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in Physik und Mathematik etwas redu- ciren, im übrigen bliebe Alles, wie es wäre. So liegt nach unserer Auffassung die Sache, und auf die kommt es an, nicht auf den Namen, und in der ersteren hat »College Jäger«, wie der Kladderadatsch sagt, nicht ganz recht behalten, trotzdem Alles fein gedrechselt war. * * * Soweit war der Aufsatz bereits gesetzt, als die zweite Rede und die Cabinetsordre des Kaisers vom 17. ds. , mit denen die Schulconferenz schlofs, weiteres Licht in die derzeitige Lage brachten. Dieselben haben Befürchtungen zerstreut, welche in manchen Kreisen unter dem Eindruck der ersten Ueberraschung aufgetaucht waren. Der in der ersten kaiserlichen Rede deutlich gezeigte Weg ist in den nachfolgenden Berathungen der Conferenz mit einer nicht überall vorherzu sehenden Raschheit beschritten worden, und das am 17. December den Beschlüssen im ganzen ausdrücklich ertheilte kaiserliche Placet hat nach nur 14 tägiger Berathung in der Hauptsache das aufser Zweifel gestellt, was der Gegenstand eines dreifsigjährigen vergeblichen Ringens unter vier preufsischen Königen gewesen ist: die Aner kennung der Ebenbürtigkeit der modernen Cultur gegenüber der der alten Welt und der Gleichwerthigkeit unserer auf diese neue Cultur gestützten Realschulbildung mit der classisch humanistischen der Re- formationszeit. Das ist ein um so gröfserer Fortschritt, als er auf den Beschlüssen einer Versammlung be ruht, die zu neun Zehnteln aus Gegnern der Realschulbildung bestand, und wenn nach den derzeitigen Vorlagen die Oberrealschule auch nur in das Recht des zu beseitigenden Realgymna siums eintritt, zum Polytechnikum, den Akade mien und einigen Universitätsstudien ohne Nach prüfung, zu den übrigen mit einer solchen zu entlassen, so wird dagegen dem Gymnasium das bisherige Monopol des Alleinfähigmachens zu allen gelehrten und ungelehrten, civilen und militäri schen Berufszweigen in billiger und ganz analoger Weise auf diejenigen Studien beschränkt, zu denen es die vorzugsweise geeignete oder her kömmliche Schulbildung bietet, damit ist eine der schlimmsten Unbilden beseitigt und ein schweres Vorurtheil als solches gekennzeichnet. Suum cuique, sed non omnibus idem! Dadurch, dafs den Schülern beider Anstalten, welche zu anderen als den für sie vorgesehenen Studien übergehen wollen, Nachprüfungen aufer legt und bei guten Abgangszeugnissen die gleichen Dispensationen in Aussicht gestellt werden, steht zu hoffen, dafs das Publikum sie als gleichbe rechtigte anzusehen sich gewöhnen wird, und dafs auch in den Städten, in welchen nur für eine Anstalt Raum ist, der Uebergang. zum Neuen keine allzugrofsen Erschwerungen bringen wird. Gleichzeitig ist damit in diesen Bestimmungen der Weg gezeigt, auf dem sich auch auf die Dauer Härten ausgleichen lassen, welche nicht nur in den Uebergangsstadien, sondern aus der Be lastung des Gymnasiums mit vier fremden Sprachen und der neunklassigen Oberrealschule mit allzuviel mathematisch-naturwissenschaftlichen Memorirstoffes entstehen dürften. Der zu bewältigende Bildungsstoff für die höhere Schule hat in den letzten 30 Jahren eine ungemeine Ausdehnung in die Breite genommen, was davon nicht durch Vertiefung des Unterrichts bemeistert werden kann, wird, da man die Schul pflicht nicht vor das 6. resp. 9. Jahr zurückver legen kann, nur durch Verlängerung derselben über das 19. Jahr hinaus gewonnen werden können. Die Statistik spricht indefs hier eine deutliche Sprache: nur der vierte Theil der Abiturienten erreicht das Schulziel schon jetzt vor dem 20. Jahre, eine Hälfte mit 20 bis 21, ein volles Viertel wird älter als 21 Jahre. Wenn es nun gewifs für einen grofsen Procent satz unserer jungen Leute nicht unbedenklich sein würde, mit 18 Jahren zur Universität entlassen zu werden, so ist es noch weniger richtig, Pri maner über das 21. Jahr hinaus an die Schul bank und die Schulzucht zu fesseln. Man mufs demnach einen Theil des heutzutage un entbehrlichen allgemeinen Bildungsstoffes der Universität Vorbehalten. Das geht sehr gut; auch ist es früher auf allen Hochschulen gewesen, geschieht thatsächlich im Stillen schon lange auch bei uns wieder, denn das ehemals allgemein gültige triennium academicum reicht heute kaum noch für Theologen und Juristen aus. Die vom Kaiser grundsätzlich gebilligten Thesen der Schulenquete werden gegenüber der bisherigen amtlichen Praxis in Preufsen die Möglichkeit geben, für die anderen Fakultäten eben das zu thun, was die Medicin schon lange durch Ein fügung des examen physicum und die bairische Schule durch organische Zwischengliederung eines »philosophischen Cursus« zwischen Gymnasium und eigentlichem Fachstudium sehr zum Vortheil aller Betheiligten gethan haben. Aber — soweit sind wir noch nicht! Einst weilen haben wir nur den »neuen Gurs«; wann und wie derselbe uns in den ersehnten Hafen bringt, müssen wir abwarten, vor allzugrofser Verspätung schützt uns ja wohl der monatliche Rapport! Bi. I.n 8