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STAHL UND EISEN. Januar 1892. sie die Rechnung hinterher zu verbessern. Dasselbe trifft auch für den Oberbau zu, wir möchten nicht unterlassen, hier ein lehrreiches Vorkommnifs aus jüngster Zeit zuschalten. Stahlschienen des Normalprofils, und sehr ein- also Wir können z. B. an den Fahrzeugen, be sonders an den Locomotiven, gar nicht selten beobachten, dafs sorgfältig und mit vielfacher Sicherheit berechnete Theile, bei oft scheinbar gar nicht sehr gesteigerter Beanspruchung, ent zwei gehen und brechen, ohne dafs sich Material fehler erkennen lassen, das Material auch allen Anforderungen entspricht. Aus solchen Vor kommnissen folgern wir bei Wiederholungen, dafs die Rechnung noch nicht Alles erfafst hat, verstärken bezw. verändern die Theile und suchen Wägungen vorhergegangen sein, was wir schon darum voraussetzen müssen, als dabei viele Privat bahnen betheiligt sind, bei denen der Kosten punkt allseitig den Ausschlag geben dürfte. Deshalb empfiehlt Civilingenieur E. Schmidt in einer sehr lesenswerthen Abhandlung, die im letzten Heft des Organs für die Fortschritte im Eisenbahnwesen, S. 267 u. ff. erschienen ist, nach vielseitiger Beobachtung und Erfahrung, Verbesse’ rung und Verstärkung des Oberbaues. Schmidt geht der Sache damit gleich auf den Grund, dafs er befürwortet zuerst einen guten Unterbau herzustellen, unter voller Berücksichtigung aller dabei mitwirkenden Verhältnisse, Bodenbeschaffen heit, Material, Entwässerung, Ausbesserung u.s. w. Er gelangt dann zum Oberbau, den er schwerer zu machen besonders betont und diese Forderung auch eingehend begründet. Er weist nach, warum ein leichter Oberbau zu verwerfen ist, und spricht aus, dafs ein solcher sich weniger fest unter stopfen läfst, und darum auch der steten Nach besserung bedürftig wird, wobei dann frühzeitiger als sonst Entwässerungsanlagen und Material durch Zerstörung leiden, ohne das Geleis dauernd gut erhalten zu können. Durch die hierbei schlecht zu beseitigenden, stetigen, wenn nicht zu sagen chronischen, Unebenheiten des Geleises wird dieses und die Fahrzeuge ebenfalls mehr und früher der Abnutzung unterworfen. Hierzu möchten wir gleich noch das Folgende einschalten. Solange man die ebene Geleislage durch das Unterstopfen herstellt und zu erhalten sucht, so lange sprechen alle vorstehenden und von Schmidt ausführlich angeführten Umstände für einen schweren Oberbau. Nur bei völliger Aufgabe des Unterstopfens, also durch Unter mauerung des Geleises, würde die Möglichkeit zu erreichen sein, den Oberbau leichter zu ge stalten. Gegen letzteres spricht aber bei gesteigerter Geschwindigkeit und Belastung, die dynamische Beanspruchung des Geleises durch die Fahrzeuge. Mit Ausnahmeeiniger Punkte kann man den Aus führungen Schmidts nur zuzustimmen, namentlich in dem Hinweis der bei Feststellung des Ober baues öfters nicht genügend berücksichtigten, praktischen Erfahrungen, nicht minder dem schäd lichen Bestreben, recht billig zu sein; ebenso wenn Schmidt empfiehlt, was in einer früheren Nummer dieser Zeitschrift ebenfalls schon aus gesprochen worden ist, die Lagerflächen der Theile zu einander genügend grofs auszuführen und auf die Abnutzung in der Wirklichkeit viel mehr als bisher Bedacht zu nehmen. Wenn Schmidt im Verfolg des letzten Vor schlages, um für die Schienenlaschen eine gröfsere Anlagefläche gegen die Schienen zu erhalten, empfiehlt, den Schienenkopf wie früher mit der Neigung 1:2 bezw. 1:3, nicht aber wie an neueren Schienen im Verhältnifs 1:4 zu unterschneiden, so setzt er sich in diesem Punkte mit seiner Forde- Geschwindigkeiten und verstärktem Betrieb, in Zukunft mit dem statischen Bedürfnifs allein nicht mehr auskommen. Das dynamische Be dürfnifs giebt hierbei den Ausschlag. Wenn längere Zeit das statische Bedürfnifs allein als mafsgebend angesehen worden ist, so konnte das so lange wohl hingenommen werden, als man mit mäfsigen Geschwindigkeiten und geringen Lasten den Verkehr zu bewältigen imstande war. Die neueren gesteigerten Anforderungen an den Be trieb lassen es kaum mehr zu, das dynamische Bedürfnifs lediglich durch das statische vertreten zu lassen, schon darum weil es uns bisher noch nicht gelungen ist, die wirksamen Kräfte bei der nach dem bisher vollen statischen Bedürfnifs be rechnet und hergestellt, mufsten auf längerer Strecke nach kurzem Gebrauche ausgewechselt werden, weil sich Steg und Kopf an vielen Stellen während des Betriebes erheblich verbogen. Die Probe ergab ein vortreffliches Material von grofser Zähigkeit, lediglich war es ein wenig weicher als sonst. Die Zerreifsfestigkeit blieb nur unerheb lich unter der vorgeschriebenen. Diese Schienen widerstanden also dem gewöhnlichen jetzigen Betriebe nicht mehr. Zum Glück waren die Ver biegungen durch die übliche Schienenneigung gelenkt, meistens nach der Geleismitte zu ein getreten, sonst wäre leicht eine gefährliche Ge leiserweiterung herbeigeführt worden. Die Ur sache dieser Verbiegung lag also nur in der etwas geringeren Härte dieser Schienen; die Normal schienen werden hiernach also nur durch Ver mehrung der Härte widerstandsfähig! Damit erzielt man aber keinen grofsen Sicherheitsfactor, um so mehr als durch gröfsere Härte auch die Sprödigkeit und Brüchigkeit der Schienen gesteigert wird, was hierbei besonders zu beachten ist. Ebenso darf man die Verstärkung des Ober baues in anderen Ländern mit lebhaftem Eisen bahnbetrieb, nicht lediglich auf das sogenannte praktische Bedürfnifs zurückführen; es werden dort der Verstärkung jedenfalls sorgfältige Er 74 Nr. 2. Zugförderung so sicher zu erfassen, um statisch genau umprägen zu können.