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halb ihrer ganzen Länge, aber in gesteigerter Verwindungszahl ein gleichmäfsiges Verhalten zeigten. Hiernach hat also das Glühen vornehm lich auf die ursprünglich härteren Theile der Drähte eingewirkt, so dafs mit zunehmender Dehnbarkeit dieser härteren Theile auch die Ge- sammt-Bruchdehnung wuchs. Eine Abnahme der Bruchfestigkeit des Drahtes wird hierdurch nicht ohne weiteres bedingt. Da nämlich bei Ermittlung der Zugfestigkeit immer nur derjenige Querschnitt in Frage kommt, welcher von allen die geringste Festigkeit besitzt,* so ist es wohl erklärlich, dafs bei ungleich mälsigen Drähten trotz erheblicher Herabminderung der Festigkeit in den ursprünglich härteren Theilen die Trag fähigkeit der Probe erhalten bleibt. Dafs aber gar für die geglühten Drähte eine gröfsere Zug festigkeit beobachtet wurde, als für die unge glühten, bedarf einer besonderen Erklärung. Diese Beobachtung auf Zufälligkeiten zurück führen zu können, erscheint mir ausgeschlossen, weil sie bei allen drei Dralitsorten gemacht wurde und weil nicht anzunehmen ist, dafs über einstimmend bei ihnen allen zu den Glühungen zufällig festere Drahtabschnitte eines und des selben Ringes sollten verwendet sein, als zu den [ Versuchen mit Drähten im Anlieferungszustande. Ferner ist nach den Ergebnissen der Ana lysen (s. Tabelle 1) zwar eine geringe Zunahme der Härtebildner, d. h. des Kohlenstoffs und des Mangans, eingetreten, jedoch in viel zu geringem Mafse, als dafs man die Festigkeitserhöhung hiermit sollte erklären können. Es bleibt daher wohl nur übrig, hierin einen Einflufs des Erkal tens nach dem Glühen zu erblicken oder anzu nehmen, dafs durch das Glühen im Bleibade ein Ausgleich in der chemischen Zusammensetzung der härteren und weicheren Theile der Drähte statthatte. Zur Sicherstellung des letzteren Umstandes müfste das Material für die Analysen möglichst scharf abgegrenzt aus den verschiedenartigen Theilen entnommen werden. Für diese Abgren- i zung bietet die Verwindungsprobe ein einfaches und vollkommen sicheres Verfahren. Die Drähte würden dieser Probe in ihrem Zustande vor dem Glühen zu unterwerfen sein, um dann an den j durch den Grad der Verwindungen als verschieden- : artig gekennzeichneten Stellen sowohl vor als j auch nach dem Glühen das Material für die Analysen getrennt zu entnehmen. Sieht man nun von dieser Festigkeitszunahme gänzlich ab, so dürfte der Umstand immerhin * Anmerkung des Verfassers: Da das Ma terial durch das Strecken beim Zerreifsversuch eine Festigkeitszunahme erfährt, so braucht der Bruch querschnitt nicht durchaus auch der ursprünglich schwächste Querschnitt zu sein, wofür die Entstehung ■ mehrfacher Einschnürungen an ein und derselben I Zugprobe einen deutlichen Beweis liefert. noch beachtenswerth sein, dafs durch Glühen bei bestimmten niederen Wärmegraden eine Stei gerung der Gleichmäfsigkeit und Dehnbarkeit des Materials erzielt wurde, ohne dafs gleichzeitig eine Herabminderung der Zugfestigkeit statthatte. Würde dies für alle festeren Drähte gelten, so könnte man hiervon leicht praktische Anwendung hinsichtlich der Steigerung der Zuverlässigkeit in der Verwendung des Materials machen. Es kann nämlich nicht der Zuverlässigkeit im Betriebe i zum Nutzen gereichen, wenn solches Material verwendet wird, welches nur in einzelnen Theilen eine besonders hohe Festigkeit besitzt, sondern es dürfte von weit gröfserem Werth sein, diese besonders hohe Festigkeit einzelner Stellen bis auf diejenige der schwächeren Theile abzumin dern und dafür dem Ganzen eine gröfsere Arbeits fähigkeit zu geben. In hervorragendem Mafse dürfte sich dieser Nutzen bei den Stahldrahtseilen geltend machen. Die Verwendung harter Tiegelgufsstahldrähte zu Seilen an Stelle von Eisendrähten bezweckt Er höhung der absoluten Festigkeit, Verringerung der Abnutzbarkeit und Vermehrung der Dauer haftigkeit des Seiles durch die nach den Erfah rungen der Praxis gröfsere Widerstandsfähigkeit dieses Materials gegen die schädlichen Einflüsse wiederholter Biegungen auf den molecularen Zustand. Treffen nun meine obigen Schlufsfolgerungen bezüglich der Einwirkung niederer Glühhitzen zu, so erleidet die Seilfestigkeit durch die Verwen dung schwach geglühter Drähte an Stelle der ungeglühten jedenfalls keine Einbufse. Die Ab- nutzbarkeit wird an denjenigen Stellen, welche an Härte abnehmen, gröfser werden. Es ist auch dies kein Nachtheil, welcher die Dauerhaftig keit des Seiles wesentlich beeinträchtigt, sondern die Abnutzung wird nur eine gleichmäfsigere sein. Wohl aber wird die Dauerhaftigkeit des Seiles durch die im Sinne einer gleichmäfsigeren Dehnbarkeit vermehrte Homogenität der Drähte zunehmen, weil deren Widerstandsfähigkeit gegen wiederholte, über die Elasticitätsgrenze hinaus gehende Biegungen gewachsen ist. Beim Biegen eines abwechselnd aus harten und weichen Theilen zusammengesetzten Stabes um eine Rolle durch an die Enden angreifende Kräfte, wie es beim Auflaufen eines Seiles auf eine Scheibe der Fall ist, erleidet der Stab nicht in allen Theilen eine gleiche Krümmung, sondern immer in den Grenzquerschnitten zwischen den Stellen verschiedener Härte mehr oder weniger kurze Knicke, weil selbst bei gleicher Spannung in den einzelnen Querschnitten die weicheren Theile nach Ueberschreitung der Elasticitätsgrenze eine gröfsere Dehnung für die Längeneinheit er fahren als die härteren. Bei wiederholtem Biegen mufs der Stab daher wegen der örtlichen Ueber anstrengungen früher zum Bruch gehen, als