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Verein. Staaten Deutschland 619 Mill. Tonnen 197 „ Ges. Güt.-Verk. Durchschnittl. Entfernung 178 km 104 „ 110 000 Mill. 20 488 , Tonnenkilom. Locomotiven 31 062 13 105 Sie ersehen hieraus, dafs der Güterverkehr in Tonnen über dreimal so grofs war wie in Deutschland, dafs die durchschnittliche Entfernung, welche die Tonne gefahren wurde, 78 % höher war als in Deutschland, und dafs hiernach der Gesammtgüterverkehr in Tonnen-Kilometer ungefähr fünfmal gröfser als in Deutschland ist. Demgegenüber fällt die verhältnifsmäfsig kleine Zahl der Locomotiven auf, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dafs in den Angaben über die Locomotiven die Personenzugiocomotiven beider Länder mitenthalten sind. Immerhin geht aber unzweifelhaft hervor, dafs die amerikanischen Locomotiven mehr leisten müssen, wie die unsrigen, daher auch wohl wesentlich schwerer gebaut sind. Bei aufmerksamer Prüfung des bis jetzt Vorgetragenen und der gegebenen Zahlen, sowie bei Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse, unter denen die Bahnen arbeiten, kommt man un zweifelhaft zu dem Schlüsse, dafs die Einrichtungen der Bahnen sehr vortheilhaft, und dafs die Leistungen des Betriebspersonals ganz ausgezeichnete sein müssen. Die kaufmännischen Zahlen be stätigen also, dafs die in meinem heutigen Vortrage erwähnten technischen Vorzüge der amerika nischen Bahnen gegen die unsrigen ersteren eigentlich die Lebensfähigkeit erhalten, sie beweisen damit einen wesentlichen Vorsprung gegen unsere Verhältnisse. Das Verhältnifs der nordamerikanischen Bahnen zum Staate ist ein fast vollständig ungeregeltes. Die Gesellschaften brauchen zum Bau einer Bahn keinerlei Goncession. Sie werden theilweise durch die Schenkung grofser Ländereien für die Uebernahme des Bahnunternehmens belohnt. Eine staat liche Ueberwachung findet nicht statt, ebensowenig wie die Leiter den Unternehmungen irgendwie dem Staate gegenüber verantwortlich sind. • Eine Gontrole der Tarife und der sonstigen Beziehungen zum Publikum ist nicht vorhanden. Dagegen haben die Einzelstaaten geglaubt, etwas den Bahnen gegenüber thun zu müssen und haben eine Anzahl Specialgesetze erlassen, die indessen im wesent lichen nur ein Hindernifs für den freien Verkehr sind. So möchte ich als Guriosum die strenge Handhabung der Temperenz-Gesetze in einigen Staaten erwähnen. Sobald die Züge die Grenzen dieser Staaten überschreiten, werden in den Speisewagen alle Getränke sorgfältigst verschlossen, kommen aber wieder zum Vorschein, sobald die Züge die Grenze dieser Staaten hinter sich haben. Ich habe vorher schon erwähnt, dafs die Finanzverwaltung der amerikanischen Bahnen im allgemeinen eine mangelhafte sei. Die Actien der Bahnen und das ganze Eigenthum derselben sind den wildesten Speculationen ausgesetzt, Speculationen, bei denen die Minoritäten schutzlos in der Beraubung ihres Eigenthums den Majoritäten gegenüberstehen. Diese Seite ist unzweifelhaft die schwächste in den dortigen Eisenbahnverhältnissen und ist andererseits wieder bei uns so vorzüglich geordnet, dafs wir stolz auf unsere heimischen Einrichtungen sein können. Die Beziehungen zwischen den Bahnen und dem transportirenden Publikum sind, wie sich schon aus den geschilderten Verhältnissen folgerichtig ergiebt, durchaus gute, wenigstens im Sinne der Transportinteressenten. Die Goncurrenz zwingt die Bahnverwaltungen, ihre Einrichtungen so gut zu gestalten, wie dies eben zur Zeit möglich ist, sie zwingt dieselbe ferner, in jeder Beziehung die Entwicklung des Verkehrs zu begünstigen, jeden nur möglichen Bahnanschlufs nicht nur zu fördern, sondern auch aufzusuchen und schliefslich sich in vollständig kaufmännischer Form um den Auftrag für Frachten jeder Art umzusehen und zu bewerben. Hiernach kann man wohl sagen, dafs die Eisen bahnen im Dienste des Verkehrs stehen, dafs sie denselben aber nicht beherrschen und reguliren, wie dies bei uns der Fall ist. Ich kann meine Ausführungen über die nordamerikanischen Bahnen nicht besser schliefsen, als indem ich einen Satz anführe, welchen ich kürzlich im »Engineering« fand, und der das Geschäftsprincip derselben in kurzen Worten wie folgt schildert: „Es ist die Praxis einer klugen Verwaltung, Alles und überall das zu thun, was dazu beitragen kann, Handel und Verkehr zu ermuthigen und zu entwickeln. Unter der Herrschaft dieses Grundsatzes haben die nordamerikanischen Bahnen trotz ihrer vielen Schwächen das Grofsartigste geleistet, und haben den Wohlstand des Landes in einer Weise entwickeln helfen, der jeden Besucher bei jedem wiederholten Besuche aufs neue überrascht und besorgt für die Zukunft des eigenen Vaterlandes macht. Ehe ich meinen heutigen Vortrag schliefse, möchte ich nicht versäumen, ausdrücklich zu er wähnen, dafs es meine Aufgabe nicht sein konnte, die guten Eigenschaften und Vorzüge der deutschen Bahnen besonders hervorzuheben, und dafs ich, indem ich eine Anzahl der Vorzüge der nord amerikanischen Bahnen gegenüber den unserigen erwähnt habe, damit die letzteren in allen Be ziehungen hätte zurücksetzen wollen. Ich erwähne dieses, um nicht dem üblichen Vorwurf zu ver fallen, dafs der Deutsche alle ausländischen Einrichtungen besser wie die heimischen findet. Meine Aufgabe war, diejenigen Punkte hervorzuheben, in denen unsere Reisegesellschaft glaubte, etwas von den Nordamerikanern lernen zu können, und dies sind, kurz wiederholt: