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Haben wir indessen in unseren inneren wirtschaftlichen Verhältnissen kein Motiv, die Politik des Schutzes der nationalen Arbeit fallen zu lassen, so schliefst das nicht aus, dafs in Verfolg der die handelspolitischen Zustände von Centraleuropa auf eine neue „Basis“ stellenden Verhandlungen über einen Vertrag von „typischer Bedeutung“ wir uns wegen internationaler han delspolitischer Gründe zu Tarifconcessionen ver pflichten können. Dieses letztere bleibt eben eine offene Frage, während die erstere unter dem zustimmenden Schweigen der veibündeten Re gierungen vom Reichstage mit sehr erheblicher Mehrheit in der Abstimmung über den Antrag Richter verneint worden ist. Dieses Reichstagsvotum hat jedoch die Stel lung unserer Unterhändler in den Wiener Ver handlungen bedeutend gekräftigt. Man hatte sich in Oesterreich durch den Lärm unserer Frei handelspresse — gern irreführen lassen und nahm dort an, wir seien in Deutschland aus inneren Nothwendigkeiten zu Zollherabsetzungen, speciell für die Agrarproducte, genöthigt. Ermäfsigten wir also unsere Getreidezölle u. s. w. — folgerte man aus dieser irrthümlichen Annahme in Oester reich — so sei das keine den dortigen Wünschen gemachte Goncession, könne also nicht den An spruch auf Gegenconcessionen bedingen. Nachdem aber jetzt der Reichstag die Richterschen Anträge angebrachtermafsen, und nicht etwa nur im Hinblick auf die in Wien gepflogenen Verhand lungen wegen Inopportunität verworfen hat, und nachdem die Reichsregierung diesem Votum keinerlei Widerstand entgegensetzte, sondern durch Schweigen ihre Billigung desselben zu erkennen gab, wird man auf Seiten der österreichischen Interessenten den Werth der von unseren Unter händlern etwa zu machenden Zugeständnisse wohl besser zu würdigen lernen, als vordem unter den irreführenden Einflüssen unserer Frei handelsagitatoren der Fall war. Letztere Ein flüsse hatten in Wien von österreichischer Seite Ansprüche erheben lassen, über deren Ausmafs unsere Unterhändler nicht wenig erstaunt waren; die Stellung der letzteren gegenüber solchen An sprüchen wird durch dies die Frage der inneren deutschen Zoll- und Handelspolitik beantwortende und entscheidende Votum des Reichstages sehr erheblich gekräftigt, und man wird nunmehr dem weiteren Verlaufe der Wiener Verhandlungen mit um so gröfserer Ruhe entgegensehen dürfen. —en. Die Unfallversicherung der Eisen- und Stahlindustrie. Dem Reichstage ist die ihm auf Grund des § 77 des Unfallversicherungsgesetzes alljährlich vorzulegende Nachweisung der Rechnungsergeb nisse der Berufsgenossenschaften für das Jahr 1889 zugegangen. Die acht Eisen- und Stahl-Berufsgenossen schaften nehmen darunter wieder einen hervor ragenden Platz ein. Insgesammt waren in dem genannten Jahre, soweit die gewerblichen Berufs genossenschaften in Betracht kommen, 372 236 Betriebe mit 4 742 548 Personen versichert. Da von entfielen auf die Eisen- und Stahlindustrie 21848 Betriebe und 544 919 Versicherte. Die Eisen- und Stahl - Berufsgenossenschaften ver einigten demnach 5 % sämmtlicher gewerblichen versicherten Betriebe und 11,5 % der Versicherten in sich. Im Jahre 1888 betrugen dieselben Procentzahlen 6 und 11. Absolut ist die Be triebszahl um 819, die der Versicherten um 51 744 gestiegen. Die Zahl der auf einen Be trieb entfallenden Versicherten hat sich dem- gemäfs und auch entsprechend den Erfahrungen der früheren Jahre vergröfsert. Während im Jahre 1887 aus der unfallversicherungspflichtigen Eisen- und Stahlindustrie auf jeden Betrieb 22 Versicherte entfielen, kamen 1888 auf jeden nahezu 24 und 1889 nahezu 25. Es ist dies ein sicheres Anzeichen dafür, dafs die Einzel unternehmung in der Eisen- und Stahlindustrie wenn auch nur wenig, so doch stetig der Ver- gröfserung zustrebt. Die Bedeutung der Eisen- und Stahlindustrie in der gesammten gewerb lichen Unfallversicherung erkennt man daraus, dafs sie mit der Versichertenzahl die dritte Stelle unter den versicherungspflichtigen Berufs zweigen einnimmt. Nur das Baugewerbe mit 920 135 Versicherten und die Textilindustrie mit 630 135 stehen ihr voran. Was die an die Versicherten gezahlten und zur Anrechnung gelangten Lohnbeträge betrifft, so steht die Eisen- und Stahlindustrie sogar an zweiter Stelle. Sie hat mit 465,3 Millionen 15,8 % der für das ganze Gewerbe in Betracht kommenden Summe aufgewandt. Nur das Bau gewerbe hat mehr gezahlt, nämlich 500,4 Mill. Auf die Eisenindustrie folgen die Textilindustrie mit 354,0 Millionen und das Berggewerbe mit 310,1 Millionen. Gegen das Jahr 1888 hat sich der zur Anschreibung gelangte Lohnbetrag bei der Eisen- und Stahlindustrie um über 57 Mill, gehoben. An diese Lohnbeträge hat bekanntlich vor kürzerer Zeit ein erbitterter Streit angeknüpft. Als der auf den einzelnen Versicherten entfallende Durchschnitt dieser Beträge von 1886 auf 1887