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Marktbericht. Düsseldorf, Ende December 1890. Auch der Schlufsmonat des Jahres hat eine wesentliche Veränderung in der allgemeinen Lage des Eisen- und Stahlmarktes nicht herbeigeführt, die man, von einzelnen Anläufen zu regerem Leben ab gesehen, als eine ruhige bezeichnen mufs. Von der Lage des Kohlenmarktes überhaupt läfst sich heute kaum reden; wohl aber von der Lage der Zechen in Bezug auf die Versendung ihrer Förderung: je weiter nach Westen, desto ärger die Noth. Zu den Folgen der Ueberschwemmungen, welche sich heute noch durch die Streckenstörung bei Westhofen in empfindlicher Weise geltend machen, gesellt sich der strenge Winter mit seinen vielfachen Erschwerungen, namentlich des Rangirdienstes. Die Ziffern der hei der Tagesgestellung fehlenden Wagen weisen mit einer unheimlichen Deutlichkeit darauf hin, dafs wir uns noch nicht am Ende, auch viel leicht noch nicht einmal auf dem Höhepunkte der Schwierigkeiten befinden. Alles in Allem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dafs für die er folgreiche Bekämpfung eines Zusammentreffens von schwierigen Umständen es den Bahnen an der nöthigen Keserve in Wagen und Maschinen mangelt und dafs auf die geeignete Anlage von und die zweckmäfsige Verbindung der schwer belasteten Strecken mit Ent- lastungsstrecken bei weitem nicht der nöthige Bedacht genommen worden ist. Wenn man sich zur Ent schuldigung auf den „ungewöhnlich strengen“ Winter beruft, „der sogar das Schmieröl in den zu rangiren- den Wagen gefrieren lasse" (1), so ist demgegenüber doch darauf hinzuweisen, dafs in anderen Ländern, die einen weit strengeren Winter haben, folgerichtig der ganze Bahnverkehr in den Wintermonaten voll ständig stocken mülste. So viel ist sicher, dafs die Staatsbahnverwaltung nach dieser Richtung für die Zukunft Wandel schaffen mufs, wenn nicht unser Er werbsleben auf das schwerste geschädigt werden soll. Der Zusammenschlufs von Zechengruppen zu ge meinsamen Verkaufsgesellschaften hat nun auch in den Revieren Bochum und Essen stattgefunden. Man darf annehmen, dafs die Stetigkeit der Preise noch weitere Fortschritte machen wird. Die Lage des heimischen Erzmarktes mufs fortgesetzt als matt bezeichnet werden. Auf dem Roheisenmarkte ist eine Veränderung der in den Vormonaten berichteten Lage nicht zu verzeichnen. Die Kreise sind unverändert stehen ge blieben, und die Abnahme der gekauften Vertrags mengen erfolgt regelmäfsig. Neue Abschlüsse, ins besondere in Giefsereieisen, sind im Berichtsmonate von geringerem Umfange gewesen, weil die Käufer im Hinblick auf das Hinabgleiten der ausländischen Roheisenpreise eine abwartende Stellung einnehmen, wogegen die Verkäufer und Hervorbringer weder zu einer Ermäsigung der jetzigen Kreise geneigt sind, weil die Selbstkosten theils wegen mangelhafter Zu fuhr und theils wegen höherer Kreise der Brenn- und anderer Rohstoffe steigen, noch auch zu Abschlüssen hindrängen, weil das Hinabgleiten der ausländischen, namentlich der schottischen und englischen Roheisen preise weniger mit der allgemeinen Lage des Roh eisenmarktes, als mit den augenblicklichen schlechten Geldverhältnissen in Verbindung gebracht werden mufs. Sobald letztere sich gebessert haben und die in schwachen Händen befindlichen schottischen War rants auf stärkere Schultern abgeladen sind, erhofft man ein baldiges Steigen der Roheisenpreise. Das Lu Geschäft in Puddelroheisen ist etwas lebhafter geworden. Auch Spiegeleisen ist von Amerika begehrt, von wo grölsere Kosten in 20procentigem Eisen an gefragt worden sind. Die von 28 Werken vorliegende Statistik giebt nachfolgende Uebersicht: Vorräthe an den Hochöfen: Ende Norember 1890 Ende October 1890 Qualitäts-Puddeleisen ein- Tonnen Tonnen schliefslich Spiegeleisen . 35 003 37 700 Ordinäres Kuddeleisen . . 8 370 7 016 Bessemereisen 14 678 16 007 Thomaseisen 32 537 33 015 Summa 90 588 93 738 Die Vorräthe der Hochöfen an Giefsereiroheisen betrugen Ende November 1890 = 22 1841 gegen 20 757 t Ende October 1890. S t ab - (Handels-) eis en hat den üblichen ruhig sten Zeitraum mit dem Jahresabschlufs nun bald hinter sich, und es wird nunmehr darauf ankommen, wie sich demnächst der Inlandbedarf gestaltet. Dafs der Bahnbedarf ziemlich erheblich sein wird, ist bekannt; auch der Marinebedarf wird noch recht be trächtlich sein. Nicht minder mehren sich die An zeichen dafür, dafs die private Bauthätigkeit eine sehr rege werden wird. Nur die Auslandsnachfrage läfst infolge der sich allerwärts noch immer mehr zuspitzenden Geldverhältnisse noch Vieles zu wünschen übrig. Die Lage des gesammten Drahtgewerbes ist unverändert. Auf dem G r o b b 1 e c h markte haben sich die Anfragen gemehrt; dennoch hat der Westdeutsche Verband eine Herabsetzung der Kreise beschlossen, weil die Verbandswerke vielfach infolge des Zusammen bruchs des Feinblechverbandes und der dadurch be dingten Deroute unterboten wurden. Die Feinblech-Walzwerke sind im allgemeinen gut beschäftigt. Die Consumenten haben, durch die niedrigen Kreise angelockt, grose Bestellungen ge macht. Die Kreise sind infolgedessen gestiegen, beson ders im Siegerland, wo man von 115 bis 120die Tonne auf 135 bis 140 K Grundpreis gekommen ist. Rheinisch-Märkische Werke fordern 140 bis 145 . In den Kreisen der Eisenbahnmaterial her siellenden Werke wird es aufs tiefste beklagt, dafs mehrfach Lieferungen an das Ausland vergeben worden sind, offenbar mit der Absicht, auf die In landpreise zu drücken. Ausländische Eisenbahn- Verwaltungen pflegen sich ihren heimischen Werken gegenüber durchweg anders zu verhalten. Der durch die socialpolitischen Lasten im Vergleich zum aus ländischen Wettbewerbe aufsergewöhnlich stark be schwerten deutschen Industrie gegenüber wäre ein anderes Verhalten unserer Eisenbahnen sicher am Platze. Wenn infolge der Vergebungen an das Aus land erst zu Arbeiterentlassungen geschritten werden mufs, ist es zu spät. Aulserdem sollte nicht ver gessen werden, dafs angemessene Inlandpreise unsere Werke erst in den Stand setzen, auf dem Weltmärkte wettbewerbsfähig zu bleiben, den Betrieb in dem wünschenswerthen Umfange aufrecht zu erhalten und an der technischen Vervollkommnung der Betriebs stätten dauernd thätig zu sein. Schon der Jubel allein, welchen der unserer Industrie feindliche Theil der Tagespresse über jene, dem Ausland ertheilten 10*