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lieh von den in Süddeutschland gebrauchten Wagen, sie sind nur in ihrem Querschnitt gröfser und luftiger gebaut. Im allgemeinen enthält jeder Wagen 64 Sitzplätze. Ganz wesentlich sind dagegen die Einrichtungen der nordamerikanischen Schnellzüge der unsrigen überlegen. Die bestehenden Privatgesellschaften, welche die Wagen für die Schnellzüge meistens hergeben, überbieten sich in vollkommenen Constructionen und haben wirklich muslerhafte Einrichtungen geschaffen, die das Reisen auf grofsen Strecken wenig anstrengend, ich möchte fast sagen, angenehm machen. Die Zuschläge für die Benutzung dieser Wagen sind verhältnifsmäfsig gering. Die Plätze sind alle numerirt. Es befindet sich auf jeder Seite des Mittelganges nur ein Platz, welcher gewöhnlich bei den Tageszügen in einem sehr bequemen Drehsessel besteht. Der Inhaber eines solchen Platzes hat genügend Raum für sein Handgepäck, kann sich nach allen Richtungen drehen, kann sich vom Schaffner jeden Augenblick eine Tischplatte während der Reise einhängen lassen und kann auch ein gemüthliches Schläfchen während der Fahrt halten. Die Wagen haben an ihrem einen Kopfende gewöhnlich ein Damenabtheil, auf der andern Seite ein Rauchabtheil, sowie vorzügliche Einrichtungen, um sich jederzeit reinigen und sonstige Verrichtungen ausführen zu können. Aufser der Eingangsthür des Wagens sind noch zwei Luftfänger vorhanden, so dafs der innere Theil des Wagens vor Zug absolut geschützt ist. Die Wagen sind unter einander durch sichere Brücken, sowie durch eine nach Art einer Ziehharmonika construirte Verbindung aus Gummi so verbunden, dafs der Verkehr zwischen den Wagen vollständig gegen Wind und Wetter geschützt ist. Dafs die meisten dieser Züge Speisewagen mitführen, dürfte allgemein bekannt sein. Aehnliche vorzügliche Einrichtungen besitzen wir in Deutschland nicht, auffallenderweise, trotzdem man sich bemüht, auch bei uns auf einzelnen Strecken einen gröfseren internationalen Verkehr zu schaffen. Ich möchte annehmen, dafs es sich sehr wohl rentiren würde, solche Züge mit einer beschränkten Personenzahl auf den Strecken Rom-Berlin, Wien-Berlin, Göln-Berlin und weiter nach Osten zu fahren. Vorschläge, die in dieser Richtung von unseren Tagesblättern bisher gemacht worden sind, haben unter anderen in der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« eine sehr schnöde Zurück weisung gefunden. Man scheint in Berlin zu glauben, dafs ein bequemes Reisen auf grofse Strecken kein Bedürfnifs sei und dafs Wünsche des Publikums in dieser Richtung nicht vorhanden wären. Es ist dabei aber zu beachten, dafs das Publikum zunächst nur das fordert, was es kennt, dafs die internationalen Reisenden im Verhältnifs zum ganzen Verkehr nur eine geringe Zahl bilden, und dafs auch die Meinung dieser Reisenden den Herren im Ministerium zu Berlin selten bekannt wird, da diese Herren selbst ja stets nur in den bequemsten und theuersten Abtheilungen unserer Züge fahren. Gerade in jetziger Zeit wird man zugeben müssen, dafs unser System der getrennten Abtheile mit directen Eingängen von aufsen auf die Dauer ganz unhaltbar wird. Wer sich hiervon noch nicht überzeugt hat, möge selbst einmal Schaffner spielen und monatelang den in jedem Augenblick lebensgefährlichen Dienst auf dem Trittbrette versuchen. Ebenso unhaltbar wie dies ist aber auch die Thatsache, dafs sich die Reisenden dem aussetzen müssen, auf jeder Station die Thüren auf gerissen zu sehen, dafs eintretende, mit Schnee und Schmutz behaftete Personen sich zwischen andern Reisenden durchdrängen und dafs anstatt angenehmer Wärme eine Kälte von 12 bis 15 Grad in den Raum dringt. Auch hierin würde bald Wandel geschaffen werden, wenn unsere hohen Beamten selbst längere Zeit unter solchen Verhältnissen reisen müfsten. Reisen diese Herren aber, so haben sie ihr Sonderabtheil, welches vom Schaffner sorgfältigst gehütet wird, und alle Leiden, denen die sonstigen Reisenden ausgesetzt sind, bleiben ihnen fern. Was die äufsere Construction der amerikanischen Personenwagen angeht, so laufen dieselben auf zwei Drehgestellen, welche je nach Gröfse des Wagens mit 2, 3 oder 4 Achsen versehen sind. Die Kupplungen der Wagen fahren sich selbstthätig ein und sind von der Plattform am Ende des Wagens aus lösbar. Neben der Kupplung befinden sich möglichst nahe an derselben zwei einfach construirte Puffer. Sämmtliche Personenwagen sind mit der Westinghouse-Bremse versehen. Auf dieser Construction und den vorzüglichen Leistungen derselben beruhen in vielen Beziehungen die Eigenschaften, welche diese Bahnen so vortheilhaft gegen die unsrigen auszeichnen. Die Leistungen der Hochbahnen in New York, die noch nirgend in der Welt übertroffen worden sind, werden lediglich durch diese vorzügliche Bremse ermöglicht. Unsere Reisegesellschaft hat es auf den unter ganz schwierigen Verhältnissen fahrenden Extrazügen in vielen Fällen lediglich der Wirkung dieser Bremse zu verdanken, dafs ernstere Unglücksfälle vermieden wurden. Es herrscht unter den Fachmännern in den Vereinigten Staaten in dieser Beziehung keine Verschiedenartigkeit der Ansichten. Auch hat man die Westinghouse-Bremse schon heute bei vielen Güterzügen angewandt und will damit grofse Ersparnisse an Reparaturen und Betrieb erzielt haben. Ein Vergleich mit unseren preufsischen Bahnen ergiebt hier leider ein recht ungünstiges Resultat. Wenn schon die Vergleichsversuche, welche in Elsafs-Lothringen, Baden und Hannover gemacht worden sind, die unzweifelhafte Ueber- legenheit der Westinghouse - Bremse über das bei uns angewandte System der Carpenter Bremse ergeben, so zeigen uns doch aufserdem die vielen Unglücksfälle, die unter anderen in Frankfurt a. M.,