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Bei dem mit Calciumplumbat arbeitenden Verfahren ist speciell in der Modification, in welcher durch reine Kohlensäure der Sauerstoff ausgetrieben wird, keine andere Anlage als ein mit Regenerativfeuerung versehener und mit Flammengasen geheizter Schachtofen nöthig, sofern er nur genügenden Luftzutritt gestattet. Nachdem das Präparat darin fertiggestellt ist, sperrt man den Zutritt von Heizgas und Luft ab und leitet von unten her Kohlensäuregas ein. Vermöge ihrer Schwere steigt dieselbe langsam in die Höhe und treibt das Sauerstoffgas vor sich her, welches oben aus dem Schachtofen heraus tritt. Bei den anderen beiden Modificationen sind zwar einige separate vorbereitende Arbeiten erforderlich, dafür aber treten in dem einen Falle (der Anwendung von kohlensauren Salzen zur Zerlegung der Plumbate) verwerthbare Neben- producte auf. — In dem andern, die Ausnützung der Ofengase betreffenden Falle, sind lediglich statt eines mehrere Schachtöfen nothwendig, so dafs in dem einen jedesmal die Austreibung des Sauerstoffs durch überhitzten Dampf stattfindet, während in den anderen inzwischen die Regeneration und vorberei tende Zerlegung durch Ofengase ausgeführt wird. Da aber die Anwendung von Schacht- und Flammenöfen die Fabrication ganz aufserordent- licher Mengen von bleisaurem Kalk und mithin auch von Sauerstoffgas gestatten, bei weitem mehr, als in blofsen Retorten fertig werden kann, so ergiebt sich auch hinsichtlich der erforder lichen Anlagen in jedem Fall ein besonderer Vorzug des bleisauren Kalks* als Basis für die Gewinnung von Sauerstoff vor dem so leicht ver änderlichen und daher sorgsam zu behütenden Baryumsuperoxyd. Schliefslich erwähne ich noch eine andere Modification in der Behandlung des bleisauren Kalks, bei welcher die zur Austreibung des Sauerstoffs erforderliche Menge Kohlensäure gröfstentheils dadurch gewonnen wird, dafs man durch das stark erhitzte Gemenge von kohlen saurem Kalk und Bleioxyd überhitzten Wasser dampf leitet, da es ja allgemein bekannt ist, dafs das Brennen von Aetzkalk unter Einblasen von Wasserdampf rascher vor sich geht, als ohne letzteren; somit wird auch die Kohlensäure des kohlensauren Kalks leichter durch überhitzten Wasserdampf ausgetrieben und gewonnen. Es bildet sich auf diese Weise Aetzkalk und Blei oxyd, während die Kohlensäure mit dem Wasser dampf entweicht und zur weiterer Benutzung aufgefangen werden kann. * Der bleisaure Kalk wird zur Zeit fabrikmäfsig von der Stafsfurter chemischen Fabrik, vormals Vorster & Grüneberg, Actiengesellschaft, dargestellt, von wo er unter Angabe des Verwendungszweckes event. zu beziehen ist. Bei nachherigem Zutritt von Luft wird wiederum Sauerstoff aufgenommen und bleisaurer Kalk gebildet, welcher von neuem durch Kohlen säure Sauerstoff liefert u. s. f. Indessen möchte sich dieses letzte Verfahren, die Kohlensäure aus dem Reactionsgemisch selber zu gewinnen, für die Praxis am wenigsten empfehlen. Der Grund liegt darin, dafs zur Austreibung der Kohlensäure, selbst im Wasserdampfstrome, eine zu hohe Temperatur erforderlich ist, bei welcher sehr leicht ein Theil des Bleioxyds sich ver flüchtigt. Aufserdem sintert die Masse in solcher Hitze etwas zusammen und verliert dadurch wenn auch langsam an der so nothwendigen Porosität. — Auf jeden Fall aber erkennt man, wie aufser- ordentlich mannigfaltig die Beziehungen von bleisaurem Kalk zur Kohlensäure sind und wie verschiedentlich je nach den Umständen die Fa brication von Sauerstoff gehandhabt werden kann. Diese Variationsfähigkeit bildet entschieden einen ferneren wesentlichen Vorzug vor dem Ver fahren Brins, welches, wie wir wissen, lediglich nur bei dem oben erwähnten Arrangement, der Anwendung von Druck- und Vacuumpumpen, Sauerstoff in praktisch verwerthbarer Weise liefert. Aufser den genannten vier Hauptvortheilen des bleisauren Kalks vor dem Baryumsuperoxyd sind noch eine Reihe untergeordneter Vorzüge des ersteren vorhanden, die indefs als weniger wichtig übergangen sein mögen. Es sei nur zum Schlüsse noch darauf hingewiesen, dafs man für den Fall einer nach sehr langem Gebrauch etwa eintretenden Ermattung in der Absorptionsfähig keit des bleisauren Kalks, wie sie möglicherweise durch zu grofse Ueberhitzung desselben eintreten kann, ein sehr einfaches Mittel besitzt, den ge- sammten Material werth des Körpers wieder zugewinnen. Man schmilzt entweder das Blei aus demselben durch Reductionsmittel aus oder formt das Präparat, event. unter Zusatz verloren gegangener Theile Bleioxyds, von neuem zu porösen Stücken. Eine in gleicher Weise ein fache Rehabilitirung läfst sich dagegen mit un wirksam gewordenem Baryumoxyd nicht vor nehmen. Es mufs dasselbe vielmehr in höchst umständlicher und daher kostspieliger Weise mit Salpetersäure und durch nunmehriges Glühen wieder gänzlich umgearbeitet werden. Somit zeigen sich nur überall Vorzüge des Calciurnplumbat-Verfahrens vor dem alten Bous- singaultschen, welches durch Gebrüder Brin ver bessert worden ist. Die Wahl mufs aber eine um so leichtere sein, als bereits ein grofses rheinisches Gufsstahlwerk die Licenz für die Benützung des bleisauren Kalks zur Darstellung von Sauerstoff für hüttenmännische Zwecke er worben hat.