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Krafterzeugung in Centralen und Uebertragung derselben auf gröfsere Entfernungen. Bei den heutigen immer mehr in Anwendung gelangenden Methoden, Arbeitskraft möglichst von einer gemeinsamen Centrale aus zu erzeugen und dieselbe auf gröfsere Entfernungen zu über tragen, um sie am Orte ihrer Verwendung in den verschiedenartigsten Motoren und Apparaten zur Umsetzung in mechanische Arbeit zu ver- werthen, dürfte vielleicht eine nähere Betrachtung der dabei in Frage kommenden Factoren am Platze sein, und zwar um so mehr, als gerade in letzter Zeit von den Vertretern der einzelnen Systeme sehr viel discutirt und gestritten wurde. Diese Centralstellen verdanken ihre Entstehung wohl zunächst der Gunst örtlicher Verhältnisse, wo z. B. bedeutende Wasserkräfte dem Gewerbe zur Verfügung standen, dieselben also entweder unmittelbar oder örtlicher Hindernisse halber auf Umwegen ausgenützt werden konnten; anderer seits konnten damit durch Umsetzung in Arbeits kraft und Zuführung derselben an jede beliebige Verbrauchsstelle dem kleinen Handwerker ver- hältnifsmäfsig billige und bequeme Kraftquellen geliefert, sowie auch in der Grofsindustrie die neueren Fortschritte auf diesem Gebiete ver wandt werden. Die Vervollkommnung der Dampfma schine, wie sie in den letzten 10 bis 15 Jahren durch die ergiebigste Ausnützung der Expansiv kraft des Dampfes in zwei- und dreicylindrigen Maschinen erreicht worden ist, sichern derselben immer noch den ersten Platz unter den Arbeits motoren, den dieselbe wohl auch voraussichtlich stets behaupten wird; von diesen Vortheilen konnte das Kleingewerbe keinen grofsen directen Nutzen ziehen, weil dieselben sich nur mit der Gröfse der Maschinen geltend machen, sofern nicht diese Maschinen zur Krafterzeugung in Centralen Ver wendung finden, andernfalls mufste man den Klein industriellen andere Kraftquellen, die eine bessere Rentabilität versprechen, zuzuführen versuchen. Unter Vernachlässigung des Riemen- und Hanfseilbetriebes, indem dieselben Kräfte nur auf kurze Entfernungen zu übertragen vermögen, sei hier speciell die Anwendung von Drahtseilen, Gas, Druckwasser, Elektricität und Druck luft bezüglich ihrer natürlichen Vor- und Nach theile näher behandelt. Als eine der ersten Anlagen mit Drahtseil betrieb, speciell in Deutschland, ist wohl die Anlage der Wasserwerksgesellschaft in Schaffhausen* zu nennen, die Ende der fünf ziger Jahre ins Leben gerufen wurde, um den * Vgl. »Stahl und Eisen 1890« Nr. 6, Seite 575. Anm. der Red. dort wohnenden kleinen Handwerkern auf mög lichst billige Art die sehr bedeutenden Wasser kräfte des Rheins nutzbar zu machen. Die er forderliche Kraft von zusammen 750 effect. Pferdestärken wird durch 3 Jonval-Turbinen von 200, 250 und 300 Pferdestärken gewonnen. Der absolute Wassereffect beträgt daselbst 1200 HP. Demnach stellt sich der an dem Rädervorgelege der Turbinen erhaltene Nutzeffect der über- 750 tragenen Kraft zu 0n = 62,5 %, wobei ein 1 ZUU Nutzeffect von 70 % bei den Turbinen selbst wohl angenommen werden darf. Bei voller Aus nützung der Anlage mit 750 HP an der Turbinenvorgelegewelle wurden für die Abnehmer doch nur 650 HP rein gewonnen, so dafs also der Gesammtnutzeffect der Anlage sich mit = 54,2 % ergiebt. Als Kraftübertragung 1 ZVV wurde das damals von Hirn vervollkommnete Drahtseilsystem angewandt. Von obigen 750 HP wurden 200 HP unmittelbar mittels Wellen transmission an eine nahe gelegene Bindfaden fabrik abgegeben, der Rest von 550 HP gehl mittels Seilbetrieb und zwar Doppelseil (2 Seile und 2 Seilscheiben nebeneinander) von 30 mm Durchmesser weiter. Im ganzen sind 6 Seilrad stationen auf einer Entfernung von 473 m vor handen, wobei auf jeder Station ein Theil der Kraft entnommen wird. Der Pachtzins beträgt etwa 100 •46 pro 1 HP und Jahr. Die kleinsten Abnehmer von nur einigen Pferdestärken zahlen 120 •6 ; die gröfseren von 100 Pferdestärken und mehr 80 bis 96 4. Die durchschnittlichen Gesammtbetriebskosten für 1 HP und Jahr betrugen vom Jahre 1876 bis 1880 = 41,44 •, und vom Jahre 1881 bis 1885 = 37,28 Aebnliche Anlagen mit Turbinen- und Seil betrieb bestehen in Freiburg i. d. Schweiz und bei Bellegard a. d. Rhone, von denen 1700 HP auf 765 resp. 3150 HP auf 900 m Entfernung übertragen werden. Dafs diese Drahtseilbetriebe trotz der immer hin hohen Anlagekosten und des verhältnifsmäfsig geringen Nutzeffectes sich bis auf die neueste Zeit erhielten, mag darin seinen Grund haben, dafs einestheils die zur Kraftgewinnung dienenden Wasserkräfte gleichsam unentgeltlich zur Ver fügung Standen, und man bezüglich des Nutz effectes nicht so peinliche Rechnungszahlen zu berücksichtigen brauchte, indem bei fast allen diesen Anlagen die disponible Wasserkraft nur zum geringen Theile ausgenützt wurde. Auch