Volltext Seite (XML)
März 1891. STAHL UND EISEN. Nr. 3. 219 Aus der Kindheit des Hochofenbetriebes. Von A. Ledebur. [Nachdruck verboten. iGes. v. 11. Juni 1870./ Wenn ein Hochofenmann früherer Jahrhun- derte auferstehen und eine Hochofenanlage der Jetztzeit in Augenschein nehmen könnte mit ihren schlanken Hochöfen , hinter welchen, wie Trabanten, die stattliche Reihe der Cowperapparate aufmarschirt ist — er würde zweifelhaft sein, ob man nicht etwa Spott mit ihm triebe, wenn man ihm die Versicherung gäbe, dafs in diesen, der Abkühlung durch Wind und Wetter unge schützt preisgegebenen, dünnwandigen Bauwerken Roheisen erzeugt werden könne. Steht doch die Bauart der jetzigen Hochöfen in geradem Wider spruche mit allen den Regeln, die man Jahr hunderte hindurch für unumstöfslich hielt. Wie die Bauart, so hat sich unter dem Drucke der gesteigerten Ansprüche an die Leistungsfähig keit und unter dem Einflüsse der fortgeschrittenen Wissenschaft auch die Betriebsweise der Eisen hochöfen verändert. Vielleicht findet der eine oder andere Leser dieser Zeitschrift in einer müfsigen Stunde Gefallen daran, im Geiste ein mal sich die Verhältnisse zu vergegenwärtigen, welche in der Kindheit des Hochofenbetriebes, d. h. in jener Zeit obwalteten, wo man die Roh eisendarstellung gewissermafsen als Handwerk betrieb, nur auf die Erfahrung sich stützend und ohne Ahnung, wie nützlich dereinst die Wissen schaft auch diesem Zweige der Gewerbthätigkeit werden könne. Einzelne schriftliche Ueberliefe- rungen aus früherer Zeit geben uns die Möglich keit dazu. Wann und wo die Roheisendarstellung er funden worden sei, läfst sich ebensowenig nach weisen, als etwa, wer das Brotbacken oder das Zeugweben erfunden habe. Das eigentliche Ziel des Eisenhüttenbetriebes der alten Zeit war be kanntlich die Darstellung schmiedbaren Eisens; ohne es zu wollen aber erhielt man nebenbei mitunter Roheisen, wenn man hinsichtlich des Kohlenverbrauchs des Guten zu viel that. Da | dem unbeabsichtigt erzeugten Roheisen diejenige I Eigenschaft abging, welche man vorzugsweise an dem eigentlichen Eisen schätzte, die Schmiedbar keit, hielt man es für ein noch unvollständig »gereinigtes“ Erz und unterzog es folgerichtig einer zweiten Schmelzung in demselben Feuer oder Ofen, in welchem man das Erz auf schmied bares Eisen verarbeitete. Obwohl, wie wir jetzt wissen, der chemische Vorgang bei der Ver arbeitung des Roheisens gerade entgegengesetzt ist als bei der Verarbeitung der Erze, blieb dennoch jener Versuch nicht ohne Erfolg, was im ersten Augenblick auffällig erscheinen mag, jedoch seine Erklärung findet, wenn man die besonderen Eigenthümlichkeiten jener alten Ver fahren betrachtet. Aus dem Rennfeuer wurde, wenn man Roheisen verarbeitete, das Frischfeuer in der jetzigen Bedeutung dieses Ausdrucks. Bis gegen Anfang dieses Jahrhunderts verstand man unter der Bezeichnung „Frischen“ allgemein die Darstellung schmiedbaren Eisens, gleichviel, ob aus Erzen oder aus Roheisen. Dafs schon die Eisenhüttenleute vor Christi Zeit mitunter Roheisen erhielten und dieses in der erwähnten Weise verarbeiteten, ergiebt sich aus einzelnen Stellen alter Schriftsteller, z. B. des Aristoteles. In den steirischen Stücköfen des vorigen Jahrhunderts erfolgte regelmäfsig, wie Gabriel Jars in seinen metallurgischen Reisen erzählt, neben der Eisenluppe auch etwas Roh eisen, welches abgestochen und in Feuern ver arbeitet wurde; und in einzelnen Gegenden Japans wird jetzt noch Roheisen und schmiedbares Eisen in demselben Ofen gewonnen. In den allermeisten Fällen war das solcherart gewonnene Roheisen weifs, stahlartig, hart und spröde. Die Bedingungen, unter welchen es ent stand , lassen das als unzweifelhaft erscheinen ; auch wird dieser Thatsache hier oder da sogar ausdrücklich erwähnt. Dafs Versuche, es durch Giefsen zu Gebrauchsgegenständen zu verarbeiten, verschiedentlich angestellt wurden, ist in hohem Grade wahrscheinlich; aber eben jene Eigen schaften machten damals, wie noch heute, das weifse grelle Roheisen ungeeignet für diese Verwendung. Als man indessen angefangen hatte, Wasserkraft für den Betrieb der Gebläse zu benutzen — so weit unsere Nachrichten reichen, war das im dreizehnten Jahrhunderte der Fall — und da durch die Möglichkeit erlangte, die für Schmied eisendarstellung benutzten Schachtöfen (Stück öfen) höher als zuvor zu bauen und rascher zu betreiben, wird man in der höheren Temperatur dieser Oefen auch mitunter graues oder halbirtes Roheisen erhalten und bald erkannt haben, dafs dieses seiner gröfseren Dünnflüssigkeit, seines ge ringeren Gasgehalts und seiner geringeren Sprödig keit halber besser zur Gufswaarendarstellung sich eigne. Hatte man ursprünglich nur hier und da versuchsweise Gufswaaren gefertigt, um für das unerwünschte Nebenerzeugnifs, das Roheisen, eine Verwendung zu finden, so wuchs die Be deutung dieses Betriebszweiges, je mehr die Technik der Eisengiefserei sich vervollkommnete. Man erkannte im Laufe der Jahre die praktischen Bedingungen, unter welchen Graueisen statt Weifseisen oder statt schmiedbaren Eisens entsteht,