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326 Nr. 4. „STAHL UND EISEN.“ April 1890. wohl gerechtfertigt, die Frage aufzuwerfen, ob, angesichts der verbesserten Stahlgufsverfahren, es noch nothwendig erscheint, Stahl- oder Eisen abfälle in den Gupolöfen mit hohem Brennstoff verbrauch rückzukohlen, wo doch der Martin ofen jedenfalls bessere Qualität und in den meisten Fällen auch wohlfeilere Producte zu erzeugen ermöglicht, es sei denn, dafs dieser Vorgang in solchen Werken mit einem gewissen Vortheil angewendet wird, wo überhaupt kein Martinofen oder kein Stahlerzeugungsapparat existirt und wo zugleich aber specielle Qualitäten gefordert werden; jedenfalls sind hier wie in jeder Fa- brication locale Verhältnisse ausschlaggebend. Nach einigen theoretischen Betrachtungen über die Ausscheidung des Kohlenstoffes durch das Silicium bespricht Hr. Gautier die gegenseitige Unverträglichkeit dieser beiden Körper im Stahle. Silicium ist für die Schmied- oder Walzarbeil sowie für die Zerreifsfestigkeit nämlich nur dann nachtheilig, wenn Kohlenstoff vorhanden ist; so läfsl sich z. B. Eisensilicium mit 7,42 % Si sehr gut schmieden, nimmt Härtung an ohne Kornveränderung und schweifst sehr gut; dies bezüglich stellt der Vortragende folgende Prin- cipien auf: 1. Wenn in einem Stahle weniger als 0,2 % Kohlenstoff enthalten sind, so kann derselbe bis zu 1 % Silicium enthalten, ohne zur Walzarbeit untauglich zu sein; 2. wenn aber 0,4 % Kohlenstoff vorhanden sind, so kann der Stahl einen Gehalt von 0,4 bis 0,5 % Silicium nicht vertragen, und sind deren höchstens 0,2 % zulässig, wenn das Metall an Güte nicht verlieren soll. In den englischen Bessemerwerken wird ein grofses Gewicht auf den Siliciumgehalt des zur Rückkohlung verwendeten Spiegeleisens gelegt, weil dort sehr selten die sogenannte „Abkühlungs methode“ durch Stahlzusätze in den Converter angewendet wird; diese Zusätze werden nämlich zu dem Zwecke gemacht, damit die Temperatur in der Bessemerretorte niedrig genug gehalten werde, um die weitere Verbrennung des Siliciums zu gestalten, welche Verbrennung wegen der Affinität des Siliciums zum Sauerstoff durch eine rasche Erhöhung der Temperatur aufgehalten werden kann; man erzeugt somit, wenn keine Stahlabfälle zugesetzt werden, siliciumreichen Stahl, dessen Siliciumgehalt durch ein solches Spiegeleisen noch erhöht würde. Hr. Gautier theilt zur Beleuchtung der Wirkung des Siliciums auf die Stahlqualität die von den HH. Tilden, Chandler-Roberts und Turner durchgeführten Versuche* mit, welche in Tiegeln ein siliciumreiches aber kohlenstoff armes Metall erzeugten. Nach einem, dem Anscheine nach wenigstens, ganz umgekehrten Princip hat Hr. Vickers in Sheffield hochsiliciumhaltigen Stahl in Tiegeln * »Stahl und Eisen« 1888, S. 297. erzeugt, und rührt zweifellos die Qualität der von demselben gelieferten Tyres von diesem Silicium her. In den Werken des Hrn. Hadfield, eben falls in Sheffield, hat man einen Stahl mit 1 % und sogar mit 1,6 % Silicium fabricirt, welcher sich sehr gut schmieden und walzen liefs; der selbe enthielt weniger als 1 % Kohlenstoff und nahm trotzdem sehr gut die Härtung an, was jedenfalls nur dem Silicium zuzuschreiben ist.* Hr. Gautier lenkt noch die Aufmerksam keit auf die Mittheilungen des Hrn. Dr. Friedrich C. G. Müller, welche in »Stahl und Eisen« erschienen sind, und giebt einige Analysen des von Hrn. Bischoff in Duisburg erzeugten Werkzeugstabls und a. m. Gegenwärtig werden in laufendem Betriebe Ferrosiliciumlegirungen mit 10 % Silicium und im Maximum 2,5 % Mangan erzeugt; dieselben werden in England zu kaum 100 Francs für die Tonne verkauft; für Giefsereizwecke worden Legirungen mit ebenfalls 10 % Si, aber aufser- dem mit 1,5 bis 1,7 % Phosphor, billiger ge liefert. — Solche Legirungen, welche mehr als 10 % und bis zu 16 % Si enthalten, sind viel theurer, sie rühren von einem sehr heifsen, somit kostspieligen und schwer zu regulirenden Gange des Hochofens her, und beträgt der Brenn stoffverbrauch 2 bis 3 t pro Tonne Legirung. Die Werke, welche sich heute hauptsächlich mit der Erzeugung von Ferrosilicium befassen, sind in Frankreich die Hochöfen zu St. Louis, und in England diejenigen von Govan (Glasgow), Ayresome (Middlesborough) und Mostyn.** Silico- Spiegeleisen. Hr. Gautier bespricht in diesem Theile seiner Abhandlung das schon erwähnte, sogen. Silico- Spiegeleisen, welches in der Metallurgie des Eisens hauptsächlich für den blasenfreien Stahl- gufs Verwendung findet und somit das Ferro silicium theilweise ersetzt; diese Legirung unter scheidet sich aber von der vorhergehenden durch ihren hohen Gehalt an Mangan, welcher etwa 20 % beträgt, während darin 8 bis 12% Silicium enthalten sind; sie wird im Hochofen durch Anwendung schwacher Gichten, sehr heifsen Windes und schwachen Zusatz von Kalkstein zu der Kieselerde und Manganoxyd enthaltenden Möllerung erzeugt. In Wirklichkeit glauben wir, dafs die gleichzei tige Verwendung von Ferrosilicium und von Ferro mangan derjenigen des Silico-Spiegeleisens allein entspricht, mit dem Unterschiede, dafs man weniger Kohlenstoff dem Metallbade beibringt. Hr. Gautier führt auch die von Dr. Müller (Brandenburg) mit Hrn. Wasum (Bochum) durch- * »Stahl und Eisen« 1889, S. 1000. ** In Deutschland: Hörder Bergwerks- und Hütten verein in Hörde.