn es irgend möglich zu machen ist, mit den Anderen nicht in Berührung vor der ärztlichen Unter suchung, welche sofort in sorgfältigster Weise vorgenommen wird und auch nicht die geringste objective Veränderung aufser Acht lassen darf. Dafs eine Uebertreibung subjectiver Beschwerden nicht am Platze ist, merkt er dann bald, jeden falls gelangt er bald zu der Erkenntnifs, dafs die Klagen nicht kritiklos entgegengenommen werden. Auf der andern Seite soll sich der Verletzte ordentlich aussprechen können, das ist ihm meist ein Bedürfnifs; in der Feststellung auch alles dessen, was er zu klagen hat, besitzen wir dazu die einzige Möglichkeit, spätere Zuthaten zu verhüten, welche von den Genossen, als zur Täuschung der Aerzte geeignet, empfohlen werden könnten. Nicht ohne Wirkung bleibt es in der Regel auf den Verletzten, der bis zur 13. Woche schon Manches an sich erfahren hat, wenn man ihm mit Bestimmtheit auseinandersetzen kann, was zu seiner Besserung geschehen soll und was dabei zu erwarten .steht. — Trotzdem wird uns vielfach, wenn wir die Heilung als abgeschlossen erachten müssen oder die Besserung soweit ge bracht haben, dafs die Leute zweckmäfsigerweise zur Wiederaufnahme der Arbeit entlassen werden, nicht zugegeben, dafs überhaupt etwas gebessert sei. Es darf sich dann eben das Urtheil nicht an den Einzelfall allein halten, sondern es mufs die Erfahrung besonders auch von solchen Fällen mit-