Volltext Seite (XML)
128 Nr. 2. STAHL UND EISEN.“ Februar 1891. Eisenbahnbau, sondern im gesammten Bauwesen in stetig wachsender Zunahme begriffen gewesen ist. Im Hinblick auf die Zukunft, in welcher, wenn nicht alle Anzeichen trügen, das Eisen als Baustoff tonangebend sein wird, darf man — be sonders in holzarmen Ländern — die vermehrte Verwendung des Holzes gegenüber dem Eisen bei Neubeschaffung von Eisenbahnschwellen wohl als einen vorübergehenden Rückschritt bezeichnen. Die Gründe, welche zu solchem Rückschritt ge führt haben, sind verwickelter Natur. Am meisten hat wohl der Umstand dazu beigetragen, dafs der eiserne Oberbau noch in der Entwickelung be griffen ist. Selbst lebensfähige Systeme desselben haben sich in ihren Einzelheiten noch nicht zur Vollkommenheit durchgerungen. Dabei erschwert der Wettbewerb vieler Systeme unter einander jedem einzelnen derselben das Hochkommen, ja er hat dem Aufschwünge des Holzquerschwellen baues geradezu Vorschub geleistet, in Ueberein stimmung mit dem bekannten Vorgänge, wonach, wenn Zwei sich streiten, der vorsichtige Dritte den Nutzen davon trägt. Auch der wiederholte Hinweis auf England, wo man dem eisernen Ober bau gegenüber eine kühle Zurückhaltung beweist und unbeirrt an dem Stuhlschienen-Oberbau mit Holzschwellen festhält — auf welchem es sich in den schnellsten Zügen unzweifelhaft ruhiger fährt, als man es auf dem Festlande in der Regel gewöhnt ist — wird von den Gegnern des eisernen Oberbaues mit Erfolg ausgenutzt. Die Ursachen der ruhigen Fahrt auf englischem Oberbau und seiner dauernd guten Lage glaubt man von berufenen Seiten hauptsächlich in der Schwere der dortigen Schienen (40 bis 45 kg auf 1 m) und in dem grofsen Gewichte des ge sammten Gestänges (über 200 kg auf 1 m) ge funden zu haben, ein Glaube, der — obwohl nicht unanfechtbar — in weiten Kreisen Verbrei tung findet und der zusammen mit den jüngst laut gewordenen Forderungen nach gröfseren Zug geschwindigkeiten eine allgemeine Bewegung her vorgerufen hat, welche auf Umgestaltung des Holzquerschwellen-Oberbaues drängt und besonders grofse Erwartungen an die Erhöhung des Schienen gewichtes knüpft. Solchem Drängen haben nach dem Vorgänge Belgiens mit seiner Goliathschiene einige französische und amerikanische Bahnen bereits nachgegeben. In Oesterreich soll die Ein führung einer 42 kg schweren Schiene für die Staatsbahnen geplant sein,* und in Deutschland dürfte der neue Oberbau der Berliner Stadteisen bahn** mit 41 kg schweren Schienen und 2,7 m langen Holzschwellen vielleicht der Anfang weiter gehender Neuerungen dieser Art bedeuten. * Göring, Die Fortschritte auf dem Gebiete des Geleisbaues in Deutschland und Oesterreich. »Zeitschr. des Verb, deutscher Ingenieure« 1890, S. 1021. ** »Centralblatt der Bauverwaltung« 1890, S. 182. Es ist nicht wohl abzusehen, wie die ge schilderte Bewegung verlaufen wird. Infolge einer allzu einseitigen Bevorzugung der Holzschwelle und übertriebener Anforderungen auf Verstärkung des Oberbaugestänges könnte sie leicht in die Irre führen, besonders wenn diejenigen Bestrebungen mehr an Boden gewinnen, welche darauf gerich tet sind, die Masse des Geleises über das statistische Bedürfnifs hinaus zu ver- gröfsern, blofs in der Absicht, um dadurch ein ruhigeres Fahren und eine dauernd gute Lage des Geleises zu erzielen. Bestrebungen solcher Art verstofsen nicht allein gegen die Gebote der Sparsamkeit, sie stehen auch nicht auf wissen schaftlichem Boden, namentlich nicht, solange Zweifel darüber bestehen, ob ein ruhigeres Fahren in genügendem Mafse nicht auch durch Ver besserung der Wagenconstructionen und durch geeignete Bauart des Geleises ohne zu grofse Ge wichtserhöhung zu erzielen ist, und ferner solange es eine offene Frage ist, ob nicht eins der be währten eisernen Oberbausysteme bei geeigneter Bauart die aus der Erhöhung der Zuggeschwindig keit und in Voraussicht einer künftigen Vergröfserung der Locomotivgewichte höher gestellten Anforde rungen der Jetztzeit ebensogut oder noch besser zu erfüllen vermag, als der Holzquerschwellenbau. Die bemerkenswerthesten, im letzten Jahrzehnt zu Versuchen mit mehr oder weniger Erfolg herangezogenen eisernen Systeme waren, soweit bekannt, etwa folgende: 1. Oesterreich-Ungarn, a) Querschwellen: System Atzinger, bis 70 kg schwer, Vautherin (mit Rüppellscher und Keilbefestigung), Heindl (bis 71,5 kg), b) Langschwellen: de Serres- Battig und Hohenegger. — 2. Preufsen. a) Querschwellen: System Vautherin, Haarmann, Hilf u. a. b) Langschwellen: System Hilf, Haarmann und Haarmanns Schwellen schienen. 3. Bayern, a) Querschwellen: System Hilf mit Befestigung nach Roth und Schüler, Heindl (73 kg), Vautherin mit Befestigung nach Rüppell, Haarmann mit Hakenplatten, Hösch-Lichthammer (eingewalzte Neigung) mit Befestigung nach Rüppell. b) Langschwellen: älteres System Hilf, Menne. — 4. Württemberg, a) Querschwellen: System Vautherin, Haarmann mit Hakenplatten, b) Lang schwellen : Haarmanns Schwellenschienen. 5. Sachsen. Nur eine kurze Strecke von Haarmanns Schwellenschiene auf der Striegisthal- Brücke, mehrere Querschwellenweichen (die sich nicht bewährt haben) und eine Haarmannsche Schwellenschienen-W eiche. 6. Elsafs-Lothringen. a) Querschwellen (71 kg) mit Haarmannschen Hakenplatten.* — b) Langschwellen: Hilf. — * »Organ f. die Fortschr. im Eisenb.« 1888, S. 46.